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Ägypten: inhaftierter Oppositioneller in Gefahr

Der ägyptische Politiker Abdelmoniem Aboulfotoh beim Weltwirtschaftsforum in Davos (Archivaufnahme vom Januar 2012).
© World Economic Forum (CC BY-SA 2.0)
Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Abdelmoniem Aboulfotoh hat im Juli und August 2022 in der Haft vier Herzinfarkte erlitten. Er wird seit dem 14. Februar 2018 wegen unbegründeter Vorwürfe im Zusammenhang mit Medieninterviews willkürlich im Tora-Gefängniskomplex in Kairo festgehalten und wurde am 29. August 2022 von einem Notstandsgericht zu 15 Jahren Haft verurteilt. Die ägyptischen Behörden müssen seine sofortige und bedingungslose Freilassung veranlassen.
Appell an
President Abdelfattah al-Sisi
Office of the President
Al Ittihadia Palace
Cairo
ÄGYPTEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S.E. Herrn Khaled Mohamed Galaleldin Abdelhamid
Stauffenbergstraße 6 – 7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de
Amnesty fordert:
- Bitte sorgen Sie für die sofortige und bedingungslose Freilassung von Abdelmoniem Aboulfotoh, der sich nur wegen der friedlichen Wahrnehmung seiner Menschenrechte in Haft befindet.
- Sorgen Sie bitte auch dafür, dass er bis zu seiner Freilassung Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung erhält und seine Haftbedingungen den internationalen Standards für die Behandlung von Gefangenen entsprechen.
Sachlage
Abdelmoniem Aboulfotoh, ehemaliger Präsidentschaftskandidat sowie Gründer und Vorsitzender der Oppositionspartei Misr Al-Qawia, wird seit dem 14. Februar 2018 wegen unbegründeter Vorwürfe willkürlich im Mazraet-Tora-Gefängnis, einem Teil des Tora-Gefängniskomplexes in Kairo, festgehalten. Er hatte sich in Medieninterviews kritisch über Präsident Abdelfattah al-Sisi geäußert. Am 25. August 2021, zwei Monate vor Aufhebung des Ausnahmezustands, wurde er von der Obersten Staatsanwaltschaft (SSSP) vor ein Notstandsgericht (ESSC) zitiert. Am 29. Mai 2022 verurteilte ein Terrorismus-Notstandsgericht am Kairoer Strafgerichtshof Abdelmoneim Aboulfotoh zu 15 Jahren Haft wegen der "Verbreitung falscher Nachrichten" und der "Aufhetzung gegen staatliche Institutionen".
Die ägyptischen Behörden haben Abdelmoneim Aboulfotoh der Folter ausgesetzt, indem sie ihn mehr als vier Jahre lang in Einzelhaft hielten und ihm den Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung verweigerten, obwohl er möglicherweise lebensbedrohlich erkrankt ist. Im Juli und August 2022 hat er vier Herzinfarkte erlitten. Seiner Familie zufolge wurde Abdelmoneim Aboulfotoh am 1. Juli, 6. Juli und 3. August 2022 von den Gefängnisbehörden in das schlecht ausgestattete Gefängniskrankenhaus verlegt. Die Erstversorgung bestand in der Verabreichung gefäßerweiternder Medikamente. Dies stellt jedoch keine angemessene medizinische Behandlung dar. Die Gefängnisbehörden weigerten sich, seine Familie und seine Rechtsbeistände über seinen aktuellen Gesundheitszustand zu informieren. Sie teilten Abdelmoneim Aboulfotoh lediglich mündlich mit, dass er einen Herzinfarkt erlitten habe. Vor kurzem erhielt seine Familie einen Brief von ihm, in dem er ihr mitteilte, dass er am 25. August 2022 einen vierten Herzinfarkt hatte. Seiner Familie zufolge benötigt er ein Notfall-EKG, einen Ultraschall und eine Herzkatheteruntersuchung, was im Gefängniskrankenhaus jedoch nicht möglich ist. Darüber hinaus benötigt er dringend eine Prostata-OP, die bereits vor seiner Inhaftierung geplant war. Die Familie von Abdelmoneim Aboulfotoh gab an, dass er aufgrund der schlechten Belüftung und der Haftbedingungen unter Atemstillständen leidet und ein Gerät zur Unterstützung seiner Atmung benutzt.
Amnesty International ist der Ansicht, dass Abdelmoniem Aboulfotohs verlängerte Einzelhaft von mehr als 22 Stunden pro Tag seit seiner Inhaftierung im Februar 2018 sowie die Verweigerung einer medizinischen Versorgung gegen ägyptisches Recht und das Völkerrecht verstoßen sowie möglicherweise Folter darstellen.
Hintergrundinformation
Am 8. August 2022 reichte seine Familie vor dem Nationalen Menschenrechtsrat eine Beschwerde wegen der medizinischen Vernachlässigung ein, der er in der Haft ausgesetzt ist. Sie bat darum, dass er die erforderliche medizinische Hilfe erhält, um sein Leben zu retten. In der Beschwerde erläuterte sie ausführlich seinen Gesundheitszustand und die jüngsten Entwicklungen sowie dass im Gefängnis nicht zur Verfügung stehenden Dinge medizinisch dringend notwendig sind, um eine genaue Diagnose treffen und über die erforderliche Behandlung entscheiden zu können. Außerdem forderte sie, dass er so bald wie möglich auf Kosten seiner Familie in ein externes Krankenhaus verlegt wird. Am 9. August 2022 reichte die Familie bei der Staatsanwaltschaft eine Erklärung ein, in der sie auf den ernsten und möglicherweise lebensbedrohlichen Gesundheitszustand hinwies, nachdem Abdelmoniem Aboulfotoh vier Herzinfarkte erlitten hatte, die plötzlich und ohne vorherige körperliche Anstrengung auftraten und von starken, über längere Zeit anhaltenden Schmerzen begleitet wurden. In der Erklärung heißt es, dass er nicht mehr in der Lage ist, sich körperlich anzustrengen, was ein Hinweis auf verstopfte Herzkranzgefäße sein könnte.
Glaubwürdigen Quellen zufolge wird er im Tora-Gefängniskomplex in Einzelhaft gehalten, in einer zwei mal drei Meter großen Zelle, in der es im Sommer heiß und im Winter kalt ist und die über kein Bett verfügt. Bis Mitte 2021 durfte er sich auf Anordnung der Gefängnisleitung nur auf einem Gang innerhalb des Gefängnistraktes und höchstens eine Stunde täglich bewegen. Mittlerweile ist es ihm gestattet, sich anderthalb Stunden lang allein außerhalb des Traktes zu bewegen.
Am 25. Oktober 2021 kündigte Präsident Abdel Fattah al-Sisi an, dass er den seit 2017 geltenden Ausnahmezustand nicht verlängern werde. Durch diesen Ausnahmezustand war die Einrichtung von Notstandsgerichten (ESSC) möglich. Paragraf 19 des Gesetzes über den Ausnahmezustand sieht jedoch vor, dass laufende Verfahren auch nach dessen Aufhebung fortgesetzt werden können. In den drei Monaten vor der Entscheidung bezüglich des Ausnahmezustands haben die ägyptischen Behörden jedoch noch mindestens 26 Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen und Oppositionelle an Notstandsgerichte überstellt. Verfahren vor Notstandsgerichten sind per se unfair. Die Angeklagten dürfen gegen ihren Urteilsspruch und das Strafmaß keine Rechtsmittel bei einem höheren Gericht einlegen. Nur der Präsident ist befugt, Urteile zu genehmigen, aufzuheben oder umzuwandeln oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens anzuordnen. Außerdem werden den Angeklagten die Rechte auf angemessene Zeit und Mittel für die Vorbereitung der Verteidigung, auf Kommunikation mit einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und auf eine öffentliche Anhörung verweigert. Wenn Rechtsbeistände die Akten ihrer Mandant*innen, die in einigen Fällen mehr als 2.000 Seiten umfassen, kopieren wollen, wird dies von den Richter*innen routinemäßig abgelehnt. Stattdessen sollen sie die Akten im Gericht einsehen. Staatsanwält*innen und Richter*innen verletzten auch das Recht der Angeklagten auf genaue Informationen über Art und Grund der gegen sie erhobenen Anschuldigungen, indem sie weder ihnen noch ihren Rechtsbeiständen Kopien der Anklageschriften zukommen ließen.
Am 29. Mai 2022 wurden 25 Oppositionelle vor einem ESSC verurteilt, unter ihnen auch der Politiker Mohamed al-Kassas. Er erhielt eine Gefängnisstrafe von zehn Jahren wegen konstruierter Terrorismusanklagen und des Vorwurfs der Verbreitung falscher Nachrichten. In den vergangenen Monaten wurden Dutzende von Oppositionellen und Kritiker*innen in grob unfairen Verfahren vor den Notstandsgerichten wegen falscher Anschuldigungen für schuldig befunden. Zu ihnen gehört auch der Politiker Zyad el-Elaimy, der im November 2021 nach einem unfairen Verfahren vor einem ESSC zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, nur weil er die Menschenrechtslage und die Wirtschaftspolitik Ägyptens kritisiert hatte. Er war im Juni 2019, kurz nachdem er über seine Kandidatur bei den Wahlen 2020 gesprochen hatte, von Sicherheitskräften festgenommen und mehr als zwei Jahre ohne Gerichtsverfahren festgehalten worden.