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Algerien: Aktivist zu 3 Jahren Haft verurteilt
Der Aktivist Slimane Bouhafs setzt sich in Algerien für die Rechte der Amazigh-Bevölkerung ein (Archivaufnahme).
© Privat
Am 4. Juli bestätigte ein Berufungsgericht in Algier die drei Jahre Haft und eine Geldstrafe für den Amazigh-Aktivisten Slimane Bouhafs. Slimane Bouhafs war 2020 in Tunesien der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden. Dies schützte ihn jedoch nicht davor, im September 2021 in Tunis entführt und wegen seiner angeblichen Zugehörigkeit zu einer Unabhängigkeitsorganisation der Kabylei vor Gericht gestellt zu werden. Seitdem wird er im Gefängnis von Kolea in der Nähe von Algier festgehalten. Nicht nur die Anschuldigungen gegen Slimane Bouhafs sind konstruiert, sondern auch sein gesamtes Verfahren ist nach internationalen Menschenrechtsnormen rechtswidrig. Slimane Bouhafs muss umgehend freigelassen und alle Anklagen gegen ihn fallengelassen werden.
Appell an
Präsident
Abdelmadjid Tebboune
Présidence de la République
Place Mohammed Seddik Benyahiya
El Mouradia
Algier 16000
ALGERIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Algerien
S. E. Herrn Larebi El Hadj Ali
Görschstr. 45–46
13187 Berlin
Fax: 030 4809-8716
E-Mail: info@algerische-botschaft.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie höflich und mit Nachdruck auf, alle Anklagen gegen Slimane Bouhafs unverzüglich fallen zu lassen und ihm zu gestatten, Algerien zu verlassen.
- In der Zwischenzeit sollten die algerischen Behörden sicherstellen, dass Slimane Bouhafs im Gefängnis nicht misshandelt wird.
Sachlage
Slimane Bouhafs wird willkürlich im Gefängnis von Kolea festgehalten. Er wurde nach seiner Entführung im Jahr 2021 aufgrund konstruierter Anschuldigungen für schuldig befunden. Am 4. Juli bestätigte das Berufungsgericht in Algier die Verurteilung von Slimane Bouhafs zu einer dreijährigen Haftstrafe und einer Geldstrafe von 100.000 DA (etwa 677 Euro), die ihm vom Gericht der ersten Instanz auferlegt worden war. Am 7. Juni sprach der Richter der ersten Instanz Slimane Bouhafs von neun Anklagepunkten frei, darunter "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" (§ 87 bis3) und "Beleidigung des Propheten [des Islams]" (§ 144 bis2), und verurteilte ihn nur wegen "Untergrabung der Integrität des Staatsgebiets" (§ 79). Dieser Prozess folgte auf die Ermittlungen gegen Slimane Bouhafs, die am 1. September 2021 begannen, als er vor dem Gericht erster Instanz in Sidi M'Hamed, Algier, erschien, wo ein*e Ermittlungsrichter*in ihn wegen zehn Anklagen nach dem algerischen Strafgesetzbuch in Untersuchungshaft nahm. Gegen Slimane Bouhafs hätte nie ermittelt oder ein Verfahren eingeleitet werden dürfen, da ihm in Tunesien 2020 der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden war. Nach den internationalen Menschenrechtsnormen ist Tunesien verpflichtet, Flüchtlinge zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie nicht in ein Land abgeschoben werden, in dem sie verfolgt werden.
Slimane Bouhafs wurde im August 2021 von Unbekannten aus seinem Haus in Tunis in ein Auto gezwungen, entführt und nach Algerien gebracht, wo er vor Gericht gestellt wurde. Seine Familie hörte vier Tage lang nichts von ihm, bis sie erfuhr, dass er in einer Polizeistation in Algier festgehalten wurde.
Slimane Bouhafs wird derzeit im Gefängnis von Kolea 400 km von seiner Familie entfernt festgehalten. Seine Familie darf ihn jeweils nur zu zweit und höchstens 15 Minuten lang besuchen. Für die Hin- und Rückfahrt zum Gefängnis benötigen sie 10 Stunden, und sie müssen ein Auto mieten und ein Hotel in der Nähe des Gefängnisses buchen, um sicher zu sein, dass sie pünktlich vor Ort sind. Wenn sie auch nur geringfügig zu spät kommen, werden sie nicht hineingelassen. Seine Familie ist der Ansicht, dass Slimane Bouhafs in algerischen Gefängnissen aufgrund der Misshandlungen, denen er bereits ausgesetzt war, hoch gefährdet ist, und macht sich Sorgen um seine Gesundheit, da er für seine Gicht keine angemessene medizinische Behandlung erhält.
Hintergrundinformation
Slimane Bouhafs ist ein Amazigh-Aktivist und konvertierter Christ. Im Jahr 2016 verbüßte er eine zweijährige Haftstrafe wegen Facebook-Posts, für die ihn ein Gericht wegen "Beleidigung des Propheten" und "Verunglimpfung des Glaubens und der Gebote des Islam" verurteilte. Im Jahr 2018 floh er nach Tunesien und erhielt 2020 vom UNHCR den Flüchtlingsstatus. Doch im August 2021 verschwand er und tauchte erst vier Tage später auf einer Polizeistation in Algier wieder auf. Im September 2021 leitete ein*e Richter*in eine strafrechtliche Untersuchung gegen Slimane Bouhafs ein, u.a. wegen "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" und "Untergrabung der Integrität des nationalen Territoriums", wegen Facebook-Posts und seinen angeblichen Verbindungen zur Bewegung für die Autonomie der Kabylei (Mouvement pour l'autodétermination de la Kabylie - MAK).
Am 20. September 2021 forderte eine Gruppe unabhängiger UN-Menschenrechtsexpert*innen die tunesische und die algerische Regierung auf, alle Schritte zu erläutern, die sie unternommen haben, um Slimane Bouhafs von Tunesien nach Algerien zu überstellen, sowie die rechtliche Grundlage für die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn in Algier.
Die ständige Vertretung Algeriens in Genf antwortete den UN-Expert*innen in einem Schreiben Algeriens vom Oktober 2021, dass Slimane Bouhafs auf Facebook Nachrichten gepostet habe, in denen er den algerischen Staat, seine Symbole und seine Institutionen angreift und die MAK lobt – eine Organisation, die von den algerischen Behörden im Jahr 2021 als terroristisch eingestuft wurde – und dass er mit Mitgliedern dieser Gruppe kommuniziert habe. Die algerischen Behörden haben sich jedoch nicht öffentlich dazu geäußert, wie, wann und unter welchen Umständen Slimane Bouhafs nach Algerien kam. Nach den internationalen Menschenrechtsnormen ist Tunesien verpflichtet, Slimane Bouhafs vor Entführung und Rückführung aus Tunesien nach Algerien zu schützen. Tunesien ist an den Grundsatz der Nichtzurückweisung gebunden, der die Rückführung, Ausweisung oder Auslieferung von Flüchtlingen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht sein könnten, und von Personen in Länder, in denen sie gefoltert werden könnten, verbietet.
Das harte Vorgehen der algerischen Behörden gegen kritische Stimmen scheint nicht nachzulassen. In den vergangenen zwei Jahren wurden mindestens 280 Journalist*innen, Blogger*innen, Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen schikaniert und unrechtmäßig inhaftiert, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung wahrgenommen haben.