Weiterhin willkürlich in Haft

Ägypten - Streetart

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Am 3. Juli 2019 ordnete ein Gericht die Freilassung von Ola al-Qaradawi an, die seit mehr als zwei Jahren auf der Grundlage haltloser Vorwürfe willkürlich in Einzelhaft gehalten wird. Die ägyptischen Behörden haben nun jedoch weitere konstruierte Vorwürfe gegen sie erhoben, um sie erneut zu inhaftieren. Trotz ihrer Einzelhaft wird sie beschuldigt, "ihre Verbindungen im Gefängnis genutzt zu haben, um terroristische Gruppen zu finanzieren". Über eine mögliche Verlängerung der Haft ihres Ehemanns Hossam Khalaf soll am 3. August entschieden werden.

Appell an

Nabil Sadek

Office of the Public Prosecutor

Dar alQada Al Ali

Downtown Cairo

ÄGYPTEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Arabischen Republik Ägypten

S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty

Stauffenbergstraße 6-7

10785 Berlin


Fax: 030-477 1049

E-Mail:
embassy@egyptian-embassy.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Ola al-Qaradawi und Hossam Khalaf bitte umgehend frei, da sie willkürlich inhaftiert und angeklagt wurden und ihr Recht auf ein faires Verfahren nicht gewährleistet ist.
  • Stellen Sie sicher, dass sie bis zu ihrer Freilassung nicht in Einzelhaft gehalten werden, Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen haben und gemäß internationaler Standards und der Medizinethik die nötige Gesundheitsversorgung erhalten.
  • Bitte sorgen Sie dafür, dass die Praxis der verlängerten Einzelhaft umgehend abgeschafft wird.

Sachlage

Am 3. Juli 2019 ordnete ein Gericht an, Ola al-Qaradawi auf Bewährung freizulassen. Doch anstelle einer Freilassung entschied die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit am 4. Juli, neue und ähnliche Anklagen gegen sie zu erheben und sie erneut zu inhaftieren. Obwohl sie sich durchgehend in Einzelhaft befand, warf man ihr vor, "ihre Verbindungen im Gefängnis genutzt zu haben, um terroristische Gruppen zu finanzieren". Ola al-Qaradawi trat aus Protest gegen die Entscheidung in den Hungerstreik.

Ola al-Qaradawi und ihr Ehemann Hossam Khalaf befinden sich seit dem 30. Juni 2017 aufgrund der konstruierten Anklage in Haft, dass sie der Muslimbruderschaft angehörten und diese finanziell unterstützten, um die nationale Sicherheit zu gefährden. Seit ihrer Inhaftierung ist Ola al-Qaradawi in einer kleinen Einzelzelle im Frauengefängnis Al Qanater in Qalyubia untergebracht, die etwa 160 cm auf 180 cm misst und weder ein Bett noch eine Toilette hat. Außerdem sind Belüftung und Beleuchtung ungenügend.

Über eine mögliche Verlängerung der Haft von Hossam Khalaf soll am 3. August entschieden werden, nachdem die Anhörung bereits dreimal verschoben wurde. Zuletzt war seine Haft am 17. April um 45 Tage verlängert worden. Das Ehepaar durfte bisher keine Besuche von Angehörigen oder Rechtsbeiständen erhalten. Die Familienangehörigen und Rechtsbeistände von Ola al-Qaradawy und Hossam Khalaf berichten, dass sich der Gesundheitszustand der Inhaftierten durch die ungenügende Nahrungs- und Gesundheitsversorgung verschlechtert hat.

Die UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) verbieten Einzelhaft über lange Zeiträume hinweg. Menschen dürfen demgemäß nicht länger als 15 aufeinanderfolgende Tage und mehr als 22 Stunden pro Tag ohne menschlichen Kontakt alleine festgehalten werden. Amnesty International ist der Ansicht, dass die offensichtlich vorsätzliche und als Bestrafung gedachte lange Einzelhaft, die Haft ohne Kontakt zur Außenwelt und die schlechten Haftbedingungen von Ola al-Qaradawi mit Folter gleichzusetzen sind. Dies ist in der UN-Antifolterkonvention festgeschrieben, zu deren Vertragsstaaten Ägypten gehört. Die Behörden müssen diese Art der Behandlung umgehend beenden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ola Al-Qaradawy ist dreifache Mutter und vierfache Großmutter. Sie ist die Tochter von Youssef Al-Qaradawy, einem in Katar ansässigen ägyptischen Staatsbürger, der von den ägyptischen Behörden seit Juni 2017 als "Terrorist" eingestuft wird. Hossam Khalaf ist Ingenieur und Mitglied der registrierten islamistischen Partei Al-Wasat. Die Behörden hatten ihn bereits von 2014 bis 2016 wegen des Vorwurfs, der Muslimbruderschaft anzugehören und sie finanziell zu unterstützen, für zwei Jahre inhaftiert. Die Staatsanwaltschaft ordnete am 22. März 2016 seine Freilassung an. Es kam zu keiner Anklage.

Am 30. Juni 2017 durchsuchten Sicherheitskräfte das Sommerhaus von Ola al-Qaradawy an der Nordküste Alexandrias, als sie dort mit Hossam Khalaf im Urlaub war. Die Polizei brachte das Ehepaar zunächst auf die Polizeiwache in Burj Al-Arab und übergab sie von dort an die Anklagebehörde des Staatssicherheitsdienstes in Kairo. Die Staatsanwaltschaft befragte sie zwei Tage lang und ordnete eine 15-tägige Haft aufgrund der Vorwürfe an, dass sie zur Muslimbruderschaft gehören und diese finanziell unterstützen würden. Am 3. Juli 2017 ordnete die Anklagebehörde des Staatssicherheitsdienstes die Inhaftierung der beiden aufgrund des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der Muslimbruderschaft an. Die Gefängnisleitung ordnete umgehend Einzelhaft an. Der Kontakt zu Familienangehörigen und Rechtsbeiständen wurde dem Ehepaar verwehrt. Seitdem wurde die Haftanordnung immer wieder von der Staatsanwaltschaft und von Gerichten erneuert. Sicherheitskräfte durchsuchten zudem ihre Wohnung in Kairo und konfiszierten Bargeld sowie den Schmuck von Ola al-Qaradawy und dienstliche Unterlagen von Hossam Khalaf.

Am 7. Mai veröffentlichte Amnesty International einen Bericht über Einzelhaft in ägyptischen Gefängnissen. Dieser kommt zu dem Schluss, dass die Einzelhaft und die Haftbedingungen von Ola al-Qaradawy mit Folter gleichzusetzen sind. Weitere Informationen finden Sie auf Englisch unter: https://www.amnesty.org/en/documents/mde12/8257/2018/en/).

Am 17. August 2017 wurden die Konten von Ola al-Qaradawy und Hossam Khalaf sowie von 14 weiteren Personen eingefroren. Veranlasst wurde dies durch ein staatliches Gremium zur Überwachung der Finanzen derjenigen, die in Verdacht stehen, zur Muslimbruderschaft zu gehören. Dieses Gremium gab an, die beiden seien Mitglieder der Muslimbruderschaft. Am 30. August 2017 erklärte das Strafgericht von Kairo Ola al-Qaradawy und Hossam Khalaf in Übereinstimmung mit dem Gesetz über terroristische Personen (Terrorist Entities Law) Nr. 8 von 2015 zu "Terroristen". Diese Entscheidung beruht ausschließlich auf Informationen, die vom Geheimdienst des Innenministeriums zusammengetragen worden waren. Sie wurde ohne Prozess gefällt und ist nicht gerichtlich anfechtbar. Die ägyptischen Behörden wenden das Gesetz über terroristische Personen willkürlich und ohne verfahrensrechtliche Garantien an.