Angeklagte in Foltergefahr

Appell an

Presidente Nicolás Maduro

Palacio de Miraflores

Av. Nte. 10, Caracas 1012

Distrito Capital

VENEZUELA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Bolivarischen Republik Venezuela

S. E. Herrn Ramon Orlando Maniglia Ferreira

Schillstraße 10

10785 Berlin


Fax: 030-832 224 020

E-Mail: embavenez.berlin@botschaft-venezuela.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Maury Carrero für die Dauer ihres Gerichtsverfahrens frei, das unter Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze durchgeführt werden muss.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass bis dahin die Unversehrtheit von Maury Carrero gewährleistet ist und sie unverzüglich angemessenen Zugang zu ihren Rechtsbeiständen und ihrer Familie erhält.

Sachlage

Maury Carrero wurde am 2. April willkürlich von Angehörigen der militärischen Spionageabwehr festgenommen und am 19. Mai unter den Antiterrorgesetzen angeklagt. Ihre Familienangehörigen und Rechtsbeistände haben seit ihrer Inhaftierung kaum Kontakt zu ihr aufnehmen dürfen. Haft ohne Kontakt zur Außenwelt über einen längeren Zeitraum kann Menschenrechtsnormen zufolge der Folter gleichkommen.

Am 2. April 2020 durchsuchten ungefähr 15 Angehörige der militärischen Spionageabwehr das Haus von Maury Carrero. Dabei nahmen sie Wertgegenstände und elektronische Geräte der Familie an sich. Im Durchsuchungsbefehl tauchte der Name von Maury Carrero nicht auf. Die Beamt_innen behaupteten gegenüber ihren Eltern, dass Maury Carrero nur vorübergehend mitgenommen und dann wieder nach Hause gebracht würde. Dies war jedoch nicht der Fall und Maury Carrero blieb in Haft. Nach ihrer Inhaftierung wurde ihr einen Monat lang nur etwa einmal pro Woche ein sehr kurzer Anruf gestattet, bei dem ständig Beamt_innen zugegen waren und sie weder frei noch sicher über ihre Haftbedingungen sprechen konnte. Seit ihrer Verlegung in das staatliche Frauengefängnis INOF am 14. Mai wird ihr der Zugang zu ihrer Familie und Rechtsbeiständen unter dem Vorwand der Notfallmaßnahmen verweigert, die wegen der Corona-Pandemie am 13. März verhängt wurden.

Am 19. Mai wurde Maury Carrero wegen des "Verbergens von Schusswaffen" und der "Verabredung zu Straftaten" angeklagt. Die Vorwürfe basieren auf dem venezolanischen Organgesetz (Ley Orgánica) gegen das organisierte Verbrechen und die Terrorismusfinanzierung. Die Anklage wird vor einem Gericht verhandelt, das für terrorismusbezogene Fälle zuständig ist. Ursprünglich wurden ihr "Terrorismus", "Verabredung zu Straftaten", "Verbergen von Schusswaffen und Sprengstoffen" sowie "Verbergen einer kleinen Menge Drogen" zur Last gelegt, sie wurde jedoch erst am 19. Mai offiziell angeklagt.

Amnesty International ist besorgt über die andauernden willkürlichen Inhaftierungen, die Folter, das Verschwindenlassen und andere Menschenrechtsverletzungen in Venezuela, insbesondere da die Regierung die Pandemie dazu nutzt, ihre Macht in noch größerem Umfang zu missbrauchen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Während die Welt mit der Corona-Pandemie ringt, nutzt die Regierung von Nicolás Maduro die Krise dazu, die eigene Macht weiter auszubauen und zu missbrauchen. Die Regierung nimmt immer mehr tatsächliche oder vermeintliche Mitglieder der Opposition und andere Kritiker_innen willkürlich fest. Darüber hinaus gibt es Belege für Folter, Verschwindenlassen und außergerichtliche Hinrichtungen durch die Regierung.

Die Festnahme von Maury Carrero ist ein weiteres Beispiel für die Repression durch die Regierung Maduros. Einschüchterung, Schikane, Folter, willkürliche Inhaftierungen und das Verschwindenlassen sind übliche Praxis der militärischen Spionageabwehr und der Regierung. Seit mehreren Jahren sehen sich Dutzende Mitglieder der Opposition anlässlich der Drohungen der Maduro-Regierung gezwungen, das Land zu verlassen und im Ausland Asyl zu suchen. Andere wurden willkürlich festgenommen, weil sie mit führenden Oppositionspolitiker_innen oder oppositionellen Aktivist_innen verwandt sind oder mit ihnen in Verbindung stehen. In Venezuela risikieren Menschen, die die Regierung kritisieren oder sich Protesten anschließen, eine Inhaftierung und einige fallen dem Verschwindenlassen zum Opfer oder werden von den Sicherheitskräften getötet. Im Kontext der derzeitigen Pandemie werden medizinisches Personal, Journalist_innen und andere Personen inhaftiert, wenn sie über neue Fälle von COVID-19 berichten oder auf die Knappheit an medizinischer Ausstattung und Gütern der Grundversorgung hinweisen.

In dem 2019 veröffentlichten Bericht Hunger for Justice: Crimes against Humanity in Venezuela kommt Amnesty International zu dem Schluss, dass die selektiven außergerichtlichen Hinrichtungen, willkürlichen Inhaftierungen und die exzessive Gewaltanwendung der Sicherheitskräfte unter der Regierung von Nicolás Maduro Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnten. Dieses Vorgehen der Regierung ist seit mindestens 2017 Teil einer systematischen und weitverbreiteten Repression.

Seit 2014 flüchten so viele Venezolaner_innen wie nie zuvor auf der Suche nach Sicherheit und einem menschenwürdigen Leben ins Ausland. Im März 2020 hatten bereits 5 Millionen Menschen das Land verlassen. In der Corona-Krise sind viele im Ausland lebende Venezolaner_innen angesichts kollabierender Volkswirtschaften und dem Mangel an Unterstützung für geflüchtete Menschen durch die direkten und indirekten Folgen der Pandemie gezwungen, nach Venezuela zurückzukehren. Ihnen drohen bei der Rückkehr Vergeltungsmaßnahmen durch die Regierung.