Amnesty Report Guatemala 04. Mai 2015

Guatemala 2015

 

Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die während des internen bewaffneten Konflikts (1960–96) verübt worden waren, blieben weiterhin straflos. Gewalt gegen Frauen und Mädchen gab nach wie vor Anlass zu Besorgnis. Personen, die gegen Wasserkraft- und Bergbauprojekte protestierten, wurden Opfer rechtswidriger Zwangsräumungen und exzessiver Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte. Guatemala behielt die gesetzliche Möglichkeit zur Verhängung der Todesstrafe für gewöhnliche Verbrechen bei. Allerdings befanden sich weder Gefangene im Todestrakt, noch wurden im Jahr 2014 Todesurteile erlassen.

Hintergrund

Straßenbanden und Drogenkartelle trugen zur prekären Lage der inneren Sicherheit bei. Laut Angaben der Behörden wurden im Jahr 2014 über 5000 Morde verübt.

Im Juni wurde der ehemalige Leiter der Nationalen Polizei (Policía Nacional Civil), Erwin Sperisen, in der Schweiz wegen seiner Mitverantwortung für die außergerichtliche Hinrichtung von sieben unbewaffneten Gefangenen während eines 2006 im Gefängnis El Pavón durchgeführten Polizeieinsatzes für schuldig befunden.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Nach Angaben örtlicher Menschenrechtsorganisationen wurden im Jahr 2014 mehr als 500 Frauen ermordet.

Im Mai 2014 verurteilte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte Guatemala im Fall von María Isabel Franco, die im Jahr 2001 im Alter von 15 Jahren sexuell missbraucht, gefoltert und ermordet worden war. Der Gerichtshof kam zu dem Schluss, dass Guatemala aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit María Isabels in diskriminierender Art und Weise gehandelt habe und die Behörden trotz der weitverbreiteten Gewalt gegen Frauen nicht unverzüglich tätig geworden seien, nachdem María Isabels Mutter die Polizei über das Verschwinden ihrer Tochter informiert hatte.

Straflosigkeit

Die mangelnde Achtung des Rechts auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung für die Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des internen bewaffneten Konflikts (1960–1996) gab weiterhin Anlass zu Besorgnis. Im Mai 2013 war der ehemalige Präsident Efraín Ríos Montt wegen seiner Verantwortung für Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die während seiner Präsidentschaft an Angehörigen der indigenen Gemeinschaft der Maya-Ixil verübt wurden, schuldig gesprochen worden. Zehn Tage später hob das Verfassungsgericht das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers auf. Bis Ende 2014 war noch kein neues Verfahren eingeleitet worden.

Im Februar 2014 beendete das Verfassungsgericht vorzeitig die Amtszeit der Generalstaatsanwältin. Es gab Vermutungen, dass sie ihres Amtes enthoben wurde, weil sie sich dafür eingesetzt hatte, den ehemaligen Präsidenten Efraín Ríos Montt vor Gericht zu stellen, und sie sich außerdem dafür engagierte, Ermittlungen in den Fällen der während des internen bewaffneten Konflikts begangenen Menschenrechtsverletzungen durchzuführen.

Im Mai 2014 nahm der Kongress eine nicht bindende Entschließung an, in der es heißt, es habe während des internen bewaffneten Konflikts kein Völkermord stattgefunden. Die Entschließung stand in direktem Widerspruch zu einer UN-Untersuchung aus dem Jahr 1999, die zu dem Schluss gelangt war, dass während des internen bewaffneten Konflikts Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen und dabei 200000 Menschen getötet sowie weitere 45000 Menschen Opfer des Verschwindenlassens geworden waren. Über 80% der Getöteten und "Verschwundenen" gehörten zur indigenen Ethnie der Maya.

Im Juli 2014 wurde Fermín Solano Barrillas, ein ehemaliger Angehöriger der bewaffneten Opposition während des internen bewaffneten Konflikts, wegen seiner Führungsverantwortung für ein im Jahr 1988 verübtes Massaker in El Aguacate im Departamento Chimaltenango zu 90 Jahren Gefängnis verurteilt. Dem Massaker waren 22 Menschen zum Opfer gefallen.

Landkonflikte

Aus Furcht vor möglichen negativen Auswirkungen auf ihre Lebensgrundlagen wendeten sich betroffene Gemeinschaften weiterhin gegen existierende und geplante Wasserkraft- und Bergbauprojekte und protestierten, weil sie bezüglich dieser Vorhaben nicht konsultiert wurden.

Als Antwort auf diesen Widerstand schlug die Regierung im Mai 2013 ein Moratorium für die Ausstellung neuer Bergbaulizenzen vor. Es existierten jedoch weiterhin Befürchtungen, dass die beabsichtigte Gesetzgebung für die Gewährung von Bergbaulizenzen hinter den internationalen Standards zurückbleiben und die Forderungen der indigenen und ländlichen Gemeinschaften nach Anhörung und freiwilliger vorheriger Zustimmung nach Inkenntnissetzung unberücksichtigt lassen könnte.

Im Mai 2014 vertrieb die Polizei unter Anwendung von Gewalt lokale Aktivisten, die ein Bergbaugelände in San José del Golfo im Departamento Guatemala besetzt hielten. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte zeigte sich besorgt darüber, dass die Sicherheitskräfte bei der Zwangsräumung unverhältnismäßige Gewalt gegen die Besetzer angewendet hatten.

Im Juni 2014 protestierten lokale Gemeinschaften gegen den beabsichtigten Bau des Wasserkraftwerks Xalalá in den Departamentos Alta Verapaz und Quiché. Im August wurden drei Einwohner der Gemeinde Monte Olivo im Departamento Alta Verapaz getötet. Berichten zufolge wurden sie während der rechtswidrigen Zwangsräumung einer Dorfgemeinschaft, die Widerstand gegen den Bau eines Wasserkraftprojekts in dieser Region leistete, von Polizeibeamten erschossen. Bis zum Jahresende war niemand wegen ihrer Tötung zur Rechenschaft gezogen worden.

Menschenrechtsverteidiger

Im Jahr 2014 kam es weiterhin zu Angriffen, Bedrohungen und Einschüchterungen gegenüber Menschenrechtsverteidigern und Journalisten.

Gustavo Illescas, Journalist des Zentrums für Unabhängige Medien in Guatemala (CMI-G), wurde im August bedroht, nachdem er über Polizeigewalt während der rechtswidrigen Zwangsräumung in Monte Olivo (siehe oben) berichtet hatte. Ein Kollege, der von maskierten Männern festgenommen worden war, erhielt den Auftrag, Gustavo Illescas eine Drohbotschaft zu überbringen. Der Kollege wurde außerdem geschlagen und sexuell misshandelt. Bis zum Jahresende war niemand wegen dieser Misshandlungen oder der gegen Gustavo Illescas gerichteten Drohungen zur Rechenschaft gezogen worden.

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