Pressemitteilung Vereinigte Staaten von Amerika 05. Januar 2010

Guantánamo schließen - Gefangene aufnehmen

BERLIN, 05.01.2010 - Guantánamo wird binnen eines Jahres geschlossen. Das verkündete US-Präsident Barack Obama kurz nach seinem Amtsantritt im Januar 2009. Mitte November 2009 aber räumte er ein, dass er sein Versprechen nicht werde halten können. Derzeit sind 198 Personen im Gefangenenlager Guantánamo eingesperrt. 103 sind für die Überstellung in ihre Heimatländer oder in Drittländer vorgesehen. Etwa 40 soll vor Zivilgerichten oder Militärtribunalen der Prozess gemacht werden. Es ist zu befürchten, dass auch die Obama-Regierung die übrigen etwa 50 Gefangenen ohne Prozess in Gefangenschaft halten will. Seit Obamas Amtsantritt wurden 40 Guantánamo-Häftlinge ins Ausland gebracht. Die meisten kamen dort frei. Etwa 50 Gefangene könnten freikommen, wenn sich Drittländer bereit erklärten, sie aufzunehmen. Gegen diese Häftlinge liegen keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe vor. In ihre Heimatländer können sie dennoch nicht entlassen werden, weil ihnen dort Folter oder Verfolgung drohen.

Amnesty International hat die Staaten der Europäischen Union (EU) mehrfach aufgefordert, einige dieser Inhaftierten aus humanitären Gründen dauerhaft aufzunehmen und damit zu einem schnellen Ende der illegalen Haft beizutragen. Aus Sicht der Menschenrechtsorganisation stehen grundsätzlich die USA in der Verantwortung, die Gefangenen entweder in einem rechtsstaatlichen Verfahren anzuklagen oder sie freizulassen. Ehemalige Inhaftierte, die nicht in ihre Heimatländer entlassen werden können, müssen von den USA aufgenommen werden. Da das innenpolitisch bisher nicht durchsetzbar war, ist die US-Regierung für eine schnelle Lösung auf die Hilfe Europas angewiesen. Das Leiden von unschuldigen Opfern schwerer Menschenrechtsverletzungen darf nicht durch politisches Tauziehen verlängert werden.

Deutschland sollte unverzüglich dem Beispiel von Ländern wie Frankreich, Portugal, Ungarn oder Belgien folgen, die bereits Guantánamo-Häftlinge aufgenommen haben. Dabei hat die Bundesrepublik selbstverständlich das Recht, die Aufnahme zu prüfen. Jedoch dürfen vage und einseitige Informationen über die Gefangenen nicht missbraucht werden, um die Opfer jahrelanger illegaler Haft weiter zu stigmatisieren.

Schließung Guantánamos

Anfangs verzögerte sich die Arbeit von Obamas "Task force" zur Schließung Guantánamos, weil die Akten zu den Fällen unsystematisch bei verschiedenen Stellen lagerten. Inzwischen verhindert aber vor allem der starke innenpolitische Widerstand eine Schließung des Gefangenenlagers. Anfang Oktober 2009 verabschiedete der Kongress eine Resolution gegen jeglichen Transfer von Gefangenen in die USA. Als Kompromiss stimmten die Abgeordneten schließlich zu, dass Gefangene für Prozesse in die USA überstellt werden könnten. Es bleibt aber verboten, Guantánamo-Gefangene in die USA freizulassen. Am 26. Oktober 2009 unterzeichnete Präsident Obama das Haushaltsgesetz zum Heimatschutz-Etat, das die entsprechenden Bestimmungen enthält. Daraufhin kündigte Justizminister Eric Holder an, dass die Prozesse gegen fünf mutmaßlich an den Attentaten vom 11. September 2001 Beteiligte vor einem New Yorker Zivilgericht geführt werden sollen. Ihnen droht die Todesstrafe. Für weitere fünf Gefangene kündigte Holder Prozesse vor Militärkommissionen an. Amnesty International sieht auch bei den geänderten Verfahrensregeln dieser Kommissionen kein faires Verfahren gewährleistet. So kann der Verteidigungsminister unter anderem erpresste Aussagen und Aussagen vom Hörensagen als Beweismittel zulassen. Die US-Regierung plant, im US-Bundesstaat Illinois ein Hochsicherheitsgefängnis zu kaufen und für Häftlinge aus Guantánamo umzubauen.

Aufnahme in Drittstaaten

Am 04. Juni 2009 einigten sich die Justiz- und Innenminister der EU auf einen gemeinsamen Rahmen für die Aufnahme von entlassenen Guantánamo-Insassen im Schengenraum. Wesentliche Voraussetzung ist, dass die USA umfassende Informationen liefern. Die Aufnahmeentscheidung bleibt den einzelnen Staaten überlassen. In einer gemeinsamen Erklärung bekräftigten die EU-Staaten, den USA bei der Schließung Guantánamos helfen zu wollen. Frankreich, Portugal, Belgien und Ungarn haben bereits entlassene Guantánamo-Insassen aufgenommen. Weitere Länder haben die Aufnahme zugesagt, darunter Spanien, Irland, Litauen und die Schweiz. Zwei Häftlinge, die nach Italien entlassen worden waren, wurden dort wegen Terrorismusverdacht wieder verhaftet.

Anfragen an Deutschland

Am 29. April 2009 übergab der Sonderbotschafter der US-Regierung zur Schließung von Guantánamo Daniel Fried dem damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Kurzdossiers von neun uigurischen Guantánamo-Häftlingen. Das Innenministerium lehnte deren Aufnahme in Deutschland ab. Die Informationen über die Gefangenen seien zu dürftig. Am 11. Juni 2009 fragten die USA erneut an und baten um die Aufnahme eines Syrers und eines Tunesiers. Auch diese Anfrage lehnte das Innenministerium ab.

Schäuble stellte Sicherheitsbedenken in den Vordergrund und beharrte auf der Verantwortung der USA für die Häftlinge. Nach den konkreten Anfragen aus den USA stellte das Innenministerium drei Bedingungen zur Aufnahme entlassener Guantánamo-Häftlinge auf: 1. Die Gefangenen dürfen kein Sicherheitsrisiko darstellen. 2. Es muss plausibel gemacht werden, warum der jeweilige Gefangene nicht in den USA aufgenommen wird. 3. Ein Deutschlandbezug der Gefangenen muss bestehen. Das Bundeskanzleramt hat sich in der Frage bisher zurückgehalten. Allerdings erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in Washington am 26. Juni 2009, dass sich Deutschland bei der Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen seiner Verantwortung nicht entziehen werde.

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