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Tunesien: Menschenrechtlerin willkürlich inhaftiert
Die tunesische Menschenrechtsverteidigerin Sihem Bensedrine (Archivbild)
© IMAGO / Belga
Am 1. August 2024 ordnete ein Untersuchungsrichter in Tunis Untersuchungshaft für die bekannte Menschenrechtsverteidigerin Sihem Bensedrine an. Sie war bis 2018 Vorsitzende der tunesischen Kommission für Wahrheit und Würde (IVD). Gegen Sihem Bensedrine wird seit Februar 2023 ermittelt. Ihr werden "Betrug", "Fälschung" und "Missbrauch der Amtsgewalt" vorgeworfen, nachdem es eine Beschwerde über die angebliche Fälschung des Kapitels über Korruption im Bankensektor im Abschlussbericht der IVD gab. Die Untersuchungshaft von Sihem Bensedrine ist willkürlich, da sie ausschließlich auf der friedlichen Ausübung ihrer Menschenrechte beruht. Außerdem entspricht sie nicht den internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren. Bei der strafrechtlichen Verfolgung von Sihem Bensedrine scheint es sich um eine Vergeltungsmaßnahme dafür zu handeln, dass sie als Vorsitzende der IVD Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt hat. Sihem Bensedrine befindet sich derzeit in Untersuchungshaft im Frauengefängnis von Manouba.
Setzt euch für Sihem Bensedrine ein!
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Appell an
President
Kais Saied
Président
Route de la Goulette
Site archéologique de Carthage
TUNESIEN
Sende eine Kopie an
Nachrichten an Präsident Kais Saied per X an: @TnPresidency
Botschaft der Tunesischen Republik
S.E. Herrn Wacef Chiha
Lindenallee 16
14050 Berlin
Fax: 030-3082 0683
E-Mail: at.berlin@tunesien.tn
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie auf, Sihem Bensedrine unverzüglich freizulassen, alle Anklagen gegen sie fallen zu lassen und den Missbrauch des Strafrechtssystems zu ihrer Verfolgung zu beenden.
- Sorgen Sie bitte dafür, dass sie bis zu ihrer Freilassung regelmäßigen Zugang zu Familienangehörigen, Rechtsbeiständen und einer angemessenen medizinischen Versorgung erhält und unter Bedingungen festgehalten wird, die den internationalen Standards für die Behandlung von Gefangenen entsprechen.
Sachlage
Sihem Bensedrine wird wegen ihrer Arbeit als Vorsitzende der Kommission für Wahrheit und Würde (Instance Verité et Dignité, IVD), die unter früheren Regierungen begangene Straftaten dokumentiert und vor Gericht gebracht hat, angeklagt und muss unverzüglich freigelassen werden. Als Menschenrechtsverteidigerin und Journalistin prangert Sihem Bensedrine schon seit langem Menschenrechtsverletzungen in Tunesien an.
Gegen sie wird seit Februar 2023 ermittelt, nachdem ein ehemaliges Vorstandsmitglied der IVD Anzeige wegen Fälschung erstattet hatte, weil der Abschlussbericht der IVD nach seiner Vorlage bei der Vorsitzenden im Dezember 2018 überarbeitet worden war. Am 7. März 2023 erhob ein Untersuchungsrichter Anklage gegen Sihem Bensedrine wegen Fälschung, Betrugs und Missbrauchs der Amtsgewalt und erteilte ihr ein Reiseverbot. Am 1. August 2024 ordnete der Richter Untersuchungshaft für Sihem Bensedrine an, und sie wurde noch am gleichen Tag in Gewahrsam genommen.
Bei der strafrechtlichen Verfolgung von Sihem Bensedrine scheint es sich um eine Vergeltungsmaßnahme wegen ihrer Arbeit für die IVD zu handeln, und ihr Inhaftierung ist willkürlich. Sie darf nicht dafür bestraft werden, dass sie Anschuldigungen wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption, die von früheren Regierungen begangen wurden, offengelegt hat. Die tunesischen Behörden müssen die Menschenrechte von Sihem Bensedrine wahren und gewährleisten und sie und andere Mitglieder der IVD vor Repressalien schützen. Dazu gehört auch der Schutz vor zivil- oder strafrechtlicher Verfolgung wegen ihrer Arbeit oder wegen des Inhalts ihrer Berichte.
Hintergrundinformation
Sihem Bensedrine (74) ist eine für ihren unabhängigen Journalismus und ihre Menschenrechtsarbeit unter dem Regime von Ben Ali bekannte Menschenrechtsverteidigerin. Seit der Machtergreifung von Präsident Kais Saied im Juli 2021 übt sie offen Kritik an Maßnahmen, die die Rechtsstaatlichkeit und juristische Unabhängigkeit Tunesiens aushöhlen. Sihem Bensedrine war von 2014 bis 2018 Vorsitzende der IVD, einer Organisation, die dazu geschaffen wurde, Menschenrechtsverletzungen, die zwischen 1955 bis 2013 von Staatsbediensteten begangen wurden, zu dokumentieren und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Die IVD war befugt, schwere Fälle an Sonderstrafkammern der Übergangsjustiz zu verweisen.
Im Dezember 2018 schloss die IVD ihre Arbeit ab und verwies 205 Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Korruption zur Strafverfolgung an die 13 Sonderstrafgerichte in Tunesien. In einer Reihe von Fällen ging es um Korruptionsvorwürfe innerhalb des Bankensektors. Zu den Personen, die von der IVD verschiedener Korruptionsdelikte beschuldigt wurden, gehören ehemalige Minister*innen, hochrangige Geschäftsleute, ehemalige Gouverneur*innen der Zentralbank, hochrangige Mitarbeiter*innen der staatlichen Banken und Regierungsbeamt*innen.
Das Mandat der IVD, die im März 2014 mit einem vierjährigen (um ein Jahr verlängerbaren) Mandat eingerichtet wurde, wurde trotz Widerstands bis Ende 2018 verlängert. Am 28. Dezember 2018 informierte die Vorsitzende die IVD über die bevorstehende Veröffentlichung ihres Berichts am 31. Dezember. Um die Frist einzuhalten, verabschiedete der IVD-Vorstand unter dem Vorsitz von Sihem Bensedrine am 30. Dezember 2018 einen vorläufigen Bericht, bei dem noch Änderungen ausstanden. Der endgültige Bericht wurde am 26. März 2019 auf der Website der IVD und am 24. Juni 2020 im offiziellen Amtsblatt (JORT) veröffentlicht. Während ihres gesamten Mandats sah sich die IVD mit Versuchen konfrontiert, ihre Arbeit zu torpedieren. So fehlte es an einer umfassenden Zusammenarbeit mit Regierungsbehörden wie dem Innen- und dem Verteidigungsministerium.
Im Mai 2020 reichte ein ehemaliges Mitglied der IVD bei der staatlichen Antikorruptionsbehörde eine Beschwerde gegen Sihem Bensedrine ein und beschuldigte sie darin der "Fälschung des Abschlussberichts". Sie soll einen Abschnitt über Korruption im tunesischen Bankensystem eingefügt haben, insbesondere über einen Streit zwischen der Regierung und der Banque Franco-Tunésienne (BFT). Der Beschwerde zufolge habe sie aus persönlichem Interesse gehandelt, da der hinzugefügte Abschnitt kostspielige Entschädigungszahlungen für die Regierung mit sich bringen könnte. Im März 2021 verwies die Antikorruptionsbehörde die Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft in Tunis.