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Lehrer droht Haftstrafe
© iStockphoto.com/helenecanada
Der tunesische Mathematiklehrer Abdelfattah Said befindet sich seit dem 15. Juli im Zusammenhang mit auf Facebook veröffentlichten Beiträgen in Untersuchungshaft. Er hat große gesundheitliche Probleme. Ein Termin für sein Verfahren steht noch nicht fest.
Appell an
JUSTIZMINISTER
Mohamed Salah Ben Aissa
31, Boulevard Bab Benat
1006 Tunis, TUNESIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 216) 71 561 804
E-Mail: mju@ministeres.tn
PRÄSIDENT
Béji Caïd Essebsi
Presidential Palace
Carthage, Tunis, TUNESIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 216) 71 744 721
E-Mail: contact@carthage.tn
Sende eine Kopie an
PARLAMENTSSPRECHER
President Mohamed Naceur
Assembly of the Representatives of the People
Bardo 2000,Tunis
TUNESIEN
Fax: (00 216) 71 514 608
E-Mail: anc@anc.tn
BOTSCHAFT DER TUNESISCHEN REPUBLIK
Frau Hayet Talbi ép. Bilel
Geschäftsträgerin a.i., Botschaftsrätin
Lindenallee 16
14050 Berlin
Fax: 030-3082 06 83
E-Mail: at.berlin@tunesien.tn
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 30. November 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.
Amnesty fordert:
FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
-
Bitte lassen Sie alle in diesem Fall gegen Abdelfattah Said erhobenen Anklagen fallen.
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Lassen Sie Abdelfattah Said bitte sofort frei.
- Bitte überprüfen und reformieren Sie die tunesischen Gesetze, die zur willkürlichen Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung genutzt werden. Dies betrifft auch gesetzliche Richtlinien, wie sie in Paragraf 125 und 128 des tunesischen Strafgesetzbuchs zu finden sind, mit denen Kritik an den Behörden unter Strafe gestellt wird.
PLEASE WRITE IMMEDIATELY
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Urging the Tunisian authorities to drop all charges in this case against Abdelfattah Said.
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Calling on them to release Abdelfattah Said immediately.
- Calling on them to review and reform Tunisian laws that are used to arbitrarily restrict freedom of expression, such as laws which penalise criticism of the authorities – found in articles 125 and 128 of the Penal Code.
Sachlage
Abdelfattah Said erschien am 15. Juli auf der Polizeistation in Al-Gorjani, einem Stadtteil der tunesischen Hauptstadt Tunis, nachdem die Anti-Terror-Polizei ihn für eine Befragung zu einem von ihm auf Facebook veröffentlichten Video vorgeladen hatte. Obwohl man dem Mathematiklehrer gesagt hatte, dass er noch am selben Abend wieder nach Hause gehen dürfe, wurde er dortbehalten und am 22. Juli in das Mornaguia-Gefängnis in Tunis gebracht. Dort wartet er noch immer auf den Beginn seines Verfahrens.
Die Festnahme von Abdelfattah Said steht im Zusammenhang mit einem Video, das er am 7. Juli auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hatte, und mit einer bereits zuvor auf seiner Seite eingestellten Karikatur des tunesischen Ministerpräsidenten. In dem Video gibt er an, dass der Anschlag in Sousse, bei dem im Juni 38 Tourist_innen getötet wurden, von den Sicherheitskräften inszeniert worden sei, um die Regierungsopposition niederschlagen und Moscheen schließen lassen zu können. Abdelfattah Said ist gemäß des Anti-Terror-Gesetzes von 2003 wegen "Beteiligung an oder Förderung von Terrorismus" angeklagt. Bei einem Schuldspruch drohen ihm bis zu zwölf Jahre Haft und eine Geldstrafe von bis zu 12.000 Dinar (etwa 5.400 Euro). Er wurde zudem gemäß der Paragrafen 128 und 306 des tunesischen Strafgesetzbuchs wegen "Diffamierung eines Staatsbediensteten" und "vorsätzlicher Verbreitung falscher Nachrichten" angeklagt. Im Zusammenhang mit diesen beiden Straftaten drohen ihm bis zu zwei bzw. bis zu fünf Jahre Haft.
Angehörige der Tunesischen Liga für Menschenrechte, welche Teil des Tunesischen Quartetts für den nationalen Dialog ist, das 2015 den Friedensnobelpreis erhalten hat, besuchten Abdelfattah Said am 7. Oktober im Gefängnis von al-Mornaguia. Seinen Rechtsbeiständen zufolge hatte er bereits vor seiner Inhaftierung Rückenprobleme. Sein Gesundheitszustand soll sich in Gewahrsam stark verschlechtert haben.
Hintergrundinformation
Abdelfattah Said ist Lehrer für Mathematik sowie ein Programmierer und Dichter. Er hat bereits mehrere Auszeichnungen verliehen bekommen, darunter auch den vom tunesischen Bildungsministerium vergebenen Preis für innovative Lehrerinnen und Lehrer 2009 und den Sheikh-Khalifa-Preis für die Bildung von Kindern in den Vereinigten Arabischen Emiraten 2012.
Die auf der Facebook-Seite von Abdelfattah Said veröffentlichte Karikatur zeigt den tunesischen Ministerpräsidenten Habib Essid mit sandiger Kleidung und einer Schaufel in der Hand. Die Bildunterschrift lautet: "Sag' mir nicht, sie waren nicht bereit für den Anschlag in Sousse…"
Gegen Abdelfattah Said ist Anklage gemäß Paragraf 18 des tunesischen Anti-Terror-Gesetzes von 2003 erhoben worden. Darin heißt es: "Jede Person, die Mitgliedern einer Organisation oder Einzelpersonen in Verbindung mit terroristischen Straftaten einen Versammlungsort bietet, hilft, sie unterzubringen oder zu verstecken, ihre Flucht unterstützt oder sie bei sich aufnimmt, ihre Straffreiheit sicherstellt oder von dem Ergebnis ihrer Straftaten profitiert, wird zu einer Haftstrafe von zwischen fünf und zwölf Jahren verurteilt und mit einer Geldstrafe von zwischen 5.000 und 12.000 Dinar belegt." Gegen Abdelfattah Said ist zudem gemäß Paragraf 128 des tunesischen Strafgesetzbuchs Anklage erlassen worden wegen "Verantwortlichmachens eines Staatsbediensteten für illegale Handlungen in Verbindung mit dessen Arbeit durch Nutzung der Medien oder über andere Wege, ohne Beweise vorlegen zu können" und gemäß Paragraf 306 des Strafgesetzbuchs wegen "Verbreitung falscher Nachrichten mit dem Ziel andere Personen von dem Vorhandensein einer Straftat zu überzeugen". Sollte er in allen Punkten schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu 19 Jahre Haft.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in Artikel 31 der neuen tunesischen Verfassung sowie in Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), zu dessen Vertragsstaaten Tunesien gehört, festgeschrieben. Das Recht auf freie Meinungsäußerung beinhaltet auch das Recht, öffentlich Kritik an Staatsbediensteten und staatlichen Einrichtungen zu üben. Laut dem UN-Menschenrechtsausschuss, der die Einhaltung des IPbpR überwacht, sollten öffentliche Funktionsträger_innen sowie öffentliche Einrichtungen bereit sein, ein höheres Maß an Kritik hinzunehmen als "Normalbürger_innen". Bestimmungen oder Gesetze, die Staatsbediensteten besonderen Schutz vor Kritik zusprechen, sind mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nicht vereinbar. Gewisse Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung können zulässig sein, wenn sie zum Schutz des öffentlichen Interesses oder zum Schutz der Rechte anderer nachweislich erforderlich und verhältnismäßig sind. Inhaftierungen stellen in diesem Zusammenhang jedoch eine unverhältnismäßige Einschränkung dar. Amnesty International hat die Behörden in Tunesien wiederholt dafür kritisiert, dass sie Anklagen wegen "Diffamierung" gegen Regierungskritiker_innen, Journalist_innen, Blogger_innen und Künstler_innen einsetzen, und eine Überprüfung und Überarbeitung der Rechtsvorschriften gefordert, mit denen die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird. Dies umfasst auch die entsprechenden Vorschriften des tunesischen Strafgesetzbuchs.