DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
USA: Drohende sechste Hinrichtung in Florida
Diese Urgent Action ist beendet.
Amnesty-Protestaktion im US-Bundesstaat Florida für die Abschaffung der Todesstrafe (Archivaufnahme)
© Amnesty International
Michael Zack soll am 3. Oktober im Bundesstaat Florida für einen 1996 begangenen Mord hingerichtet werden. Zum Tatzeitpunkt war er 27 Jahre alt. In der Verhandlung sagten vier medizinische Sachverständige für die Verteidigung aus, dass er ihrer Meinung nach an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einem fetalen Alkoholsyndrom und schweren Depressionen leidet. Michael Zacks Diagnose eines fetalen Alkoholsyndroms und seine Vorgeschichte mit "schweren kognitiven und adaptiven Beeinträchtigungen" haben eine*n Expertin*en zu dem Schluss kommen lassen, dass er "schon immer eine geistige Behinderung hat". Die US-Verfassung verbietet die Hinrichtung von Menschen mit geistiger Behinderung.
Appell an
Gouverneur von Florida
Office of Governor Ron DeSantis
State of Florida
The Capitoll
400 S. Monroe St.
Tallahassee, FL 32399-0001
USA
Sende eine Kopie an
Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika
I. E. Frau Amy Gutmann
Clayallee 170
14195 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: feedback@usembassy.de
Sachlage
Michael Zack soll am 3. Oktober um 18.00 Uhr Ortszeit im US-Bundesstaat Florida hingerichtet werden. Das Völkerrecht verbietet die Hinrichtung von Menschen mit psychosozialen oder geistigen Behinderungen. Vier medizinische Sachverständige sagten aus, dass Michael Zack an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), einem fetalen Alkoholsyndrom (FAS), chronischen Depressionen und möglichen Hirnschäden leidet. Seine PTBS und die Depressionen hatten ihren Ursprung in der schrecklichen Misshandlung durch seinen Stiefvater und der Ermordung seiner Mutter, als er erst elf Jahre alt war.
Es sollte berücksichtigt werden, was seine Rechtsbeistände als "einen neuen medizinischen Konsens bezeichnen, dass das fetale Alkoholsyndrom ... eine einzigartige [geistige Behinderung] ID-äquivalente Störung ist" . Ein*e FAS-Experte*in ist zu dem Schluss gekommen: "In Anbetracht von Herrn Zacks FAS-Diagnose und ... schweren kognitiven und adaptiven Beeinträchtigungen in allen Phasen seines Lebens habe ich keinen Zweifel daran, dass er schon immer mit einer geistigen Behinderung lebt".
Hintergrundinformation
Johnny Michael Zack wurde wegen sexueller Nötigung, Raubes und Mordes ersten Grades einer Frau in ihrem Haus in Pensacola, Florida, am 13. Juni 1996 angeklagt. Sein Prozess begann im September 1997.
Die "Qualifizierung" von Geschworenen in US-amerikanischen Kapitalverbrecherprozessen erfolgt bei der Geschworenenauswahl. Dabei können die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft potenzielle Geschworene aus einem bestimmten Grund oder ohne Angabe eines Grundes ausschließen. Im Jahr 2015 erklärte ein Richter des Obersten Gerichtshofs der USA, warum die Todesstrafe wahrscheinlich verfassungswidrig sei: "Niemand kann in einem Geschworenengericht sitzen, der nicht bereit ist, die Todesstrafe zu verhängen", und jahrzehntelange Forschung habe gezeigt, dass die Geschworenen dadurch "eine Neigung zu Schuldsprüchen und Todesurteilen haben". Im Fall Zack wurden zwei schwarze Frauen von der Staatsanwaltschaft ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Die Verteidigung focht diese Entscheidung an, die Staatsanwaltschaft soll vermeintlich "hautfarbenunabhängige" Gründe für die Ablehnung gegeben haben. Beide Frauen waren in einer Einrichtung in Pensacola beschäftigt, die, wie die Staatsanwaltschaft feststellte, "psychologische Unterstützung, Therapie und Beratung für ein breites Spektrum ... psychologischer Bedürfnisse innerhalb der Gemeinschaft anbietet". Eine der Frauen, so die Staatsanwaltschaft, hatte "einige Kenntnisse über das posttraumatische Belastungssyndrom. Da "für die Festlegung des Strafmaßes und vielleicht auch in der Schuldklärungsphase viel psychologisches Beweismaterial eingebracht wird, fühle ich mich mit [diesen Frauen als Geschworene] nicht wohl". Der*die Richter*in ließ die Ablehnung zu.
In den Anhörungen zu Schuld- bzw. Unschuld des Angeklagten legte die Verteidigung Sachverständigengutachten vor, wonach Michael Zack aufgrund seiner geistigen Behinderung impulsiv war, ständig unter emotionalem Stress stand und nicht in der Lage war, den für eine Verurteilung wegen Mordes ersten Grades erforderlichen Vorsatz zu entwickeln. Die Geschworenen sprachen ihn dennoch in allen Anklagepunkten schuldig. Als es um das Strafmaß ging, sagten vier Expert*innen aus, dass er an PTBS, chronischen Depressionen, FAS und möglichen Hirnschäden leide und das geistige und emotionale Alter eines 10- oder 11-jährigen Kindes habe. Ein*e Sachverständige*r der Staatsanwaltschaft stimmte mit einem*r Sachverständigen der Verteidigung darin überein, dass Michael Zack ein ähnliches Profil wie eine Person mit geistiger Behinderung aufweise.
Die Geschworenen erfuhren, dass die Mutter von Michael Zack während der Schwangerschaft regelmäßig große Mengen Alkohol konsumierte. Sein Stiefvater missbrauchte den Jungen. Wenn er im Alter von acht bis zwölf Jahren nachts ins Bett machte, schlug der Stiefvater ihn, benutzte eine Heizdecke, um ihm einen Stromschlag zu verabreichen, oder erhitzte einen Löffel und hielt ihn an die Zunge oder den Penis des Jungen. Außerdem "warf er ihn gegen die Wand und trat ihn mit Sporenstiefeln", versuchte ihn zu "ertränken", ihn "mit einem Auto zu überfahren" und ihn "zu vergiften". Als der Junge drei Jahre alt war, wurde er ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem er etwa 300 ml Wodka getrunken hatte. Er hatte außerdem eine Überdosis Medikamente genommen, die ihm sein Stiefvater gegeben hatte, und dieser drohte, "ihn zu erschießen und abzustechen". Der Stiefvater soll ihn auch sexuell missbraucht haben. Als er elf Jahre alt war, wurde seine Mutter mit einer Axt erschlagen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Junge bereits in einer psychiatrischen Klinik. Später in einer Pflegefamilie wurde er vermutlich erneut sexuell missbraucht. Die Geschworenen stimmten mit elf zu einer Stimme für die Todesstrafe, und am 14. November 1997 nahm der*die Richter*in die Empfehlung an.
Im Jahr 2016 erklärte der Oberste Gerichtshof in der Rechtssache Hurst gegen Florida Floridas Gesetz für verfassungswidrig, weil es den Geschworenen nur eine beratende Funktion bei der Verhängung von Todesurteilen einräumt, was nicht mit der Entscheidung Ring vs. Arizona aus dem Jahr 2002 vereinbar ist, wonach die Verfassung verlangt, dass Geschworene und nicht Richter*innen die für die Verurteilung eines Angeklagten zum Tode erforderliche Tatsachenfeststellung abgeben. Im Oktober 2016 entschied der Oberste Gerichtshof von Florida (FSC) in Umsetzung der Hurst-Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, dass Todesurteile nur einstimmig von Geschworenen gefällt werden können und dass "Florida sich ein klares Sonderrecht eingeräumt hat", weil es dies nicht verlange. Im Dezember 2016 entschied der FSC jedoch, dass Hurst rückwirkend nur für etwa die Hälfte der mehr als 300 Personen gilt, die sich zu diesem Zeitpunkt im Todestrakt befanden – jene Personen, deren Todesurteile zum Zeitpunkt des Ring-Urteils noch nicht "finalisiert" (d. h. in der ersten automatischen direkten Berufung bestätigt) worden waren. Ein*e abweichende*r Richter*in vertrat die Auffassung, dass Hurst zur Vermeidung von Willkür pauschal angewendet werden sollte. Ein*e weitere*r Richter*in beschuldigte die Mehrheit, "der verfassungsrechtliche Schutz hänge von "wenig mehr als einem Würfelwurf" ab. Michael Zacks Todesurteil wurde im Oktober 2000 rechtskräftig, und 2017 bestätigte der FSC, dass er nicht von Hurst profitieren könne. Rund 150 Personen haben unter Hurst Unterstützung erhalten.
Der UN-Menschenrechtsausschuss, das im Rahmen des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte eingerichtete Expertengremium zur Überwachung der Einhaltung dieses Vertrags, hat zum absoluten Verbot des willkürlichen Entzugs des Lebens erklärt, dass der Begriff der Willkür "so auszulegen ist, dass er Elemente der Unangemessenheit, der Ungerechtigkeit, der fehlenden Vorhersehbarkeit und des ordnungsgemäßen Verfahrens umfasst". Die Anwendung von Hurst durch den FSC wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Bis auf eine Ausnahme wurden alle von Michael Zack beim Bundesgericht eingereichten Klagen als verfahrensfehlerhaft eingestuft, weil sein damaliger Rechtsbeistand die einjährige Frist für die Einreichung von Bundesanträgen nicht kannte und versäumte. Der eine Einspruch, der rechtzeitig einging – die Einschätzung, dass er eine geistige Einschränkung hat – wurde aus Sachgründen abgelehnt. Eine Berufung, die Ende August 2023 beim Bundesgerichtshof eingereicht wurde, verweist auf "einen neuen wissenschaftlichen Konsens, dass Menschen mit [FAS] die funktionalen Kriterien für geistige Behinderung erfüllen" und argumentiert, dass Michael Zacks Hinrichtung daher verfassungswidrig wäre. In der Berufung wird auch argumentiert, dass seine Hinrichtung verfassungswidrig wäre, weil ein*e Geschworene*r dafür gestimmt hat, sein Leben zu verschonen.
Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und uneingeschränkt ab. Seit 1976, als der Oberste Gerichtshof der USA neue Todesstrafengesetze bestätigte, wurden in den USA 1.575 Todesurteile vollstreckt. Im Jahr 2023 wurden bislang 17 Hinrichtungen vollstreckt, fünf davon in Florida, wo seit 1976 insgesamt 104 Todesurteile vollstreckt wurden. Im April 2023 unterzeichnete Gouverneur Ron DeSantis erneut ein Gesetz, das es ermöglicht, dass Todesurteile auch verhängt werden können, wenn mindestens acht von zwölf Geschworenen dafür stimmen. Gouverneur DeSantis, ein eifriger Befürworter der Todesstrafe, sagte, das neue Gesetz werde es ermöglichen, dass "im Staat Florida der Gerechtigkeit Genüge getan wird".