Amnesty Report Israel und besetzte Gebiete 16. Mai 2017

Israel und besetzte palästinensische Gebiete 2017

Amnesty Report 2016 / 2017

Israelische Streitkräfte töteten 2016 im Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalem rechtswidrig palästinensische Zivilpersonen, darunter auch Minderjährige. Sie nahmen Tausende Palästinenser aus den besetzten Gebieten fest, die gegen Israels anhaltende militärische Besetzung demonstrierten, und hielten Hunderte Personen in Verwaltungshaft. Folter und andere Misshandlungen blieben an der Tagesordnung, und die dafür Verantwortlichen gingen straffrei aus. Die Behörden trieben den Bau unrechtmäßiger Siedlungen im Westjordanland weiter voran und versuchten, Siedlungen, die auf palästinensischen Privatgrundstücken errichtet worden waren, nachträglich zu "legalisieren". Die Bewegungsfreiheit der Palästinenser war 2016 weiterhin stark eingeschränkt. Nach Angriffen von Palästinensern auf Israeli wurden einige Gebiete vollständig abgeriegelt. Die andauernde Blockade des Gazastreifens durch die israelischen Streitkräfte stellte für die 1,9 Mio. Bewohner des Gebietes eine Kollektivstrafe dar. Die israelischen Behörden zerstörten weiterhin palästinensische Wohnhäuser im Westjordanland. In Israel wurden Beduinendörfer in der Wüste Negev dem Erdboden gleichgemacht und die Bewohner rechtswidrig vertrieben. Israelische Wehrdienstverweigerer erhielten Gefängnisstrafen. Tausende afrikanische Asylsuchende wurden inhaftiert und abgeschoben.

HINTERGRUND

Die Beziehungen zwischen Israeli und Palästinensern blieben 2016 durchweg stark angespannt. Internationale Bemühungen zur Wiederaufnahme israelisch-palästinensischer Verhandlungen scheiterten. Die israelische Regierung trieb die Ausweitung unrechtmäßiger israelischer Siedlungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem auch im Jahr 2016 weiter voran. Im Dezember forderte der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution ein sofortiges Ende der israelischen Siedlungsaktivitäten im Westjordanland und in Ost-Jerusalem.

Im Juni 2016 gab die Regierung die Unterzeichnung eines Versöhnungsabkommens zwischen Israel und der Türkei bekannt. Beide Länder nahmen ihre diplomatischen Beziehungen wieder auf. Israel erklärte sich bereit, Entschädigungszahlungen an die Familien der türkischen Staatsangehörigen zu leisten, die 2010 getötet wurden, als die israelische Marine das mit Hilfsgütern für den Gazastreifen beladene Schiff Mavi Marmara aufbrachte.

Im September 2016 beschloss die US-Regierung, die Militärhilfe für Israel ab 2019 aufzustocken und das Land in den darauffolgenden zehn Jahren mit 3,8 Mrd. US-Dollar pro Jahr zu unterstützen.

Palästinenser griffen in Israel und im Westjordanland 2016 immer wieder Angehörige der israelischen Streitkräfte und Zivilpersonen an, u. a. mit Messern und Schusswaffen sowie mit gezielt auf sie zugesteuerten Autos. Dabei handelte es sich vorwiegend um Einzeltäter, die keiner bewaffneten Gruppe angehörten. 16 Israeli und ein ausländischer Staatsangehöriger wurden getötet, die meisten von ihnen Zivilpersonen. Israelische Sicherheitskräfte töteten 110 Palästinenser und zwei ausländische Staatsangehörige. In einigen Fällen handelte es sich um rechtswidrige Tötungen, da von den Opfern keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben anderer Personen ausging.

Bewaffnete palästinensische Gruppen im Gazastreifen feuerten in regelmäßigen Abständen wahllos Raketen und Mörsergranaten auf den Süden Israels ab, es gab aber keine Berichte über Tote oder Verletzte. Israel reagierte darauf mit Luftangriffen und Artilleriebeschuss. Dabei wurden im Gazastreifen drei palästinensische Zivilpersonen getötet, darunter zwei Minderjährige.

RECHT AUF BEWEGUNGSFREIHEIT – BLOCKADE DES GAZASTREIFENS UND EINSCHRÄNKUNGEN IM WESTJORDANLAND

Die israelischen Streitkräfte hielten die seit fast zehn Jahren andauernde Blockade des Gazastreifens auch 2016 aufrecht, was für die gesamte Bevölkerung einer Kollektivstrafe gleichkam. Jede Ein- und Ausreise von Personen sowie alle Ein- und Ausfuhren von Waren mussten von Israel genehmigt werden. Die anhaltende Schließung des Grenzübergangs Rafah durch Ägypten sowie Mittelkürzungen beeinträchtigten die Wirtschaft des Gazastreifens zusätzlich und behinderten den Wiederaufbau von Wohnhäusern und Infrastruktureinrichtungen, die bei den bewaffneten Konflikten mit Israel in den Jahren zuvor zerstört oder beschädigt worden waren. Infolge des Konflikts im Jahr 2014 waren immer noch rund 51000 Menschen Binnenvertriebene, und Blindgänger führten nach wie vor zu Toten und Verletzten in der Zivilbevölkerung. Die Zahl der Palästinenser, die den Gazastreifen über den Grenzübergang Erez verließen, ging 2016 zurück, da die israelischen Behörden die Ausreiseanträge von Geschäftsleuten, Angestellten internationaler Organisationen und kranken Personen sowie ihren Begleitpersonen abwiesen, verschleppten oder erteilte Genehmigungen widerriefen.

Israelische Streitkräfte verteidigten die Pufferzone, die Israel an der Grenze zum Gazastreifen auf palästinensischem Gebiet eingerichtet hatte, und schossen mit scharfer Munition auf Palästinenser, die diese Zone betraten oder sich ihr näherten. Dabei wurden vier Personen getötet und weitere verletzt. Palästinensische Fischer wurden beschossen, wenn sie in die Nähe der Sperrzone gerieten, die sich entlang der Küste des Gazastreifens erstreckte.

Im Westjordanland schränkten die israelischen Behörden die Bewegungsfreiheit der Palästinenser weiterhin stark ein. Die Einschränkungen hatten diskriminierenden Charakter. So durften Palästinenser vor allem Gebiete nahe der unrechtmäßigen israelischen Siedlungen nicht betreten und sich nicht in der Nähe des von Israel errichteten Zauns bzw. der Mauer aufhalten. Als Vergeltung für palästinensische Angriffe auf Israeli verhängten die Militärbehörden kollektive Strafmaßnahmen, indem sie den Familienmitgliedern der Angreifer die Arbeitsgenehmigungen für Israel entzogen und ganze Gebiete und Dörfer abriegelten.

WILLKÜRLICHE FESTNAHMEN UND INHAFTIERUNGEN

Die israelischen Behörden inhaftierten 2016 Tausende Palästinenser aus den besetzten Gebieten oder hielten sie weiterhin in Gewahrsam. Die meisten von ihnen waren in Gefängnissen in Israel inhaftiert, was einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellte. Vielen Familien von Gefangenen, vor allem aus dem Gazastreifen, die ihre Verwandten im Gefängnis besuchen wollten, wurde die Einreise nach Israel verweigert. Die israelischen Behörden nahmen weiterhin Hunderte palästinensische Minderjährige im Westjordanland und in Ost-Jerusalem fest. Viele von ihnen wurden von israelischen Sicherheitskräften geschlagen, bedroht oder in anderer Weise misshandelt.

Die israelischen Behörden hielten 2016 Hunderte Palästinenser ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft, darunter auch Minderjährige. Grundlage hierfür waren Verwaltungshaftanordnungen, die beliebig oft verlängert werden konnten und sich auf Geheiminformationen bezogen, zu denen weder die Inhaftierten noch ihre Rechtsbeistände Zugang erhielten. Die Zahl dieser Anordnungen war seit Oktober 2015 stark gestiegen und erreichte ein Ausmaß wie zuletzt 2007. Den jüngsten verlässlichen Angaben zufolge befanden sich Ende April 2016 mindestens 694 Personen in Verwaltungshaft. Einige von ihnen traten aus Protest in lange andauernde Hungerstreiks. Der palästinensische Gefangene Bilal Kayed verweigerte 71 Tage lang die Nahrungsaufnahme, bevor er im Dezember 2016 ohne Anklageerhebung freikam. Anas Shadid und Ahmad Abu Farah beendeten ihren Hungerstreik am 22. Dezember nach 90 Tagen.

Drei jüdische Israeli, die in Verwaltungshaft genommen worden waren, kamen 2016 frei.

Die Verwaltungshaftanordnung gegen den Zirkusartisten Mohammed Faisal Abu Sakha wurde im Juni und im Dezember 2016 unter Verweis auf geheime "Beweise" für jeweils sechs Monate erneuert. Die erste Anordnung über sechs Monate war im Dezember 2015 erlassen worden.

Palästinenser aus dem Westjordanland, die wegen Protestaktionen und anderer Verstöße angeklagt waren, mussten sich in unfairen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten verantworten. Israelische Zivilgerichte, die Fälle von Palästinensern aus dem Gazastreifen verhandelten, verhängten selbst für geringfügige Vergehen harte Strafen.

Mohammed al-Halabi, der im Gazastreifen für eine humanitäre Hilfsorganisation arbeitete, wurde im Juni 2016 festgenommen. Er wurde drei Wochen lang intensiv verhört und hatte in dieser Zeit keinen Zugang zu seinem Rechtsbeistand. Die im August erhobene Anklage warf ihm vor, Gelder der gemeinnützigen Organisation World Vision veruntreut und an die De-facto-Verwaltung der Hamas im Gazastreifen weitergeleitet zu haben. World Vision teilte mit, man habe keinerlei belastbare Beweise gesehen, die diese Anklage stützten.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

Angehörige der israelischen Armee, der Polizei und des Sicherheitsdienstes (Israel Security Agency – ISA) folterten und misshandelten palästinensische Gefangene auch 2016, ohne dafür strafrechtlich belangt zu werden, insbesondere bei der Festnahme und während Verhören. Zu den Opfern zählten auch Minderjährige. Die Foltermethoden umfassten u. a. Schläge, Ohrfeigen, zu straffe und schmerzhafte Fesselungen, Schlafentzug, Verharren in schmerzhaften Positionen und Drohungen. Obwohl die Behörden seit 2001 mehr als 1000 Beschwerden über Folter durch ISA-Angehörige erhalten hatten und für entsprechende Beschwerden seit 2014 das Justizministerium zuständig war, wurden keine strafrechtlichen Ermittlungen eingeleitet. Häufig wurde auch der Vorwurf erhoben, die israelische Polizei würde Asylsuchende und Angehörige der äthiopischen Gemeinschaft in Israel foltern und anderweitig misshandeln.

Der UN-Ausschuss gegen Folter nahm 2016 zum fünften Mal eine regelmäßige Überprüfung Israels vor. Der Ausschuss kritisierte die anhaltenden Berichte über Folter und andere Misshandlungen, die Straflosigkeit für diese Verbrechen und die Tatsache, dass Folter nicht per Gesetz verboten war. Vertreter der israelischen Regierung gaben an, das Justizministerium bereite einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, er sei dem Parlament aber noch nicht vorgelegt worden.

Im September 2016 bestätigte der Oberste Gerichtshof ein Gesetz aus dem Jahr 2015, das es den Behörden erlaubt, Häftlinge im Hungerstreik zwangsweise zu ernähren. Das Gesetz kam 2016 nicht zur Anwendung.

RECHTSWIDRIGE TÖTUNGEN

Israelische Soldaten, Polizisten und Angehörige des Sicherheitsdienstes töteten 2016 mindestens 98 Palästinenser aus den besetzten Gebieten im Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalem, acht im Gazastreifen und drei in Israel. Ein palästinensischer Bürger Israels, der für die Tötung von drei Israeli am 1. Januar 2016 in Tel Aviv verantwortlich war, wurde von der Polizei in Israel erschossen. Die meisten Opfer wurden in Situationen erschossen, in denen sie Israeli angriffen oder man sie verdächtigte, einen Angriff zu beabsichtigen. Es gab aber auch Fälle, in denen es sich offenbar um rechtswidrige Tötungen handelte, da von den Betreffenden keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben anderer Personen ausging, als sie erschossen wurden. Dies galt auch für einige minderjährige Opfer.

AUßERGERICHTLICHE HINRICHTUNGEN

Einige der Getöteten wurden allem Anschein nach Opfer außergerichtlicher Hinrichtungen, so z. B. der 16-jährige Mahmoud Shaalan, der im Februar 2016 bei einer Straßenkontrolle in Ramallah von israelischen Soldaten erschossen wurde, und Mohammed Abu Khalaf, der ebenfalls im Februar von der israelischen Grenzpolizei in Ost-Jerusalem getötet wurde. Auch Maram Abu Ismael und ihr 16-jähriger Bruder Ibrahim wurden offenbar Opfer einer außergerichtlichen Hinrichtung. Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, der im Auftrag des israelischen Verteidigungsministeriums arbeitete, erschossen die beiden im April 2016 an einem Kontrollpunkt in Qalandia.

EXZESSIVE GEWALTANWENDUNG

Israelische Streitkräfte gingen 2016 mit unverhältnismäßiger und tödlicher Gewalt gegen protestierende Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen vor. Sie töteten dabei 22 Menschen und verletzten Tausende mit gummiummantelten Metallgeschossen und scharfer Munition. Zwar setzten Protestierende auch Steine oder andere Wurfgeschosse ein, doch stellten sie zum Zeitpunkt ihrer Erschießung in der Regel keine Bedrohung für das Leben der gut geschützten israelischen Soldaten dar.

RECHTE AUF FREIE MEINUNGSÄUßERUNG, VEREINIGUNGS- UND VERSAMMLUNGSFREIHEIT

Die Behörden nutzten eine Reihe von Maßnahmen, um gegen Menschenrechtsverteidiger in Israel und in den besetzten Gebieten vorzugehen, die Kritik an der anhaltenden israelischen Besetzung der palästinensischen Gebiete übten.

Am 11. Juli 2016 verabschiedete das Parlament das sogenannte Transparenzgesetz. Es sieht eine Meldepflicht für Organisationen vor, die mehr als 50 % ihrer finanziellen Mittel von ausländischen Regierungen erhalten. Davon betroffen sind fast ausschließlich Menschenrechtsgruppen und andere NGOs, die der israelischen Regierung kritisch gegenüberstehen.

Israelische Militärverordnungen, denen zufolge nichtgenehmigte Demonstrationen im Westjordanland verboten sind, wurden benutzt, um Protestaktionen von Palästinensern zu unterdrücken. Protestierende und Menschenrechtsverteidiger wurden festgenommen und inhaftiert. Nach der jährlichen Protestaktion "Open Shuhada Street" am 26. Februar 2016 in Hebron leiteten die Behörden strafrechtliche Ermittlungen gegen die palästinensischen Menschenrechtsverteidiger Issa Amro und Farid al-Atrash ein. Die Anklagen lauteten auf Teilnahme an einem nichtgenehmigten Protestmarsch und unerlaubtes Betreten eines militärischen Sperrgebietes. Die beiden Menschenrechtsverteidiger wurden offenbar nur deshalb strafrechtlich verfolgt, weil sie friedlich ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ausgeübt hatten. Gegen Issa Amro liefen außerdem weitere Verfahren wegen friedlicher Aktionen in den Jahren zuvor.

Der ehrenamtliche Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation B’Tselem Imad Abu Shamsiyeh, der die außergerichtliche Hinrichtung von Abed al-Fatah al-Sharif durch einen israelischen Soldaten am 24. März 2016 in Hebron filmte, erhielt in der Folge monatelang Morddrohungen von israelischen Siedlern aus nahegelegenen unrechtmäßigen Siedlungen. Die Polizei wies ihn ab und drohte ihm im August 2016 mit der Festnahme, sollte er Anzeige erstatten. Palästinenser und ausländische Staatsangehörige, die die Arbeit von NGOs wie z. B. Al-Haq im Zusammenhang mit dem Internationalen Strafgerichtshof unterstützten, wurden mit dem Tode bedroht.

Die Regierung griff eine Reihe bekannter israelischer Menschenrechtsorganisationen, wie Breaking the Silence, B’Tselem und Amnesty International Israel, und deren Mitarbeiter gezielt an, um die Arbeit der Organisationen zu untergraben.

Im Mai 2016 erhoben die Behörden Anklage gegen den israelischen Whistleblower und ehemaligen gewaltlosen politischen Gefangenen Mordechai Vanunu. Sie warfen ihm vor, gegen die weitreichenden und willkürlichen Einschränkungen seiner Rechte auf Bewegungs- und Meinungsfreiheit verstoßen zu haben, die gegen ihn verhängt worden waren. Das Verfahren war Ende 2016 noch anhängig.

RECHT AUF WOHNEN – ZWANGSRÄUMUNGEN UND ZERSTÖRUNG VON WOHNRAUM

Im Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalem zerstörten die israelischen Behörden 2016 mindestens 1089 palästinensische Wohnhäuser und andere Gebäude, die ohne israelische Genehmigung errichtet worden waren. Die Zerstörungen erreichten damit ein zuvor nicht gekanntes Ausmaß und führten zur rechtswidrigen Vertreibung von mehr als 1593 Personen. Baugenehmigungen wurden Palästinensern auch 2016 faktisch nicht erteilt. Viele Abrisse betrafen Angehörige von Beduinen- und Hirtengemeinschaften, die weiterhin von zwangsweiser Umsiedlung bedroht waren. Außerdem bestraften die Behörden Familien von Palästinensern, die Angriffe auf Israeli verübt hatten, kollektiv, indem sie 25 Wohnhäuser abrissen oder unbewohnbar machten und die Bewohner rechtswidrig vertrieben.

Auch in Israel rissen die Behörden Hunderte Wohnhäuser von Palästinensern und andere Gebäude ab, die ihrer Ansicht nach ohne Genehmigung errichtet worden waren. Dies betraf vor allem "nicht anerkannte" Beduinendörfer in der Wüste Negev.

STRAFLOSIGKEIT

Mehr als zwei Jahre nach dem Ende des bewaffneten Konflikts im Gazastreifen mit etwa 1460 palästinensischen Todesopfern, von denen viele bei rechtswidrigen Angriffen getötet wurden, die Kriegsverbrechen gleichkamen, hatten die israelischen Militärbehörden nur drei Soldaten wegen Plünderung und Behinderung einer Untersuchung angeklagt. Im August 2016 verkündete der Militärstaatsanwalt die Einstellung der Ermittlungen zu zwölf Fällen, obwohl es Beweise dafür gab, dass einige davon als Kriegsverbrechen untersucht werden müssten. Die Ermittlungen der israelischen Armee waren weder unabhängig noch unparteiisch und sorgten nicht für Gerechtigkeit.

Eine Ausnahme stellte der Fall des Soldaten Elor Azaria dar, der einen verletzten Palästinenser in Hebron erschossen hatte und deshalb von den israelischen Militärbehörden angeklagt und vor Gericht gestellt wurde. Die außergerichtliche Hinrichtung war auf einem Video festgehalten worden. Das Urteil des Militärgerichts wurde für Januar 2017 erwartet. Die meisten Armeeangehörigen, die Palästinenser rechtswidrig getötet hatten, blieben unbehelligt. Die israelische Armee, das Justizministerium und die Polizei gingen weder in Israel noch in den besetzten Gebieten Fällen mutmaßlicher rechtswidriger Tötungen von Palästinensern nach. Sofern Ermittlungen stattfanden, waren sie unzureichend oder wurden eingestellt.

Die Behörden leiteten strafrechtliche Maßnahmen gegen mehrere jüdische Siedler ein, die tödliche Angriffe auf Palästinenser verübt hatten. Im Januar 2016 erging Anklage gegen zwei israelische Staatsbürger wegen des Brandanschlags auf das Haus der Familie Dawabshe im Juli 2015, bei dem drei Familienmitglieder getötet wurden, darunter ein 18 Monate altes Kind. Im Mai 2016 verurteilte ein Gericht in Jerusalem Yosef Ben David zu lebenslanger Haft und zusätzlich 20 Jahren, nachdem es ihn für schuldig befunden hatte, den 16-jährigen Palästinenser Mohammed Abu Khdeir im Juli 2014 entführt und ermordet zu haben.

Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) setzte ihre Vorermittlungen 2016 fort. Sie galten mutmaßlichen völkerrechtlichen Verbrechen der israelischen Armee und palästinensischer bewaffneter Gruppen seit dem 13. Juni 2014. Die israelische Regierung erlaubte einer Delegation des IStGH im Oktober 2016, Israel und das Westjordanland zu besuchen.

GEWALT GEGEN FRAUEN UND MÄDCHEN

Es gab erneut Berichte über Gewalt gegen Frauen. Sie betrafen vor allem in Israel lebende Palästinenserinnen. Laut Angaben von Aktivisten wurden im Jahr 2016 mindestens 21 Frauen in Israel ermordet, die Täter waren in den meisten Fällen Partner oder Familienmitglieder. Einige Frauen wurden dem Vernehmen nach von ihren gewalttätigen Partnern getötet, nachdem sie die Polizei vergebens um Schutz gebeten hatten.

[FLÜCHTLINGE UND ASYLSUCHENDE

]Die Behörden verweigerten Asylsuchenden 2016 nach wie vor den Zugang zu einem fairen und zügigen Verfahren, um ihren Flüchtlingsstatus feststellen zu lassen. Mehr als 90 % der Asylsuchenden stammten aus Eritrea und dem Sudan. Ende 2016 waren mehr als 3250 Asylsuchende im Haftzentrum Holot und im Saharonim-Gefängnis in der Wüste Negev inhaftiert.

Nach Informationen des Innenministeriums gab es im Oktober 2016 mehr als 37000 eritreische und sudanesische Asylsuchende in Israel. Den Angaben zufolge war im Oktober über mehr als 18900 Asylanträge noch nicht entschieden worden.

Im Februar 2016 verabschiedete das Parlament die vierte Version einer Änderung des "Antiinfiltrationsgesetzes" (Prevention of Infiltration Law), die es Behörden erlaubt, Asylsuchende bis zu einem Jahr ohne Anklageerhebung zu inhaftieren. Die Bedingungen in den Haftzentren waren Berichten zufolge äußerst schlecht. Die Ernährung und medizinische Versorgung der Inhaftierten war mangelhaft, es herrschten unhygienische Verhältnisse, und die Zellen waren überfüllt.

Im September 2016 erklärte ein für Fragen der Inhaftierung von Flüchtlingen zuständiges Berufungsgericht in Jerusalem, das Vorgehen der Regierung, Asylanträge eritreischer Deserteure grundsätzlich abzulehnen, sei rechtswidrig. Tausende Personen waren bereits aufgrund der Rechtsauffassung der Regierung zurückgewiesen worden.

Im Juni 2016 gewährten die Behörden erstmals einem sudanesischen Staatsangehörigen Asyl. Die Behörden drängten jedoch weiterhin Tausende Asylsuchende aus dem Sudan und aus Eritrea, Israel "freiwillig" zu verlassen, darunter auch diejenigen, die in Holot inhaftiert waren. Bis zum Jahresende sollen mehr als 2500 Personen einer "freiwilligen" Rückkehr zugestimmt haben. Die Regierung weigerte sich, Einzelheiten über Vereinbarungen zu nennen, die sie dem Vernehmen nach mit Ruanda und Uganda geschlossen hatte. So blieb unklar, ob diese Zusicherungen enthielten, dass Asylsuchende, die Israel freiwillig verließen, vor schweren Menschenrechtsverletzungen geschützt waren. Andernfalls würde Israel gegen den Grundsatz des Non-Refoulement (Nichtzurückweisung) verstoßen, der eine Überstellung verbietet, wenn schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

WEHRDIENSTVERWEIGERER

Mindestens fünf Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen mussten Gefängnisstrafen verbüßen, darunter Tair Kaminer, die fast sechs Monate lang inhaftiert war und damit länger als jede Wehrdienstverweigerin vor ihr.

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