Gewerkschaftsaktivist in Haft

Ein junger Mann aus China steht in einem weissen T-Shirt vor einer Tafel mit chinesischen Zeichen und hält eine Botschaft auf Chinesisch in die Kamera

Der chinesische Redakteur und Gewerkschaftsaktivist Wei Zhili

Wei Zhili ist Redakteur der Website Xinshengdai (Neue Generation), die über die Situation von Wanderarbeiter_innen in China berichtet. Er wurde am 20. März festgenommen und befindet sich seit dem 20. April ohne Kontakt zur Außenwelt an einem geheimen Ort in Haft. Er hat keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl und ist in Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

Appell an

Song Yiyang

1 Longping Lu, Pingshan Qu

Shenzhen, 518118

VOLKSREPUBLIK CHINA
 

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BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S. E. Herrn Ken Wu
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin

Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: chinaemb_de@mfa.gov.cn
oder presse.botschaftchina@gmail.com

 

Amnesty fordert:

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass Wei Zhili sofort und bedingungslos freigelassen wird, es sei denn, es liegen ausreichende glaubwürdige und zulässige Beweise vor, nach denen er eine international anerkannte Straftat begangen hat, und er erhält einen Prozess, der internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
  • Stellen Sie bitte außerdem sicher, dass Wei Zhili in der Haft regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl erhält, und dass er nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird. Darüber hinaus muss er mit seinen Familienangehörigen ohne unangemessene Einschränkungen kommunizieren können.
  • Beenden Sie bitte die Schikane der Familienangehörigen von Wei Zhili.

Sachlage

Wei Zhili wurde am 20. März gemeinsam mit einem Kollegen von der Polizei abgeführt. Er arbeitet als Redakteur der Website Xinshengdai (Neue Generation), die über die Situation von Wanderarbeiter_innen in China berichtet. Seine Festnahme geschah vor dem Hintergrund eines scharfen Vorgehens der Behörden gegen Studierende und Personen, die sich für Arbeitsrechte einsetzen. Angehörige der Staatssicherheitspolizei durchsuchten sein Zuhause, verhörten ihn und nahmen ihn dann fest, ohne einen Haft- oder Durchsuchungsbefehl vorzulegen.

Am 27. März erfuhr die Familie von Wei Zhili von Angehörigen des Büros für öffentliche Sicherheit des Bezirks Pingshan der Stadt Shenzhen, dass er in Haft genommen worden sei, weil man ihm vorwerfe, in der Hafteinrichtung Nr. 2 in Shenzhen "Streit angefangen und Ärger provoziert zu haben". Wei Zhili durfte sich am 28. März, 8. April und 18. April mit den von seiner Familie beauftragten Rechtsbeiständen treffen. Bei einem dieser Besuche sagte Wei Zhili seinem Rechtsbeistand, dass er nicht gefoltert worden sei. Die Polizei habe ihn jedoch verbal gedemütigt und damit gedroht, seine Familie in das Verhörzimmer zu bringen, wenn er sich weiter weigern sollte, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Am 20. April informierte die Polizei die Eltern von Wei Zhili darüber, dass ihr Sohn sich seit dem 19. April an "einem dafür vorgesehenen Ort unter Überwachung" befinde. Hierbei handelt es sich um eine Form der geheimen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt, mit der Personen bis zu sechs Monate lang außerhalb des offiziellen Systems festgehalten werden können. Personen unter dieser Art der "Überwachung" haben keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl, ihren Familien oder anderen Menschen. Sie befinden sich daher in erhöhter Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Angehörige der Polizei forderten zudem die Eltern von Wei Zhili auf, ihre Rechtsbeistände umgehend zu entlassen und keinen Ärger zu machen.

Zheng Churan, die Frau von Wei Zhili und eine bekannte Frauenrechtlerin, wird von den Behörden drangsaliert, weil sie sich öffentlich zu der Inhaftierung ihres Mannes geäußert hat. Ihre WeChat-Konten, auf denen sie Informationen über Wei Zhili veröffentlichte, sind entweder gelöscht oder gesperrt worden. Im April teilte ihr Vermieter ihr mit, sie müsse aus ihrer Wohnung ausziehen. Der Vermieter wird ebenfalls von der Polizei unter Druck gesetzt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Wei Zhili ist Redakteur der Website Xinshengdai, die über die Situation von Wanderarbeiter_innen in China berichtet. Xinshengdai nutzt nicht nur die eigene Website, sondern auch andere Social-Media-Plattformen auf dem chinesischen Festland, um Informationen zu arbeitsrechtlichen Themen – wie Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz – zu verbreiten. In jüngster Zeit arbeitete Wei Zhili verstärkt zur Situation von Arbeiter_innen aus der Provinz Hunan, die an Silikose erkrankt sind. Grund für die Erkrankungen ist der ungenügende Arbeitsschutz in den Fabriken, in denen sie arbeiten.

Seit seinem Universitätsabschluss 2001 arbeitet Wei Zhili zu arbeitsrechtlichen und feministischen Themen. Für das Freizeitzentrum für Arbeiter_innen Hand in Hand (手牵手工友活动) in Shenzhen war er in der Rechtsberatung für Arbeiter_innen aktiv. Tian Yu, eine Arbeiterin bei Foxconn, die versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, beschrieb Wei Zhili auf ihrem Blog als sehr aufmerksam und hilfsbereit, und dankte ihm und einer Gruppe Studierender für die Unterstützung, die sie ihr und ihrer Familie in einer äußerst schwierigen Zeit geleistet haben. Wei Zhili war bereits früher wegen seines gewerkschaftlichen Engagements von der Polizei bedroht worden. So gibt es Berichte über einen Zwischenfall, bei dem Angehörige der Polizei ihm und einem anderen Gewerkschaftsaktivisten gesagt haben, dass die Gewerkschaftsarbeit "die soziale Ordnung stört" und der Einsatz für Arbeiter_innen "antikommunistisch und konterrevolutionär" sei.

Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen werden in China weiterhin systematisch überwacht, schikaniert, eingeschüchtert, festgenommen und inhaftiert. Immer mehr von ihnen hält die Polizei außerhalb formaler Haftanstalten fest. Manchmal wird den Gefangenen über einen langen Zeitraum der Zugang zu einem Rechtsbeistand verwehrt, wodurch sie einem erhöhten Risiko von Folter und anderen Formen der Misshandlung ausgesetzt sind.

In China wurden seit Juli 2018 in mindestens fünf Städten Dutzende Vertreter_innen von Studierendenorganisationen sowie Gewerkschafter_innen und Fabrikarbeiter_innen willkürlich festgenommen und verhört. Dies deutet darauf hin, dass die Repression gegen die aufkommende Arbeiter_innenbewegung im Land verschärft wird.

Außerdem hat China in den vergangenen Jahren verstärkt Anstrengungen unternommen, die bereits zuvor strenge Internetzensur weiter zu verschärfen. Tausende Webseiten und Social-Media-Dienste sind gezwungen, ihren Inhalt zu zensieren, und Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter sind geblockt. Darüber hinaus wurden mehrere Investigativjournalist_innen und Betreiber_innen lokaler Nachrichtenmedien festgenommen und inhaftiert, nachdem sie Informationen zu Menschenrechtsverletzungen in China veröffentlicht hatten.