Amnesty Report Slowakei 16. April 2020

Slowakei 2019

Mehrere Kinder in einem Klassenzimmer

Roma-Kinder in einer Sonderschule in der slowakischen Stadt Krivany (Archivfoto)

Das Parlament lehnte es ab, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) zu ratifizieren. Die weit verbreitete Diskriminierung der Roma war nach wie vor besorgniserregend. Dies betraf unter anderem das Bildungswesen. Zudem gab es Vorwürfe gegen die Polizei wegen unnötiger und übermäßiger Gewaltanwendung gegen Roma. Nach wie vor gab es keine unabhängige Kontrollinstanz, die entsprechende Fälle untersuchte.

Hintergrund

Im März 2019 wurde erstmals eine Frau zum Staatsoberhaupt der Slowakei gewählt. Ihr Hauptanliegen im Wahlkampf war die Bekämpfung der Korruption.

Im Falle des Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten, die 2018 ermordet worden waren, wurde im März 2019 ein Geschäftsmann angeklagt, die Morde in Auftrag gegeben zu haben. Im April wurde Anklage gegen einen ehemaligen Soldaten erhoben, der sie ausgeführt haben soll. Der Journalist war mutmaßlichen Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nachgegangen, von denen einige den Geschäftsmann betrafen, dem der Auftragsmord zur Last gelegt wird. Einige Monate vor seinem Tod hatte Ján Kuciak gegen denselben Mann Strafanzeige gestellt und angegeben, dieser habe ihn direkt bedroht.

Diskriminierung – Roma

Im August 2019 sprach das Verfassungsgericht mehreren Roma eine Entschädigung für die Verzögerungen zu, die sie während ihrer 13-jährigen Bemühungen um Gerechtigkeit wegen erlittener Diskriminierung erfahren mussten. Die Gruppe, die von der Nichtregierungsorganisation Beratungsstelle für Bürger- und Menschenrechte vertreten wurde, hatte sich erstmals 2006 an die Gerichte gewandt, weil sie in einer Dorfkneipe in der Ostslowakei wegen ihrer ethnischen Herkunft nicht bedient worden waren.

Polizei und Sicherheitskräfte

Es gab erneut Vorwürfe, die Polizei habe übermäßige Gewalt gegen Roma angewandt, während es gleichzeitig an unabhängigen Untersuchungen entsprechender Vorfälle mangelte.

Im Juni 2019 bemängelte die Ombudsfrau der Slowakei, die Polizeiinspektion sei Vorwürfen nicht nachgegangen, wonach die Polizei bei einem Einsatz in der Roma-Siedlung Moldava nad Bodvou im Juni 2013 mit exzessiver Gewalt vorgegangen sei, wodurch mehr als 30 Personen, darunter auch Kinder, verletzt wurden. In Ermangelung eines innerstaatlichen Rechtsbehelfs strengten acht der betroffenen Roma eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an, die Ende 2019 noch anhängig war. Die Ombudsfrau äußerte sich außerdem besorgt darüber, dass die Polizei gegen sechs der Opfer ermittelte, weil sie falsche Vorwürfe gegen die Polizei erhoben haben sollen.

Recht auf Bildung

Die Regierung überarbeitete im Januar 2019 die Aktionspläne zur nationalen Strategie für die Integration der Roma bis zum Jahr 2020, die unter anderem vorsieht, die Segregation von Roma-Kindern in Schulen zu beenden. Trotz dieser Zusage bot die rassistische Diskriminierung von Roma-Kindern im Bildungswesen nach wie vor Anlass zur Besorgnis. Ein vom Finanzministerium in Auftrag gegebener Bericht stellte systemische Mängel und anhaltende Diskriminierung fest, was den Zugang von Roma zu Bildung (sowie zu Beschäftigung und Gesundheitsversorgung) betraf. Er kritisierte außerdem, dass Roma-Kinder in Regelschulen oft in getrennten Klassen unterrichtet wurden und dass in Sonderschulen für Kinder mit geistiger Behinderung Roma-Kinder, bzw. Kinder aus sozial schwachen Familien mehr als die Hälfte der Schüler_innen ausmachten.

Ähnliche Bedenken wurden im Laufe des Jahres auch von anderen Stellen geäußert, unter anderem von der Europäischen Kommission, die im Oktober 2019 das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Slowakei wegen Verstoßes gegen die EU-Rechtsvorschriften zur Gleichstellung weiter vorantrieb. Sie gab der Regierung zwei Monate Zeit, um Maßnahmen gegen die systematische Diskriminierung und Segregation von Roma-Kindern im Bildungswesen zu ergreifen; andernfalls könnte die Kommission beschließen, den Gerichtshof der Europäischen Union einzuschalten. Im November forderte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte die Regierung auf, unverzüglich Schritte zu unternehmen, um Roma-Kinder, die in Sonderschulen und -klassen unterrichtet werden, in Regelschulen zu integrieren.

Zwangssterilisierungen

Im Juni 2019 äußerte sich die Beratungsstelle für Bürger- und Menschenrechte besorgt darüber, dass die Regierung weiterhin keine Verantwortung für die Zwangssterilisierung von Roma-Frauen übernahm und nicht dafür sorgte, dass die heute noch lebenden Opfer Zugang zu einem Rechtsbehelf erhielten. Der Vorschlag der Ombudsfrau aus dem Jahr 2018, ein Sondergesetz zu verabschieden, um eine angemessene Entschädigung der Opfer dieser Menschenrechtsverletzung zu ermöglichen, war Ende 2019 noch nicht in die Tat umgesetzt worden. Im November forderte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte die Slowakei auf, für eine vollständige, unabhängige und transparente Untersuchung von Fällen der Zwangssterilisierung von Roma-Frauen zu sorgen und allen Opfern Zugang zu einem Rechtsbehelf zu gewähren.

Frauenrechte

Im März 2019 lehnte es das Parlament ab, das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) zu ratifizieren. Nichtregierungsorganisationen, die sich für Opfer häuslicher Gewalt engagieren, äußerten sich besorgt über das anhaltende Versagen der Behörden, angemessen gegen häusliche Gewalt vorzugehen und ausreichend Mittel zur Unterstützung der Betroffenen bereitzustellen.

Es gab erneut Versuche im Parlament, die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs einzuschränken und den Eingriff unter Strafe zu stellen. Im September und Oktober 2019 lehnte das Parlament vier entsprechende Gesetzentwürfe ab, darunter einen Vorschlag der rechtsextremen "Volkspartei Unsere Slowakei", der die zulässige Frist, bis zu der ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden darf, von zwölf auf acht Wochen verkürzen wollte. Inmitten von Protesten von Frauen- und Menschenrechtsorganisationen lehnten die Abgeordneten im Dezember einen weiteren Gesetzentwurf ab, der vorsah, Frauen vor dem Eingriff dazu zu verpflichten, eine Ultraschalluntersuchung vornehmen zu lassen und sich das Ultraschallbild anzuschauen.

Der Menschenrechtskommissar des Europarats forderte das Parlament auf, das Gesetz abzulehnen, weil es die Menschenrechte gefährden würde.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Im August 2019 sprach sich der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes gegen die Trennung einer asylsuchenden afghanischen Familie aus und verhinderte, dass die Behörden die Mutter und die vier Kinder im Rahmen der Dublin-III-Verordnung an die Niederlande überstellten. Die Nichtregierungsorganisation Liga für Menschenrechte hatte sich in diesem Fall engagiert.

Folter und andere Misshandlungen

Ein Jahr, nachdem die slowakischen Behörden Aslan Jandijew an die Russische Föderation ausgeliefert hatten, wurde er dort im Juni 2019 zu 19 Jahren Haft verurteilt. Zwei der drei Belastungszeugen zogen ihre Aussagen mit der Begründung zurück, sie seien unter Folter erpresst worden. Amnesty International und andere Organisationen hatten versucht, die Auslieferung zu verhindern, weil es Anzeichen dafür gab, dass Aslan Jandijew Folter und andere Misshandlungen drohten, sollte er entgegen der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Slowakei zurückgeführt werden.

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