Amnesty Report 17. August 2012

Verwaltungsstreitsache einer kenianischen Staatsangehörigen

Asyl-Gutachten AFR 32-12.008 zur Anfrage des Vewaltungsgerichts Berlin

Frage 1:

  1. Besteht für eine junge alleinstehende Frau mit dem Bildungsniveau der Klägerin ohne familiären Rückhalt die Möglichkeit, sich nach ihrer Rückkehr nach Kenia dort eine Existenz aufzubauen, insbesondere wenn sie monatliche Kosten für Medikamente und Arztbesuche (hier wegen Asthma bronchiale) tragen muss?

Antwort:
Nach Angaben des United Nations Development Programs (UNDP) für das Jahr 2011 leben in Kenia 47,8 % der Menschen unterhalb der nationalen Armutsgrenze. 19,7 % der Bevölkerung leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze von weniger als 1,25 USD am Tag. Rund die Hälfte der vier Millionen Einwohner Nairobis lebt in den über 200 informellen Siedlungen, die lediglich 5% des städtischen Wohnraums umfassen.

Die Klägerin gibt an, bereits in Kibera gelebt zu haben. Es ist davon auszugehen, dass sie abermals in einer der informellen Siedlungen unterkommen wird: Ihre berufliche Qualifikation legt eine Arbeit in urbanen Gegenden nahe. Allerdings wird das Gehalt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen, um eine Ansiedlung im formellen Stadtgebiet zu finanzieren (nähere Ausführungen zum Gehalt s. Frage 3).

Die Lebensbedingungen in Nairobi werden sich in den nächsten Jahren noch verschärfen, da Nairobi durchschnittlich um 4,2% wächst. Aufgrund der damit verbundenen Verknappung des Wohnungsmarktes, wird die Mehrzahl der Menschen versuchen, in informellen Siedlungen unterzukommen. Der Arbeitsmarkt Nairobis wird sich dem Zuzug entsprechend weiter verengen.

Die Lebensbedingungen in den informellen Siedlungen sind besonders prekär. Da die betreffenden Gebiete nicht als Stadtgebiet akzeptiert werden, wird für sie keine Infrastruktur bereitgestellt. Dies betrifft u.a. die Müllentsorgung, Versorgung mit sauberem Wasser sowie auch sanitäre Einrichtungen.

Insbesondere alleinstehende Frauen sind vielen Risiken ausgesetzt. Lediglich 24% der Bevölkerung in den informellen Siedlungen haben Zugang zu Toiletten, zu denen meist sehr lange Wege zurückgelegt werden müssen. Dadurch werden Frauen, insbesondere nach Einbruch der Dunkelheit, häufig Opfer von Vergewaltigungen oder anderen Übergriffen. Die Menschen behelfen sich mit sogenannten "fliegenden Toiletten", Plastiktüten, die nach dem Gebrauch aus dem Fenster geschmissen werden.

Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) hat in seinem Abschlussbericht 2011 "das Fortbestehen nachteiliger kultureller Normen, Praktiken und Traditionen sowie patriarchaler Einstellungen und tief verwurzelter Stereotypen im Hinblick auf die Rollen, die Verantwortungsbereiche und Identitäten von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen" bestätigt.

Der Ausschuss stellte darüber hinaus fest, dass solche Stereotypen die Diskriminierung der Frauen fortschrieben und dazu beitrügen, dass Gewalt gegen Frauen und Praktiken wie Genitalverstümmelung, Polygamie, Brautpreise und die Vererbung von Ehefrauen bestehen blieben.

Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin sich eine Existenz unter Berücksichtigung der genannten Bedingungen aufbauen kann. Dies beinhaltet indes nicht unweigerlich die Versorgung der Klägerin mit den benötigten Medikamenten (ausführliche Erläuterungen zur Versorgung mit Medikamenten s. Frage 4).

Das komplette Gutachten unter "Weitere Dokumente" zum Download.

Schlagworte

Kenia Positionspapiere

Weitere Artikel