Aktuell Griechenland 14. März 2016

Das EU-Türkei-Abkommen ist rechtswidrig

Das EU-Türkei-Abkommen ist rechtswidrig

Syrische Flüchtlinge, die im März 2016 auf der griechischen Insel Lesbos auf ihre Registrierung warten

16. März 2016 - Die EU kann ihren Plan, Flüchtlinge in die Türkei abzuschieben, nur dann verfolgen, wenn sie die Türkei als "sicheren Drittstaat" deklariert. Dieser Plan ist menschenrechtswidrig, weil er gegen das Recht auf individuellen Flüchtlingsschutz verstößt.

Die Europäische Union steht kurz davor, sich in der Flüchtlingsfrage auf ein mehr als fragwürdiges Tauschgeschäft mit der Türkei einzulassen: Für jeden syrischen Flüchtling, der aus Griechenland wieder in die Türkei zurückgeführt wird, soll ein anderer syrischer Flüchtling aus der Türkei in der EU aufgenommen werden. "Will ein syrischer Flüchtling sicher nach Europa, muss er laut dem EU-Türkei-Deal darauf hoffen, dass ein anderer Syrer erst sein Leben auf dem Meer riskiert, aufgegriffen und wieder abgeschoben wird. Dieser Tauschhandel zwischen der EU und der Türkei ist menschenverachtend und rechtswidrig", sagt Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland.

Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass die griechischen Behörden die Asylverfahren aller Flüchtlinge durchführen sollen, die Europa über die griechischen Inseln erreichen. "Die Europäische Union ist verpflichtet, jedem Flüchtling ein individuelles Asylverfahren in Griechenland zu bieten. Seit Jahren ist bekannt, dass es in Griechenland kein funktionierendes Asylverfahren gibt. Das Land steht vor einer dreifachen Herausforderung: Es muss jetzt sehr schnell sein Asylsystem so verbessern, dass es die Qualitätsstandards der EU tatsächlich erfüllt. Hinzu kommt die humanitäre Versorgung Zehntausender Flüchtlinge - und das alles mitten in einer Wirtschaftskrise. Die übrigen 27-EU-Staaten dürfen ihre Verantwortung jetzt nicht auf Griechenland abwälzen, sondern müssen ihren Partnerstaat unterstützen."

"Die Türkei kann gar kein sicherer Drittstaat sein, denn sie ist nicht für alle Flüchtlinge sicher. Daher dürfen keinesfalls schutzbedürftige Menschen aus Europa in die Türkei abgeschoben werden", so Çalışkan. "Amnesty International hat dokumentiert, dass die Türkei syrische und irakische Flüchtlinge in deren von Krieg und Gewalt zerrütteten Heimatländer abgeschoben hat. Hinzu kommt, dass die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten katastrophal ist, weil 90 Prozent sich außerhalb der Flüchtlingscamps ohne Schutz und Unterstützung durchschlagen müssen. Ihre Kinder haben oft keinen Zugang zu Schulbildung und es gibt bisher selten eine Arbeitserlaubnis, um sich somit eine Lebensperspektive aufzubauen", so Çalışkan weiter.

"Mit diesen Vorschlägen geben Europas Politiker nur vor, Flüchtlinge schützen zu wollen. Tatsächlich würde sich die Situation von Flüchtenden durch die Vereinbarung verschlechtern, und Europa würde sich erneut seiner globalen Verantwortung zur Aufnahme von Flüchtlingen entziehen", sagt Çalışkan.

Amnesty fordert daher: "Die 28 EU-Regierungen müssen den beabsichtigten Tauschhandel ablehnen, wenn sie wirklich daran interessiert sind, Flüchtlingen zu helfen und zu verhindern, dass noch mehr Menschen in der Ägäis ertrinken", so Çalışkan. Allein in diesem Jahr sind bisher 448 Menschen bei dem Versuch gestorben, über die Ägäis nach Griechenland zu kommen. "Das wichtigste Ziel dieses EU-Gipfels muss sein, dass die Europäische Union endlich umfassende sichere Zugangswege für Flüchtlinge schafft und eine gesamteuropäische Lösung findet, bei der die Schutzbedürftigkeit der Menschen im Mittelpunkt steht und nicht die Abschottung."

Setzen Sie sich für die Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze ein und unterstützen Sie unsere Urgent Action

Weitere Informationen zum EU-Türkei-Gipfel finden Sie hier

Mehr zum Thema Flüchtlinge & Asyl finden Sie auf www.amnesty.de/fluechtlinge

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