Amnesty Report Turkmenistan 30. Mai 2016

Turkmenistan 2016

 

2015 zeichnete sich keine Verbesserung der Menschenrechtssituation ab. Unabhängige Kontrollorgane zur Überwachung der Menschenrechtslage wurden weiterhin nicht ins Land gelassen. Im Januar 2015 erklärte die Regierung, sie plane, eine Ombudsstelle für Menschenrechte einzurichten. Unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen konnten nach wie vor nicht frei tätig sein. Die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit blieben weiterhin massiv eingeschränkt, und viele Menschen waren mit Einschränkungen des Rechts auf Freizügigkeit konfrontiert. Es gab Berichte über rechtswidrige Zwangsräumungen. Sexuelle Beziehungen zwischen Männern waren nach wie vor ein Straftatbestand.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Obwohl 2013 Grundsätze zur Unabhängigkeit der Medien und ein Verbot staatlicher Einflussnahme auf deren Tätigkeit gesetzlich verankert worden waren, unterlagen die Medien faktisch einer weitreichenden staatlichen Zensur. Unabhängige Zeitungen oder andere Medien zu betreiben war nicht möglich. Die Behörden versuchten weiterhin, Journalisten durch Schikanen, Einschüchterung oder, wie in mindestens einem Fall, durch Inhaftierung mundtot zu machen. Der freiberufliche Journalist Saparmamed Nepeskuliev, der für Radio Free Europe / Radio Liberty (RFE / RL) und Alternative News Turkmenistan (ANT) über Korruption berichtet hatte, wurde am 7. Juni 2015 festgenommen und mehr als einen Monat lang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Seine Familie erfuhr aus inoffiziellen Quellen, dass er am 31. August 2015 wegen Drogendelikten zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, es war jedoch davon auszugehen, dass man ihn wegen seiner journalistischen Arbeit verfolgte. Korrespondenten von RFE / RL wurde weiterhin die Akkreditierung verweigert; sie wurden immer wieder schikaniert, eingeschüchtert und mit Inhaftierung bedroht.

Der Zugang zu ausländischen Medien und Informationsquellen wurde 2015 noch stärker eingeschränkt. Im Rahmen einer offiziellen Kampagne wurden die Einwohner der Hauptstadt Aschgabat sowie anderer Städte in der ersten Jahreshälfte von den lokalen Wohnungsbehörden gezwungen, privat installierte Satellitenschüsseln zu entfernen und zu zerstören, um auf diese Weise den Zugang zu ausländischen Medien zu unterbinden. Die Behörden überwachten und beschränkten den Zugang zum Internet und blockierten regelmäßig die sozialen Medien.

Personen, die versuchten, gegen rechtswidrige Zwangsräumungen in der Nähe von Aschgabat zu protestieren, wurden eingeschüchtert, bedroht und in einigen Fällen in Haft genommen.

Recht auf Religionsfreiheit

Die Religionsausübung war weiterhin strenger Kontrolle unterworfen. Dies betraf insbesondere religiöse Minderheiten wie armenisch-apostolische Christen, Katholiken, Protestanten und Zeugen Jehovas. Nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten mussten sich religiöse Gruppen staatlich registrieren lassen und im Falle einer Nichtzulassung öffentlich darauf hinweisen, dass sie verboten waren. Nach Informationen der norwegischen Menschenrechtsorganisation Forum 18, die sich für Religions-, Gedanken-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit einsetzt, wurde ein Zeuge Jehovas wegen "Anstachelung zu religiösem Hass" zu vier Jahren Haft verurteilt. Er war bei einer religiösen Zusammenkunft festgenommen worden, die er in seiner Wohnung veranstaltet hatte.

Folter und andere Misshandlungen

Es gab weiterhin glaubwürdige Berichte darüber, dass Angehörige der Sicherheitskräfte Menschen folterten oder in anderer Weise misshandelten, um "Geständnisse" oder belastende Aussagen über andere Personen zu erzwingen. Der Aktivist Mansur Mingelov war weiterhin in Haft, nachdem man ihn in einem unfairen Verfahren wegen Drogendelikten schuldig gesprochen hatte. Er hatte Informationen über die Folter und Misshandlung von Angehörigen der ethnischen Gemeinschaft der Belutschen 2012 in der Provinz Mary welaýaty veröffentlicht.

Verschwindenlassen

Der Verbleib von Häftlingen, die nach einem mutmaßlichen Mordanschlag auf den früheren Staatspräsidenten Saparmurat Nijasow im Jahr 2002 dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen waren, blieb weiterhin ungeklärt. Die EU bat im Juni 2015 im Rahmen des Menschenrechtsdialogs mit Turkmenistan um entsprechende Informationen, erhielt jedoch keine Antwort. Die Angehörigen der Inhaftierten warten seit 13 Jahren auf Informationen über deren Verbleib.

Recht auf Freizügigkeit

Obwohl Turkmenistan im Jahr 2006 das System der Ausreisevisa abgeschafft hatte, galten in der Praxis nach wie vor willkürliche Beschränkungen des Rechts, ins Ausland zu reisen. In zahlreichen Fällen erfuhren die Betroffenen erst bei dem Versuch, das Land zu verlassen, dass ihnen die Ausreise untersagt worden war. Im Juli 2015 wurde die Tochter des im Exil lebenden ehemaligen Parlamentsabgeordneten Pirimkuli Tanrykuliev daran gehindert, mit ihren beiden Kindern in die Türkei zu reisen. Grenzschutzbeamte stempelten ihnen ein Ausreiseverbot in ihre Pässe.

Nach mehreren gescheiterten Anläufen in den vergangenen Jahren durfte der frühere Gefangene Geldy Kyarizov 2015 nach Russland reisen, um sich fachärztlich behandeln zu lassen und seine Ehefrau und weitere Familienangehörige zu treffen. Seit seiner Freilassung im Jahr 2007 war er wiederholt an der Ausreise gehindert worden. Angehörige, die ihn bei seinen Ausreiseversuchen begleitet hatten, wurden Opfer von Einschüchterung und tätlichen Angriffen. Dazu zählte auch ein verdächtiger Autounfall im August 2015, der einem Vorfall Anfang 2014 ähnelte, der seiner Tochter gegolten hatte. Die Behörden weigerten sich jedoch, die Vorfälle zu untersuchen.

Rechtswidrige Zwangsräumungen

Rechtswidrige Zwangsräumungen und die Zerstörung von Häusern in und um Aschgabat sorgten dafür, dass Tausende Menschen ihre Wohnungen verloren. Der Abriss der Häuser diente dem Vernehmen nach der Vorbereitung von Bauprojekten für die 5. Asienspiele für Hallen- und Kampfsportarten im Jahr 2017 und war Teil eines umfassenderen Plans zur Stadtentwicklung.

Am stärksten betroffen war das Wohnviertel Choganly im Norden von Aschgabat. Dort wurden Schätzungen zufolge etwa 50 000 Menschen durch rechtswidrige Zwangsräumungen vertrieben. Auf hochauflösenden Satellitenaufnahmen war zu erkennen, dass bis zum 28. April 2015 fast die Hälfte der 10 000 Wohnhäuser in Choganly dem Abriss zum Opfer gefallen war. Laut späteren Berichten wurde bis September 2015 das gesamte Viertel dem Erdboden gleichgemacht. Die Bewohner erhielten weder Informationen über Alternativen zur Zwangsräumung, noch stellte man ihnen vorübergehenden oder dauerhaften Ersatzwohnraum zur Verfügung. Die Regierung erklärte, einige der Häuser in Choganly seien als Ferienhäuser gedacht gewesen, andere seien illegal errichtet worden, die Eigentümer und Bewohner hätten deshalb keinen Anspruch auf Entschädigung, alternativen Wohnraum oder Land.

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