Aktuell Syrien 14. September 2018

Idlib: Millionen Menschen brauchen Schutz

Die Internationale Gemeinschaft muss dringend handeln
Ein verstaubter Kinderwagen steht vor einer dunkelgrauen Betonwand, auf dem Boden Schutt

Idlib, im Nordwesten Syriens nahe der Grenze zur Türkei, ist die letzte nennenswerte Bastion der bewaffneten Oppositionsgruppen in Syrien.

Im März 2017 einigten sich der Iran, die Türkei und Russland bei den Gesprächen von Astana darauf, Idlib als Deeskalationszone zu etablieren und militärische Überwachungsposten einzurichten, um sicherzustellen, dass die syrische Regierung und die bewaffneten Oppositionsgruppen sich an den vereinbarten Waffenstillstand halten.

Seit Januar 2018 haben syrische Regierungstruppen mehrfach rechtswidrige Luft- und Bodenangriffe durchgeführt, so zum Beispiel einen Chemiewaffenangriff auf die Stadt Sarakeb am 5. Februar 2018, bei dem mindestens sechs Personen getötet und elf schwer verletzt wurden. Darüber hinaus sind Hunderte Zivilpersonen in der Region infolge von Autobomben und Kämpfen zwischen bewaffneten Oppositionsgruppen getötet worden. Bei Bombardements mit Fassbomben und Streumunition durch die syrische Regierung starben zwischen dem 7. und 10. September im Süden von Idlib 14 Zivilpersonen.

Idlib in Zahlen

Zeichnung einer Menschengruppe hinter einer Lupe

2,5 Millionen Zivilpersonen in Idlib

 

Zeichnung eines Zelts

700.000 Binnenvertriebene

Zeichnung eines Zelts

Mehr als 13 Lager für Binnenvertriebene

Egal, welche Worte ich finde, um zu beschreiben, wie grauenhaft die Lage ist, es wird immer eine Untertreibung bleiben.

Vertriebener Mann in Idlib

Seit 2011 sind 700.000 Menschen nach Idlib geflohen, um der Gewalt in anderen syrischen Landesteilen zu entkommen oder weil sie im Rahmen von Evakuierungsvereinbarungen zwischen der syrischen Regierung und den bewaffneten Oppositionsgruppen vertrieben wurden, u. a. aus Homs, Aleppo, Ost-Ghuta und Darʿā. In der Folge ist die Bevölkerung von Idlib auf 2,5 Millionen Menschen angewachsen. Viele Binnenvertriebene leben in Lagern und sind abhängig von Hilfslieferungen aus der Türkei. Nachdem die Provinz von der bewaffneten Oppositionsgruppe Haiʾat Tahrir al-Scham eingenommen wurde, schloss die Türkei im Juli 2017 ihre Grenze zu Idlib, was zur vorübergehenden Aussetzung der humanitären Hilfe führte, wodurch sich die Lage weiter zuspitzte.

Eine schwarzgekleidete Frau mit einem Kinderkorb, dahinter Menschen mit Gepäck und Busse

Im Juli 2018 einigten sich der Iran, die Türkei und Russland darauf, eine großangelegte Militäroffensive auf Idlib zu vermeiden. In den vergangenen Wochen deuteten Stellungnahmen und Vorbereitungen seitens der syrischen und russischen Regierung jedoch darauf hin, dass eine Militäroffensive kurz bevorstehen könnte. Auch wenn Russland und die Türkei kürzlich die Einigung auf eine demilitarisierte Zone ankündigten ist die Gefahr für die Zivilbevölkerung in Idlib noch nicht gebannt. Angesichts der Bilanz vergangener Deeskalationsabkommen und der Belagerungs- und Aushungerungstaktik, die die syrische Regierung in all ihren großen Militäreinsätzen zur Rückeroberung von Gebieten eingesetzt hat, ist das Leben von Millionen Zivilpersonen in Idlib immer noch in Gefahr.

Wer ist in In Idlib aktiv?

Kreis mit dem Buchstaben i

Türkische, russische und iranische Militärposten, die das Deeskalationsabkommen überwachen.

Minimalistische Zeichnung einer Explosion

Haiʾat Tahrir al-Scham: besteht aus Dschabhat Fath al-Scham (der früheren al-Nusra-Front) und sieben weiteren bewaffneten Gruppen, die seit 2014 Teile von Idlib kontrollieren.

Minimalistische Zeichnung einer Explosion

Jabhat al-Wataniya lil-Tahrir (Nationale Befreiungsfront): besteht aus mehr als zehn von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppen wie Failaq al-Sham, Ahrar al-Sham, Suqour al-Sham und Harakat Nour al-Din al-Zenki.

 

Humanitäre Lage

Seit April benötigen mehr als zwei Millionen Menschen in Idlib humanitäre Hilfe, da sie keinen oder nur unzureichenden Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser und Gesundheitsversorgung haben. Insbesondere der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist aufgrund der anhaltenden Luft- und Bodenangriffe auf Krankenhäuser und wegen begrenzter medizinischer Ressourcen äußerst eingeschränkt.

Ein Kind ohne Beine mit Dosen als Prothesen sitzt auf einem Bett

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@PutinRF_Eng @HassanRouhani @RT_Erdogan Civilians in #Idlib have suffered enough. Make sure they are protected from unlawful attacks. We’re keeping our #EyesOnIdlib

Binnenvertriebene leben in verschiedenen Lagern in der Gegend. 2017 schloss die Türkei ihre Grenze, was die Menschen in Idlib und anderswo davon abhielt, in die Türkei zu fliehen. In der Folge wurden im Norden von Idlib nahe der türkischen Grenze mehrere Lager eingerichtet. In diesen Lagern befinden sich derzeit die meisten Binnenvertriebenen in ganz Syrien.

In jüngster Zeit kommt es immer häufiger vor, dass Ärzte für Lösegeldforderungen entführt werden, so zum Beispiel aus Krankenhäusern in Chan Schaichun.

Arzt aus Idlib

Viele Lager haben nur eingeschränkten Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser und können im Winter nicht ausreichend beheizt werden. Zahlreiche Schulen mussten aus Geldmangel schließen, was bedeutet, dass die Kinder dort keine Schulbildung erhalten. In manchen Lagern führte Haiʾat Tahrir al-Scham Razzien und Festnahmen durch; andere wurden bombardiert.

Blick auf eine Zeltstadt aus großer Höhe

Es ist nicht sicher hier. [Bewaffnete Gruppen] überfallen unsere Häuser und entführen Leute, die sie beschuldigen, mit dem Regime oder dem IS zusammenzuarbeiten oder Mitglieder der Freien Syrischen Armee zu sein.

Ein Mann, der erst aus Damaskus, dann aus Darʿā und schließlich aus Quneitra nach Idlib geflohen ist

Menschenrechtsverletzungen in Idlib

Minimalistische Zeichnung einer Explosion

Kämpfe zwischen bewaffneten Gruppen, unter denen die Zivilbevölkerung leidet

Zeichnung dreier Ausrufezeichen

Syrische und russische Luftangriffe auf zivile Stadtbezirke und Krankenhäuser – auch mit Streumunition

Zeichnung einer Figur mit Arztkoffer

Fehlender Zugang zu medizinischer Versorgung und Nahrung

Ein Mann trägt ein rotes T-shirt und einen blauen Turban um den Kopf gewickelt.

Entführung von Zivilpersonen durch bewaffnete Gruppen

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