Sexarbeiter_innen von Polizei missbraucht und vertrieben

Zeigen Sie Brasiliens Regierung die gelbe Karte!

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Isabel, Sexarbeiterin aus Niterói, ist angegriffen und bedroht worden. Zuvor hatte sie öffentlich die Vergewaltigung und Erpressung von Sexarbeiter_innen durch die Polizei während illegaler Razzien und Zwangsräumungen am 23. Mai angeprangert.

Appell an

STAATSSEKRETÄR FÜR SICHERHEIT
José Mariano Beltrame
Praça Cristiano Ottoni, s/nº
Prédio da Central do Brasil
CEP 20221-250, Rio de Janeiro, RJ, BRASILIEN
(Anrede: Dear Secretary / Sehr geehrter Herr Staatssekretär)
Fax: (00 55) 21 2334-9329
E-Mail: secretariodeseguranca@seguranca.rj.gov.br

PRÄSIDENT DES OBERSTEN RATES DER STAATSANWALTSCHAFT
Marfan Martins Vieira
Av. Mal. Câmara, 370 – Sede das Procuradorias, sala 404
CEP 20020-080 Centro
Rio de Janeiro-RJ, BRASILIEN
(Anrede: Mr. President of the Superior Council / Sehr geehrter Herr Präsident des Obersten Rates)
Fax: (00 55) 21 2215 9553
E-Mail: orgaoscolegiados@mprj.mp.br

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT DER MENSCHENRECHTSKOMMISSION VON RIO DE JANEIRO (ALERJ)
Dep. Marcelo Freixo
ALERJ – Palácio Tiradentes
Rua 1º de Março, s/n
CEP 20010-090 Rio de Janeiro, RJ, BRASILIEN
Fax: (00 55) 21 2588-1268
E-Mail: marcelofreixo@alerj.rj.gov.br

BOTSCHAFT DER FÖDERATIVEN REPUBLIK BRASILIEN
I. E. Frau Maria Luiza Ribeiro Viotti
Wallstraße 57
10179 Berlin
Fax: 030–7262 83-20 oder -21
E-Mail: brasemb.berlim@itamaraty.gov.br

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Portugiesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. August 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, FAXE ODER E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Gewährleisten Sie bitte die Sicherheit von Isabel und sorgen Sie bitte dafür, dass die Entführung und die Drohungen gegen ihre Familie untersucht werden.

  • Leiten Sie bitte umgehend eine gründliche, unabhängige und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe über Polizeigewalt gegen Sexarbeiter_innen und der rechtswidrigen Zwangsräumung in Niterói während des Polizeieinsatzes am 23. Mai ein.

  • Bitte heben Sie die illegale Schließung der Wohnungen, in denen die Sexarbeiter_innen lebten und arbeiteten, auf, sodass sie in diese zurückkehren können.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the authorities to protect Isabel and to investigate her kidnapping and threats against her family.

  • Demanding that they ensure a prompt, thorough, independent and impartial investigation of the allegations of police violence against sex workers, and the unlawful evictions in Niterói during the 23 May operation.

  • Calling on them to cancel the illegal closure of the apartments where sex workers lived and worked, enabling them to return to their homes.

Sachlage

Isabel ist eine Sexarbeiterin aus Niterói, einer Stadt im Bundesstaat Rio de Janeiro. Am 4. Juni nahm sie an einer öffentlichen Anhörung teil, auf der sie etliche am 23. Mai verübten Gewalttaten von Polizeibeamt_innen gegen sie und ihre Kolleg_innen anprangerte. Damals drangen Polizeibeamt_innen in ein Gebäude ein, in dem ungefähr 300 Sexarbeiter_innen lebten und ihre Kund_innen empfingen. Außer Erpressung werfen Isabel und andere Sexarbeiter_innen der Polizei vor, sie vergewaltigt und bestohlen zu haben. Des Weiteren gaben sie an, dass die Polizei ihnen belastendes Material untergeschoben hat, um sie fälschlicherweise in Verbrechen zu verwickeln, bevor sie sie ohne Haftbefehl zu Verhörzwecken festgenommen haben und ihre Wohnungen geschlossen wurden, weil sie ein "Tatort" seien. Trotz "struktureller Fehler", die als Gründe für die Schließung des Gebäudes angegeben werden, wurden lediglich die Stockwerke und Wohnungen, in denen die Sexarbeiter_innen leben und arbeiten, durchsucht und geschlossen. In Brasilien sind der Verkauf und Kauf von sexuellen Dienstleistungen nicht strafbar. Ein Vertreter der Ombudsperson hat vorgebracht, dass die Maßnahmen der Polizei rechtswidrig waren. Trotz der Bemühungen, Beschwerde einzulegen, berichteten die Sexarbeiter_innen, dass die Spezialeinheit der Polizei zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen (Delegacia Especializada de Atendimento à Mulher) sich weigerte, ihre Beschwerden am Tag der Razzia aufzunehmen und dass es ihren Rechtsbeiständen nicht erlaubt war, ihren Verhören beizuwohnen.

Nachdem Isabel gegen die Polizeigewalt und gegen die rechtswidrigen Maßnahmen der Behörden ausgesagt hatte, wurde sie am 21. Juni von vier Männern entführt und dazu gezwungen, in ein Auto zu steigen. Über einen Zeitraum von 30 Minuten schnitten ihr die Männer mit einer Rasierklinge in den Arm, zeigten ihr Bilder ihres Sohnes wie er seine Schule betritt und befahlen ihr, weder die Polizei zu beschuldigen noch mit Journalist_innen zu sprechen. Seitdem ist Isabel nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Sie fühlt sich nicht imstande, die Entführung zu melden und fürchtet sich vor Vergeltungsangriffen gegen ihre Familie. Das Gebäude ist nach wie vor geschlossen. Ungefähr 300 Sexarbeiter_innen haben kein Zuhause mehr.

Die Gewalt, Erpressung, willkürliche Festnahme und rechtswidrigen Zwangsräumungen durch die brasilianischen Behörden verletzen die Menschenrechte der Sexarbeiter_innen auf körperliche Unversehrtheit, Sicherheit der Person, Gesundheit, Wohnung und Gleichbehandlung. Die Entführung, Gewalt und Einschüchterung von Isabel, weil sie die Regierung kritisiert hat, führt zu Verletzungen ihrer Menschenrechte auf Freiheit, Sicherheit der Person. körperliche Unversehrtheit, Gesundheit und Meinungsfreiheit.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Stadt Niterói verfolgt eine Politik der städtischen Erneuerung des Stadtzentrums. Das von der Polizei am 23. Mai durchsuchte Wohngebäude, in dem rund 300 Sexarbeiter_innen lebten und arbeiteten, befindet sich dort. Sie mieten die Wohnungen, sodass sie legal ihrer Arbeit nachgehen können, ohne dass sie Hilfe von Dritten annehmen müssen, was gemäß des brasilianischen Strafgesetzbuchs unter Strafe steht. Die Sexarbeiter_innen erklären, dass die gegen sie ergriffenen Maßnahmen Teil der von der Regierung durchgeführten Kampagne zur "Säuberung" des Stadtzentrums von Niterói sind und damit im Zusammenhang stehen mit den Bemühungen, den Immobilienwert des Gebäudes zu erhöhen.

Durch die rechtswidrige Zwangsräumung der Wohnungen der Sexarbeiter_innen sind sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Viele von ihnen verloren ihre Ersparnisse, ihre Möbel und anderes Eigentum. Einige wurden in die Obdachlosigkeit getrieben, leben auf der Straße und müssen vielleicht ihre Dienste in unsichereren Gegenden anbieten.

Am 4. Juni wurden Isabel und andere Sexarbeiter_innen von der Menschenrechtskommission des Bundesstaates Rio de Janeiro (ALERJ) auf einer öffentlichen Anhörung unterstützt, auf der sie die unrechtmäßige Gewalt, die Belästigungen und rechtswidrigen Zwangsräumungen sowie die andauernde Polizeipräsenz in dem Wohngebäude anprangerten. Ein Anwalt der Ombudsperson, der den Fall verfolgt, hat nach Prüfung der Berichte, Dokumente und andere Beweise der Sexarbeiter_innen ebenfalls erklärt, dass der Polizeieinsatz in jeder Hinsicht illegal war. Es gibt ebenfalls Anhaltspunkte dafür, dass die Razzia und die Schließung der Wohnungen auf illegale Weise durchgeführt wurden. Behauptungen hinsichtlich struktureller Fehler hätten zum Beispiel offiziell durch die Gesundheitsbehörde erfolgen müssen, jedoch gibt es keine Hinweise darauf, dass jemals ein Vertreter dieser Behörde das Gebäude besucht hat. Des Weiteren wurde das Gebäude auf Befehl der Zivilpolizei geschlossen, einer Behörde, die nicht befugt ist, solche Anordnungen zu machen. Die brasilianische Rechtsanwaltskammer hat die Razzia vor dem örtlichen Gericht in Frage gestellt, aber die für den Fall zuständige Richterin erwiderte, dass sie sich nicht in die Angelegenheiten einer anderen Regierungsbehörde einmischen könne.

Seit der Anhörung am 4. Juni wurden die gegen das Leben von Isabel und die Sicherheit ihrer Familie gerichteten Drohungen massiver. Am 21. Juni wurde Isabel entführt, bedroht und verletzt, um sie mit ihrer Kritik an den Maßnahmen der Regierung zum Schweigen zu bringen. Isabel und andere Unterstützer_innen wurden zudem von Unbekannten auf den Straßen verfolgt und gelegentlich von ihnen fotografiert.

Die Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes wird derzeit sowohl von der brasilianischen Rechtsanwaltskammer als auch von der Menschenrechtskommission des Bundesstaates Rio de Janeiro angezweifelt. Isabel und die anderen Sexarbeiter_innen werden von der Ombudsperson des Bundesstaates Rio de Janeiro vertreten und von mehreren NGOs und bundesstaatlichen und kommunalen Kongressabgeordneten unterstützt.