Amnesty Report Montenegro 07. Juni 2016

Montenegro 2016

 

Es gab 2015 weiterhin Angriffe und Drohungen gegen unabhängige Medien und Journalisten, und die dafür Verantwortlichen wurden nur selten zur Rechenschaft gezogen. Die Polizei ging mit exzessiver Gewalt gegen Demonstrationen vor, die oppositionelle Parteien organisiert hatten, um gegen das Versagen der Regierung im Kampf gegen Armut, Kriminalität und Korruption zu protestieren.

Völkerrechtliche Verbrechen

Im Fall der neun Polizisten, denen man das Verschwindenlassen von mindestens 79 bosnischen Flüchtlingen im Mai 1992 zur Last gelegt hatte und die Freisprüche erhielten, lehnte der Oberste Gerichtshof im Oktober eine rechtliche Überprüfung des rechtskräftigen Urteils ab. Nach Ansicht von Amnesty International war das Urteil weder mit nationalem Recht noch mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar.

Im September 2015 äußerte der UN-Ausschuss über das Verschwindenlassen seine Sorge darüber, dass Versäumnisse bei der strafrechtlichen Verfolgung von Kriegsverbrechen zu Straflosigkeit geführt haben könnten. Er forderte die Behörden nachdrücklich auf, die Angehörigen der "verschwundenen" Personen als Opfer anzuerkennen, und appellierte an die neueingesetzte Kommission zu Vermissten, das Schicksal der 61 Personen aufzuklären, die seit dem Krieg vermisst wurden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Die Kommission, die eingesetzt wurde, um Angriffe auf Journalisten in den vergangenen Jahren zu untersuchen, beantragte im Mai 2015 Einsicht in maßgebliche Dokumente, die als geheim eingestuft sind. Die für Datenschutz zuständige Behörde lehnte den Antrag ohne rechtliche Begründung ab.

Im Fall von Duško Jovanovic, dem Chefredakteur der Tageszeitung Dan, der 2004 ermordet worden war, wurde einem Zeugen Schutz zugesagt, bevor er seine Aussage machte. Die Witwe des Ermordeten verließ im August 2015 das Land, nachdem ihr Auto mutwillig zerstört worden war. Das Urteil gegen Damir Mandic wegen Mittäterschaft bei der Ermordung wurde im Oktober 2015 bestätigt.

Unmittelbar vor dem Internationalen Tag zur Beendigung der Straflosigkeit für Verbrechen gegen Journalisten stellte die Staatsanwaltschaft im November 2015 die Ermittlungen zu dem Überfall auf den Journalisten Tufik Softic im Jahr 2007 ein, obwohl 2014 zwei Tatverdächtige festgenommen worden waren.

Regierungsnahe Medien verunglimpften Journalisten und Menschenrechtsverteidiger. Im Januar 2015 wurde im Fernsehsender TV Pink gefordert, die Geschäftsführerin der NGO Human Rights Action, Tea Prelevic, zu inhaftieren, nachdem sie sich für eine Frau eingesetzt hatte, die Opfer von Menschenhandel geworden war.

Im April 2015 erklärte das Gericht von Podgorica die Überwachung der NGO MANS durch den Geheimdienst seit 2010 für rechtswidrig. Außerdem sprach das Gericht den Mitarbeitern der Organisation, die sich gegen Korruption und organisierte Kriminalität einsetzt, eine Entschädigung zu.

Exzessive Gewaltanwendung

Am 17. Oktober 2015 setzte die Bereitschaftspolizei exzessive Gewalt und Tränengas ein, um ein Protestlager vor dem Parlament aufzulösen. Dabei wurden führende Vertreter der Opposition und Parlamentsangehörige verletzt und zwei Journalisten festgenommen. Das Lager war im Zuge von Massendemonstrationen errichtet worden, die am 27. September 2015 begonnen hatten. Am 24. Oktober 2015 versuchten Mitglieder des oppositionellen Parteienbündnisses Demokratische Front, sich gewaltsam Zugang zum Parlament zu verschaffen, nachdem man ihnen den Zutritt verwehrt hatte, und verletzten dabei 20 Polizisten. Die Polizei setzte daraufhin Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschosse ein und verletzte 27 Protestteilnehmer, darunter auch friedliche Demonstrierende. Der für Polizeikontrolle zuständige Rat prüfte die drei Vorfälle und kam zu dem Schluss, dass sich Polizeibeamte der Misshandlung und des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht hatten. Im November 2015 wurden zwei Angehörige einer speziellen Antiterroreinheit inhaftiert, die im Verdacht standen, Miodrag Martinovic misshandelt zu haben.

Folter und andere Misshandlungen

Im April 2015 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Montenegro zu Entschädigungszahlungen an Dalibor Nikezic und Igor Milic, die 2009 im Gefängnis von Spuž gefoltert worden waren. Nach Ansicht des Gerichts hatte die Staatsanwaltschaft das strafrechtliche Verfahren eingestellt, ohne die vorliegenden Beweise angemessen zu prüfen.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgeschlechtlichen und Intersexuellen Die Organisatoren einer geplanten Pride Parade in Nikšic beantragten im Laufe des Jahres 2015 dreimal eine Genehmigung. Die Behörden verboten die Veranstaltung jedoch an allen drei Terminen aus Sicherheitsgründen. In der Hauptstadt Podgorica fand die Pride Parade im Dezember 2015 ohne Zwischenfälle statt.

Im Mai 2015 wurden drei Männer zu jeweils drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie den Geschäftsführer der NGO LGBT Forum Progres, Stevan Milivojevic, im April 2015 verbal angegriffen hatten.

Rechte von Flüchtlingen und Migranten

Etwa 1107 Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter, die 1999 aus dem Kosovo vertrieben worden waren, hatten ein Aufenthaltsrecht in Montenegro erhalten. 595 Personen liefen nach wie vor Gefahr, staatenlos zu werden, weil über ihre Anträge noch nicht entschieden worden war. 700 weitere Personen hatten keinen Antrag gestellt und waren offenbar mehrheitlich aus Montenegro ausgereist. Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge wurden 144 Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter dabei unterstützt, in den Kosovo zurückzukehren. Im Dezember 2015 konnten 48 Familien der Roma und Balkan-Ägypter, die seit 1999 im Lager Konik gelebt hatten, endlich in neue Wohnungen umziehen.

Mehr als 4000 Montenegriner beantragten in der EU Asyl, davon 3233 in Deutschland.

Montenegro war weiterhin ein Durchgangsland für Migranten und Asylsuchende, die überwiegend aus Syrien stammten. Von den 1570 Personen, die in Montenegro Asylanträge stellten, hatten die Behörden bis Ende November 14 als Flüchtlinge anerkannt und zwei weiteren subsidiären Schutz gewährt.

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