Erhöhte Foltergefahr

Ramzi Romdhani, der eine Haftstrafe von 29 Jahren verbüßt, darf aufgrund einer Bestrafung seit dem 18. November 2010 keine Familienbesuche mehr empfangen. Berichten zufolge wurde er wiederholt gefoltert und auf andere Weise misshandelt. Er soll nun besonders von Misshandlungen bedroht sein.

Appell an

MINISTER FÜR JUSTIZ UND MENSCHENRECHTE
Lazhar Bououni
Ministry of Justice and Human Rights
31 Boulevard Bab Benat
1006 Tunis - La Kasbah, TUNESIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 216) 71 568 106

INNENMINISTER
Rafik Belhaj Kacem
Ministry of Interior and Local Development
Avenue Habib Bourguiba
1000 Tunis, TUNESIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 216) 71 340 888

Sende eine Kopie an

LEITER DER TUNESISCHEN STRAFVOLLZUGSBEHÖRDE
Directeur général des prisons et de la rééducation
Rue 8003 – Appartement L
Espace de Tunis
Monplaisir, Tunis
TUNESIEN

BOTSCHAFT DER TUNESISCHEN REPUBLIK
I.E. Frau Alifa Chaabane Ep Farouk Badra
Lindenallee 16
14050 Berlin
Fax: 030-3082 0683

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 18. Februar 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bin sehr besorgt darüber, dass Ramzi Romdhani entgegen dem tunesischen Recht seit dem 18. November 2010 keine Besuche von seiner Familie mehr empfangen darf.

  • Nennen Sie mir bitte die Gründe dafür und gewähren Sie ihm umgehend wieder regelmäßige Besuche seiner Familie.

  • Ich appelliere an Sie, sicherzustellen, dass der Gefangene vor weiteren Folterungen und Misshandlungen geschützt wird und keiner erniedrigenden und menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt ist.

  • Führen Sie bitte eine umfassende, unabhängige und unparteiische Untersuchung der von Ramzi Romdhani erhobenen Folter- und Misshandlungsvorwürfe durch und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.

  • Gewähren Sie Ramzi Romdhani Zugang zur notwendigen medizinischen Versorgung.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Expressing concern that Ramzi Romdhani has been denied family visits since 18 November 2010, in violation of Tunisian law.

  • Asking the reasons for this, and urging that he be permitted to receive regular family visits without delay.

  • Calling on the Tunisian authorities to treat him humanely, and not torture or otherwise ill-treat him.

  • Calling for an urgent thorough, independent and impartial investigation into allegations that Ramzi Romdhani has been tortured, and for any officials found responsible to be brought to justice.

  • Demanding that they ensure Ramzi Romdhani has access to the medical care he needs.

Sachlage

Als die Familie von Ramzi Romdhani ihn das letzte Mal im November im Mornaguia-Gefängnis sehen konnte, berichtete er seinen Angehörigen, dass er gefoltert und brutal auf sein Ohr geschlagen worden war, sodass eine medizinische Behandlung im Krankenhaus notwendig war. Als seine Angehörigen ihn in der folgenden Woche, am 25. November, erneut besuchen wollten, teilte man ihnen mit, dass Ramzi Romdhani in das Messaidine-Gefängnis in Sousse verlegt worden war. Die Stadt liegt etwa 150 Kilometer von Tunis entfernt, wo seine Familie lebt. Ein Angehöriger von Ramzi Romdhani fuhr am nächsten Tag nach Sousse, um ihn zu besuchen. Man informierte ihn jedoch, dass Ramzi Romdhani als Disziplinarmaßnahme keinen Besuch von Angehörigen empfangen dürfe.

Die Gefängnisbehörden halten Ramzi Romdhanis Familie weiterhin davon ab, ihn zu sehen. Jedes Mal, wenn Angehörige ihn im Gefängnis besuchen möchten, sagt man ihnen, dass er immer noch bestraft wird. Seine Angehörigen versuchten ihn das letzte Mal am 5. Januar zu besuchen. Die Behörden des Messaidine-Gefängnis weigern sich außerdem, die Nahrungsmittel und Kleidung, welche die Familie von Ramzi Romdhani für ihn mitbringt, an ihn weiterzugeben. Das andauernde Besuchsverbot ist ein Verstoß gegen das tunesische Gesetz über die Gefängnisverwaltungen, laut dem ein solches Verbot nur für maximal zwei Wochen verhängt werden darf (Gesetz Nr. 2001-52, Artikel 22).

Die Angehörigen von Ramzi Romdhani haben Briefe an die tunesischen Behörden geschrieben, unter anderem an den Justizminister, den Staatsanwalt von Sousse und den Gefängnisdirektor. Sie baten diese Personen um eine Besuchserlaubnis, erhielten aber keine Antwort.

Ramzi Romdhani wurde im April 2007 festgenommen und leistet nun eine 29-jährige Freiheitsstrafe ab, die auf der Grundlage des Anti-Terrorismus-Gesetzes in neun unterschiedlichen Verfahren gegen ihn verhängt worden ist. Nach vorliegenden Meldungen soll er mindestens drei Mal gefoltert worden sein: im April, im August und im Dezember 2009. Bisher haben die tunesischen Behörden keine unabhängige Untersuchung eingeleitet, obwohl das Völkerrecht dies vorschreibt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 31. Dezember 2009 berichtete Ramzi Romdhani seinem Bruder, dass er am 24. und 25. Dezember nach seiner Verlegung aus dem am Stadtrand von Tunis gelegenen Mornaguia-Gefängnis in die Abteilung für Staatssicherheit (DSS) des Innenministeriums gefoltert worden sei. Er gab an, zwei Tage lang gefoltert und in Zusammenhang mit anderen Fällen vernommen worden zu sein. Man habe ihn geschlagen, ihm Verbrennungen an Fingern und Fingernägeln zugefügt und seinen Kopf rund 30 Minuten lang immer wieder in heißes Wasser gedrückt. Ramzi Romdhani trug durch Schläge schwere Verletzungen an den Augen davon. Sein Bruder stellte bei einem Besuch Spuren von Blutergüssen am Körper sowie Brandwunden an den Fingern von Ramzi Romdhani fest.

Im April 2009 war Ramzi Romdhani nach vorliegenden Meldungen schon einmal vom Wachpersonal des Mornaguia-Gefängnisses gefoltert und misshandelt worden. Damals hatte man ihn mit Stöcken geschlagen, ihm mit Militärstiefeln Fußtritte versetzt, ihm Verbrennungen mit Zigaretten zugefügt und seinen Kopf wiederholt unter Wasser gedrückt, sodass er befürchtete zu ertrinken und schließlich das Bewusstsein verlor. Im August 2009 wurde Ramzi Romdhani erneut vom Wachpersonal des Gefängnisses geschlagen und anschließend zur DSS gebracht, wo man ihn Berichten zufolge unter anderem mit Elektroschocks gefoltert und an den Gliedmaßen aufgehängt hat. Im Dezember 2009 sagte der Gefängnisarzt von Mornaguia Ramzi Romdhani, dass er eine Operation für notwendig erachte, um sein Augenlicht zu bewahren. Es ist nicht bekannt, ob die Operation veranlasst wurde. Berichten zufolge soll Ramzi Romdhani schwere Verletzungen an den Augen davongetragen haben, als er sich in Tunis zur Vernehmung im Gewahrsam von Angehörigen der Abteilung für Staatssicherheit (DSS) des Innenministeriums befand.

Sein Bruder Walid Romdhani war am 18. Januar 2010 von acht Angehörigen der Abteilung für Staatssicherheit festgenommen worden und man hatte ihn bis zum 20. Januar ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Dann wurde er ohne Anklageerhebung freigelassen. Seine Festnahme stand offenbar in Verbindung damit, die Folter und Misshandlungen seines inhaftierten Bruders an die Öffentlichkeit gebracht zu haben und Kontakt zu MenschenrechtsanwältInnen und regionalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen aufgenommen zu haben.

Amnesty International liegen zahlreiche Berichte über Folterungen und Misshandlungen durch die tunesischen Sicherheitskräfte vor. Entsprechende Vorwürfe werden so gut wie nie untersucht und kaum einer der mutmaßlichen Täter vor Gericht gestellt. In größter Foltergefahr befinden sich Gefangene, die ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten werden. Zu den am häufigsten berichteten Foltermethoden zählen Schläge vor allem auf die Fußsohlen, aber auch auf andere Körperteile, das Aufhängen an den Handgelenken oder in schmerzhaften Positionen sowie Elektroschocks und Verbrennungen mit Zigaretten. Weitere Meldungen sprechen von Scheinhinrichtungen, sexuellem Missbrauch wie etwa der Vergewaltigung mit Flaschen oder Stöcken und der Androhung, weiblichen Familienangehörigen sexuelle Gewalt anzutun.

Tunesien ist Vertragsstaat des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Die tunesischen Behörden sind verpflichtet, Folter zu verhindern und dafür Sorge zu tragen, "dass seine zuständigen Behörden umgehend eine unparteiische Untersuchung durchführen, sobald ein hinreichender Grund für die Annahme besteht, dass in einem seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Gebiet eine Folterhandlung begangen wurde".

Tunesische und internationale Menschenrechtsorganisationen sowie die UN haben das tunesische Antiterrorismusgesetz wiederholt wegen seiner vagen und unspezifischen Formulierungen kritisiert, weil es dadurch leicht zur Einschränkung abweichender Meinungsäußerungen missbraucht werden kann. Bedenken dieser Art hat beispielsweise der UN-Menschenrechtsausschuss im März 2008 in seiner Abschlussbeurteilung zu Tunesien deutlich zum Ausdruck gebracht. Der UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung von Terrorismus zeigte sich nach seinem Besuch im Januar 2010 ebenfalls hierüber besorgt.