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Alarmierende Haftbedingungen
Diese Urgent Action ist beendet!
Die Menschenrechtsverteidigerin Trần Thị Nga ist nach drei Jahren in Haft unerwartet freigelassen worden. Trần Thị Nga war 2017 wegen "Propaganda gegen den Staat" zu neun Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Bedingung für ihre Freilassung war, dass sie ins Exil geht. Sie ist daher nach der Haftentlassung mit ihrem Partner und ihren beiden Söhnen in die USA gezogen.
Festnahme, Ha Noi
© Private
Gegen die Menschenrechtsverteidigerin Trần Thị Nga sind in Haft Strafmaßnahmen verhängt worden. Ihr werden ohne Angabe von Gründen "Verstöße gegen die Gefängnisvorschriften" vorgeworfen. Ihr ist nicht gestattet, ihre Familienangehörigen zu sehen und sie darf nur einmal monatlich unter strengen Auflagen telefonieren. Es bestehen große Sorgen um ihre Sicherheit. Trần Thị Nga ist eine gewaltlose politische Gefangene, die seit mehr als 18 Monaten in Haft ist. Sie muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.
Appell an
Staatspräsident
Nguyễn Phú Trọng
2 Hùng Vương, Ba Đình
Hà Nội, VIETNAM
Sende eine Kopie an
Minister of Public Security
Tô Lâm 44 Yết Kiêu St.
Hoàn Kiếm District
Hà Nội, VIETNAM
Fax: (00 844) 3823 1872 (c/o Außenministerium)
E-Mail: ttll.mfa@mofa.gov.vn
Botschaft der Sozialistischen Republik Vietnam
S. E. Herrn Xuan Hung Doan
Elsenstraße 3
12435 Berlin
Fax: 030-5363 0200
E-Mail: sqvnberlin@t-online.de
Amnesty fordert:
- Bitte lassen Sie Trần Thị Nga umgehend und bedingungslos frei, da sie eine gewaltlose politische Gefangene ist, die lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung inhaftiert ist.
- Stellen Sie bitte sicher, dass Trần Thị Nga bis zu ihrer Freilassung weder gefoltert noch anderweitig misshandelt wird. Leiten Sie bitte zudem eine wirksame unparteiische und unabhängige Untersuchung aller Vorwürfe ein und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.
- Beenden Sie bitte die Verlegung von Gefangenen als Bestrafungsmaßnahme und stellen Sie sicher, dass Trần Thị Nga regelmäßigen Zugang zu ihrer Familie und einem Rechtsbeistand ihrer Wahl sowie zu angemessener medizinischer Versorgung erhält.
Sachlage
Die Gefängnisbehörden teilten der Familie von Trần Thị Nga kürzlich mit, dass sie aufgrund von Verstößen gegen die Gefängnisvorschriften bestraft werde. Der Vorwurf gegen sie wurde jedoch nicht weiter belegt. In der Folge wurden ihr seit dem 28. Juli jegliche Besuchsrechte entzogen und sie durfte in den letzten drei Monaten lediglich drei Mal mit ihrem Bruder telefonieren. Jedes dieser Telefonate wurde auf fünf Minuten begrenzt und sie durfte weder über ihre eigene Situation noch über ihre Haftbedingungen sprechen. Da den Familienangehörigen bisher nicht bestätigt wurde, dass sich Trần Thị Nga in guter gesundheitlicher Verfassung befindet, ist die Familie weiterhin sehr um ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen besorgt – umso mehr, da Trần Thị Nga vor einiger Zeit in Haft brutal zusammengeschlagen worden war und von anderen Gefangenen Morddrohungen erhalten hatte.
Trần Thị Nga, auch bekannt als "Thúy Nga", war im Januar 2017 festgenommen und wegen "Propaganda gegen den Staat" angeklagt worden. Die Festnahme erfolgte, nachdem sie sich an friedlichen Protesten gegen den Umgang mit einer vom Chemieunternehmen Formosa Plastics 2016 verursachten Umweltkatastrophe beteiligt hatte. Am 25. Juli 2017 erklärte das Gericht von Ha Nam, einer Provinz im Norden Vietnams, Trần Thị Nga für schuldig und verurteilte sie zu neun Jahren Haft mit anschließenden fünf Jahren Hausarrest. Im Februar 2018 wurde sie in das Gia-Trung-Gefängnis verlegt, das 1.300 Kilometer von ihrer Heimat entfernt liegt. Gewaltlose politische Gefangene in ein Gefängnis zu verlegen, das weit weg von ihrer Heimat liegt, ist eine gängige Vorgehensweise der vietnamesischen Behörden, um sie zusätzlich zu bestrafen. Trotz des großen Aufwands, die es bedeutet, zum Gefängnis zu gelangen, möchte ihr Mann nächsten Monat erneut versuchen, dort aktuelle Informationen über das Befinden seiner Frau zu erhalten.
Trần Thị Nga ist eine gewaltlose politische Gefangene, die nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung inhaftiert ist.
Hintergrundinformation
Trần Thị Nga begann ihre Menschenrechtsarbeit mit dem Engagement gegen Menschenhandel, nachdem sie selbst Opfer von Menschenhandel geworden war. Seitdem hat sie zu einer Vielzahl an Menschenrechtsthemen gearbeitet. Als Aktivistin war Trần Thị Nga immer wieder Drohungen und Angriffen ausgesetzt, darunter brutale Angriffe von in Zivil gekleideten Polizist_innen. Als sie im Mai 2014 von Polizist_innen in Zivil tätlich angegriffen wurde, trug sie einen gebrochenen Arm und ein gebrochenes Bein davon.
Trần Thị Nga erzählte ihrem Mann in dem fünfminütigen Telefonat am 17. August 2018, dass sie vor kurzem zusammengeschlagen worden sei und von anderen Gefangenen Morddrohungen erhalten habe. Bereits im vorangegangenen Telefonat im Juli hatte sie ihrer Familie erzählt, dass sie zusammen mit einer Gefangenen in derselben Zelle festgehalten werde, die dafür bekannt ist, den Gefängniswärter_innen dabei zu helfen, andere Gefangene einzuschüchtern und zu schlagen. Ihr Mann macht sich große Sorgen um ihre Sicherheit, nachdem ihre Verbindung abrupt unterbrochen wurde, als Trần Thị Nga von ihrer Situation im Gefängnis berichten wollte. Das letzte, was er hörte war: "Ich werde oft zusammengeschlagen und kürzlich drohten sie damit, mich umzubringen."
Auf eine Umweltkatastrophe im Jahr 2016 folgten landesweite massive Proteste. Das taiwanesische Chemieunternehmen Formosa Plastics gab später zu, Industrieabfälle in den Gewässern der zentralen Küstenregion Vietnams entsorgt zu haben und damit für die Katastrophe verantwortlich zu sein. In Folge der Katastrophe starben Hunderttausende Tonnen Fisch, Millionen Menschen verloren ihre Arbeit und im ganzen Land kam es zu einer breiten sozialen Bewegung. Landesweit machten Leute ihrem Ärger Luft und die Menschen in Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt gingen 2017 auf die Straße, um gegen die unzureichende Reaktion der vietnamesischen Regierung auf die Katastrophe zu protestieren. Während dieser Proteste wurden viele Menschen von der Polizei zusammengeschlagen und festgenommen., und auch in den darauffolgenden Monaten nahmen die Behörden viele Aktivist_innen fest. Insgesamt wurden etwa 40 Personen in Verbindung mit den Protesten festgenommen und mindestens ein Dutzend Aktivist_innen sind aus dem Land geflohen und haben in Thailand Asyl beantragt.
Als Vertragsstaat der UN-Antifolterkonvention und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte ist Vietnam dazu verpflichtet, Personen vor Folter und anderer Misshandlung zu schützen und solche Vorwürfe umgehend gründlich, unabhängig und unparteiisch zu untersuchen. Die Haftbedingungen in vietnamesischen Gefängnissen sind oftmals sehr schlecht. Die Nahrungs- und Gesundheitsversorgung sowie andere Bedingungen entsprechen häufig weder den Richtlinien der UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln) noch anderen internationalen Standards. Gewaltlose politische Gefangene werden in Vietnam häufig als zusätzliche Strafe über lange Zeiträume in Einzelhaft gehalten. Dieses Vorgehen stellt einen klaren Verstoß gegen die Nelson-Mandela-Regeln dar und wird von ehemaligen Gefangenen als "Gefängnis innerhalb des Gefängnisses" beschrieben. Weitere Informationen hierzu finden Sie in dem englischsprachigen Bericht Prisons within Prisons: Torture and ill-treatment of prisoners of conscience in Viet Nam (ASA41/4187/2016, https://www.amnesty.org/download/Documents/ASA4141872016ENGLISH.PDF).
Trần Thị Nga ist eine der 94 bekannten gewaltlosen politischen Gefangenen in Vietnam, die sich auf der im April 2018 von Amnesty International veröffentlichten Liste befinden. Vietnam gehört in Südostasien zu den Staaten, die die meisten friedlichen Aktivist_innen festnehmen. Für Gefangene, die aus politischen Gründen inhaftiert wurden, sind die Haftbedingungen besonders schlecht. Weitere Informationen dazu finden Sie in dem englischsprachigen Bericht "Prisoners of conscience in Viet Nam" (ASA 41/8162/2018, https://www.amnesty.org/en/documents/asa41/8162/2018/en/).
Folter und andere Misshandlungen, darunter längere Phasen der Einzelhaft, der Haft ohne Kontakt zur Außenwelt, Schläge und das absichtliche Vorenthalten von medizinischer Behandlung sind nach internationalen Menschenrechtsnormen unter allen Umständen verboten, gehört in Vietnam aber weiterhin zur gängigen Praxis.