Unfairer Prozess im Iran

Am 1. August hat vor dem Teheraner Revolutionsgericht ein Sammelverfahren gegen 100 Personen begonnen, die beschuldigt werden, die Proteste gegen das umstrittene offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 12. Juni organisiert zu haben. Die Gerichtsverfahren vor diesem Gericht sind unfair und wenn die Angeklagten verurteilt werden, drohen ihnen harte Strafen. Amnesty International geht davon aus, dass viele von ihnen gewaltlose politische Gefangene sind, und Berichten zufolge könnten einige von ihnen in der Untersuchungshaft gefoltert worden sein.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid Keshvar Doust Street, Tehran, IRAN (korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: über die Websites:
http://www.leader.ir/langs/en/index.php?p=letter (Englisch)
http://www.leader.ir/langs/fa/index.php?p=letter (Persisch)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Mahmoud Hashemi Shahroudi
Howzeh Riyasat-e Qoveh Qazaiyeh
Pasteur St., Vali Asr Ave., south of Serah-e Jomhouri
Tehran 1316814737, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
E-Mail: shahroudi@dadgostary-tehran.ir (Betreff: FAO Shahroudi)

Sende eine Kopie an

INNENMINISTER
Sadegh Mahsouli
Ministry of the Interior,
Dr Fatemi Avenue, Tehran,
IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 98) 21 8 896 203
(00 98) 21 8 899 547
(00 98) 21 6 650 203

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 24. September 2009 keine Appelle mehr zu verschicken.

PLEASE WRITE APPEALS IMMEDIATELY IN ENGLISH OR YOUR OWN LANGUAGE:

  • Calling on the authorities to ensure that all those detained or on trial for peacefully protesting the disputed official result of the presidential election are freed immediately and unconditionally as prisoners of conscience;

  • urging the authorities to ensure all others receive fair trials in accordance with recognized international fair trial standards and without recourse to the death penalty;

  • calling for an immediate, independent investigation into allegations of rape, torture and other ill-treatment of detainees, and for the perpetrators to be brought to justice;

  • calling for all those detained to be given immediate access to their families, lawyers and medical treatment.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE LUFTPOSTBRIEFE, FAXE UND E-MAILS, IN DENEN SIE

  • die Behörden auffordern, sicherzustellen, dass alle, die allein aufgrund ihres friedlichen Protests gegen das umstrittene offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahl inhaftiert sind oder vor Gericht stehen, unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden, da sie gewaltlose politische Gefangene sind;

  • bei den Behörden darauf dringen, dass alle anderen in Übereinstimmung mit internationalen Standards und unter Ausschluss der Todesstrafe ein faires Gerichtsverfahren erhalten;

  • fordern, dass umgehend eine unabhängige Untersuchung der Vergewaltigungs-, Folter und Misshandlungsvorwürfe von Gefangenen eingeleitet wird und die TäterInnen vor Gericht gestellt werden;

  • den umgehenden Zugang der Gefangenen zu ihren Familienangehörigen, AnwältInnen und medizinischer Versorgung fordern.

Sachlage

Unter den Angeklagten befinden sich JournalistInnen, WissenschaftlerInnen und ehemalige hohe Beamte der Regierung Mohammad Khatami. Amnesty International verfügt derzeit nicht über eine Liste aller Angeklagten, weiß aber, dass sich der ehemalige Vizepräsident Mohammad Ali Abtahi unter ihnen befindet ebenso wie Mohsen Aminzadeh, der ehemalige stellvertretende Außenminister, darüber hinaus die ehemaligen ParlamentarierInnen Mohsen Mirdamadi und Bhezad Nabavi und der frühere Regierungssprecher der Regierung Khatami, Abdollah Ramazanzadeh. Weitere Angeklagte sind der iranisch-US-amerikanische Staatsangehörige und ehemalige gewaltlose politische Gefangene Kian Tajbakhash, der iranisch-kanadische Journalist Maziar Bahari, sowie Hossein Rassam, ein iranischer Angestellter der britischen Botschaft in Teheran und der Journalist und ehemalige Innenminister Mohammad Atrianfar.
Teile des Gerichtsverfahrens werden im staatlich kontrollierten iranischen Fernsehen gezeigt, doch ausländische und unabhängige Medien sind im Gerichtssaal nicht zugelassen ebenso wenig wie die AnwältInnen der Angeklagten. Wenigstens vier der Angeklagten, durchweg bekannte ReformerInnen, wurden während ihres "Geständnisses" und ihrer Entschuldigung vor Gericht gezeigt, die möglicherweise unter Zwang zustande gekommen sind, nachdem sie für längere Zeit in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten wurden. Viele derjenigen, die im Zusammenhang mit den Protesten inhaftiert wurden, hat man offenbar gefoltert oder in anderer Weise misshandelt, und einige Frauen und Männer sollen in Haft vergewaltigt worden sein.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Seit der Bekanntgabe des Wahlsiegs von Präsident Ahmadinejad am 13. Juni, den hunderttausende IranerInnen anzweifeln, haben die iranischen Behörden die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit drakonisch eingeschränkt. Sicherheitskräfte, unter ihnen auch die paramilitärische Basij-Miliz, kamen verstärkt in den Straßen zum Einsatz, und Kommunikationsmöglichkeiten wurden erheblich eingeschränkt. Außerdem ist es den iranischen Medien seit Bekanntgabe des Wahlergebnisses untersagt, Informationen über die im ganzen Land schwelenden Unruhen zu veröffentlichen. Ausländische JournalistInnen wurden von den Straßen verbannt, ihre Visa nicht verlängert, und einige wurden festgenommen oder des Landes verwiesen.

Laut Amnesty International vorliegenden Stellungnahmen von BehördenvertreterInnen sind seit dem 12. Juni 2009 während und nach Demonstrationen im ganzen Land mindestens 4000 Personen von der Polizei oder den Basij-Milizen festgenommen worden. Dazu zählen auch bekannte politische Persönlichkeiten, die entweder Mir Hossein Mousavi, Mehdi Karroubi oder dem ehemaligen Präsidenten Khatami, der Mir Hossein Mousavi im Wahlkampf unterstützte, nahe stehen. Auch MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen sind festgenommen worden.

Amnesty International kritisiert die iranischen Revolutionsgerichte regelmäßig, da in ihren Verfahren die internationalen Standards für einen fairen Prozess nicht eingehalten werden. So lässt man routinemäßig "Geständnisse" zu, die unter Folter oder Zwang erpresst wurden. Sollten Mohammad Abtahi und die übrigen Angeklagten verurteilt werden, drohen ihnen Gefängnisstrafen oder sogar Todesurteile wegen "moharebeh" (Feindschaft mit Gott).

Vertreter der iranischen Behörden bestätigten Vorwürfe, denen zufolge Gefangene, die man bei den Protesten gegen das Wahlergebnis inhaftiert hat, gefoltert und misshandelt wurden. Nach Angaben des Brigadegenerals Ismail Ahmadi Moghaddam ist es in mindestens einer Hafteinrichtung zu Menschenrechtsverletzungen gekommen. Der Generalstaatsanwalt des Iran, Ghorban Ali Dorri Najafabadi, äußerst sich dahingehend, dass eingesperrte Protestierende gefoltert worden seien. Der Leiter dieser Einrichtung und drei Gefängniswärter sollen Berichten zufolge entlassen worden sein. Am 29. Juli ordnete der Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei die Schließung der Hafteinrichtung Kahrizak in der Nähe Teherans an, nachdem er bestätigt hatte, dass es dort zu Menschenrechtsverletzungen an Gefangenen gekommen sei. Laut Angaben der Behörden sind daraufhin der Gefängnisleiter und drei Wachen inhaftiert worden.

Ein Anwalt, der Mohammad Ali Abtahi und andere Angeklagte vertritt, bemängelte am 1. August das Vorgehen der Justiz: "Ich habe seit der Festnahme meiner Mandanten zu keiner Zeit Zugang zu den Akten des Falls gehabt. Ich habe erst heute um 11 Uhr von dem Prozess erfahren. Und ich habe keine Erlaubnis erhalten, im Gerichtssaal anwesend zu sein." Er stellte zudem die Rechtsgültigkeit des Verfahrens in Frage: "Laut Artikel 135 der iranischen Verfassung sind Gerichtverfahren ohne einen anwesenden Anwalt rechtswidrig."