Kritik am Präsidenten: Künstler inhaftiert

Das Bild zeigt das Porträtbild eine Mannes

Der tunesische Künstler Rached Tamboura (undatiertes Foto)

Der Künstler Rached Tamboura soll für zwei Jahre ins Gefängnis. Am 31. Januar bestätigte ein Berufungsgericht in Monastir die zuvor erstinstanzlich verhängte Haftstrafe gegen ihn, weil er den Präsidenten beleidigt haben soll. Der Künstler hatte in einer Reihe Graffiti rassistische Äußerungen von Präsident Kais Saied gegenüber Migrant*innen aus Ländern südlich der Sahara kritisiert. Er wurde in der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2023 festgenommen. Kurz zuvor hatte er noch ein Graffiti dieser Reihe erstellt. Rached Tamboura befindet sich derzeit im Gefängnis von Zaghouan, wo er aktiv gegen seine Inhaftierung protestiert.

Appell an

President

Kais Saied

Route de la Goulette

Site archéologique de Carthage

TUNESIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der tunesischen Republik
S.E. Herrn Wacef Chiha
Lindenallee 16
14050 Berlin
Fax: 030-3082 06 83
E-Mail: at.berlin@tunesien.tn

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, Rached Tamboura unverzüglich freizulassen und seine Verurteilung und Strafe aufzuheben, da sie ausschließlich auf der friedlichen Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung und seinem Aktivismus beruhen. 
  • Stellen Sie bis zu seiner Freilassung sicher, dass er Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung gemäß internationaler Standards und nach den Grundsätzen der Medizinethik erhält, zu denen Vertraulichkeit, Patientenautonomie und die Einwilligung nach Aufklärung gehören. 
  • Stellen Sie bitte überdies die gezielte Festnahme von Regierungskritiker*innen wegen der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf Meinungsfreiheit ein.

Sachlage

Die anhaltende willkürliche Inhaftierung von Rached Tamboura gibt Anlass zu großer Sorge. Der 28-jährige Künstler, der an der Arabic Calligraphy University in Tunis studiert, hatte nur seine kritische Meinung auf künstlerische Weisezum Ausdruck gebracht. Der gegen ihn verhängte Schuldspruch widerspricht internationalen Menschenrechtsabkommen, beispielsweise dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker, deren Vertragsstaat Tunesien ist.

In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli 2023 nahmen Sicherheitskräfte Rached Tamboura fest, nachdem er eine Portrait-Reihe von Präsident Kais Saied an die Wand einer örtlichen Behörde gemalt hatte. Er war beobachtet und verraten worden. Das Graffiti sollte rassistische Äußerungen über Migrant*innen aus Ländern südlich der Sahara anprangern, die Kais Saied am 21. Februar während einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates gemacht hatte und die eine Welle von Hass und rassistischer Gewalt gegen Schwarze – sowohl Migrant*innen als auch Tunesier*innen – ausgelöst hatten, die zu Massenabschiebungen führte. Der Künstler kritisierte außerdem die Unterzeichnung einer Absichtserklärung mit der Europäischen Union, um die Migration über das Mittelmeer einzuschränken.

Nach Angaben seines Anwalts wurde Rached Tamboura nach seiner Festnahme ohne Rechtsbeistand durch die Polizei verhört. Gegen 4 Uhr morgens am 18. Juli 2023 ordnete die Staatsanwaltschaft an, dass er für 48 Stunden in Polizeigewahrsam bleiben muss. Rached Tamboura erschien am 20. Juli 2023 vor einem Ermittlungsrichter eines erstinstanzlichen Gerichts in Monastir und wurde verhört. Der Richter ordnete Untersuchungshaft an. Am 26. Juli 2023 schloss der Untersuchungsrichter die Ermittlungen ab und überstellte Rached Tamboura wegen "Beleidigung des Präsidenten" und "Herstellung und Verbreitung falscher Nachrichten mit dem Ziel, die Rechte anderer zu verletzen, die öffentliche Sicherheit oder die Landesverteidigung zu beeinträchtigen oder Terror in der Bevölkerung zu verbreiten" gemäß Paragraf 67 des Strafgesetzbuchs bzw. Paragraf 24 des Gesetzesdekrets 54 an ein Gericht. Mit dem Gesetzesdekret 54 hatte Präsident Kais Saied im September 2022 ein drakonisches Cybercrime-Gesetz erlassen, das die Behörden mit umfassenden Machtbefugnissen zur Einschränkung der freien Meinungsäußerung im Internet ausstattet.

Am 4. Dezember 2023 wurde Rached Tamboura von einem erstinstanzlichen Gericht in Monastir in beiden Anklagepunkten schuldig gesprochen und zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Am 31. Januar 2024 bestätigte ein Berufungsgericht in Monastir sowohl das erstinstanzliche Urteil als auch die verhängte Haftstrafe.

Menschen haben das Recht, abweichende Meinungen zu äußern. Die Ausübung dieses Rechts darf keine willkürliche Inhaftierung nach sich ziehen. 

Hintergrundinformation

Hintergrund

Seit seiner Machtergreifung am 25. Juli 2021 beruft sich Präsident Kais Saied auf Notstandsbefugnisse aus der Verfassung von 2014. Seit Februar 2023 hat sich die Menschenrechtslage in Tunesien rapide verschlechtert. Mehrere Oppositionelle, Dissident*innen, vermeintliche Gegener*innen des Präsidenten und Regierungskritiker*innen wurden verstärkt ins Visier genommen und schikaniert. Das harte Vorgehen gegen Oppositionelle und Kritiker*innen bedroht die Menschenrechte in Tunesien, einschließlich der Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit. Diese Rechte sind durch die Paragrafen 19, 21 und 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte sowie durch die Paragrafen 9, 10 und 11 der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker geschützt, zu deren Vertragsstaaten Tunesien gehört. 

Nach den diskriminierenden Äußerungen von Präsident Kais Saied im Februar 2023 wurden Hunderte von Migrant*innen und Flüchtlingen angegriffen, vertrieben oder willkürlich festgenommen. Die Täter*innen blieben ungestraft. Seit Juli 2023 haben die Sicherheitskräfte mehrere Tausend Migrant*innen, Asylbewerber*innen und Flüchtlinge, darunter auch Kinder, zusammengetrieben und willkürlich nach Libyen und Algerien abgeschoben. Zwischen Juli und August starben in der Wüstenregion an der libyschen Grenze mindestens 28 Menschen.