Weitere Militärverfahren
Thailand
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Fünf studentischen Aktivisten, einer Landrechtrechtsaktivistin und zwei Menschenrechtsanwältinnen drohen sechs Monate Haft in einem unfairen Verfahren vor einem Militärgericht in Khon Kaen im Nordosten von Thailand. Die Studierenden hatten eine öffentliche Diskussion über die thailändische Verfassung organisiert, die von den Menschenrechtsanwältinnen beobachtet wurde.
Setz dich jetzt für die Aktivistinnen und Aktivisten ein!
Appell an
Adm. Kritsada Charoennpanit
Judge Advocate General’s Department
Ministry of Defence
Sanamchai Road, Phra Nakom
Bangkok, THAILAND
Sende eine Kopie an
Botschaft des Königreichs Thailand
S.E. Herrn Dr. Dhiravat Bhumichitr
Lepsiusstr. 64-66, 12163 Berlin
Fax: 030-7948 1511 oder 030-7948 1251
Amnesty fordert:
- Bitte lassen Sie die Anklagen gegen die Menschen fallen, die an der Veranstaltung "Sich Aussprechen für die Freiheit" teilgenommen haben, da sie lediglich auf der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlung gründen.
- Ich bin in großer Sorge, da die Anklage von Personen wegen der Teilnahme an der Veranstaltung "Sich Aussprechen für die Freiheit" eine unzulässige Einschränkung der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlung darstellt. Bitte stellen Sie sicher, dass alle Menschen in Thailand ihre Menschenrechte unabhängig von ihrer politischen Einstellung oder Mitgliedschaft wahrnehmen können.
- Bitte gewährleisten Sie, dass Zivilpersonen unter keinen Umständen vor Militärgerichte gestellt werden und verweisen Sie bitte alle laufenden derartigen Verfahren an Zivilgerichte.
Sachlage
Am 17. Oktober wurde gegen Panupong Srithananuwat (auch bekannt als "Nice"), Chatmongkhon Jenchiawchan, Akhorn Sitputta, Narongrit Uppachan und einen weiteren in der Studierendenvereinigung Dao Din aktiven Studenten sowie gegen die Landrechtsaktivistin Natthapon Athann und die Rechtsanwältinnen Duangthip Khanrit und Niranut Niamsap Anklage wegen Teilnahme an einer Diskussionsveranstaltung zum Verfassungsentwurf im Jahr 2016 erhoben. Die beiden Anwältinnen arbeiten bei der NGO Thailändische Anwält_innen für Menschenrechte (Thai Lawyers for Human Rights - TLHR). Die Anklage wurde auf Grundlage der Verordnung Nr. 3/2558 des Vorsitzenden des Militärrats (National Council for Peace and Order – NCPO) erhoben. Die Verordnung sieht bis zu sechs Monate Haft und eine Geldstrafe von 10.000 Baht (etwa 260 Euro) für politische Versammlungen von mehr als vier Personen vor.
Die Gruppe hatte am 31. Juli 2016 an einer Veranstaltung mit dem Titel "Sich Aussprechen für die Freiheit: Die Verfassung und die Isaan-Bevölkerung" an der Universität Khon Kaen teilgenommen. Bei der Veranstaltung wurde der Entwurf der thailändischen Verfassung diskutiert, der kurz darauf am 7. August in einem landesweiten Referendum angenommen wurde. Aktivist_innen und Akademiker_innen hielten Vorträge und es fanden Diskussionen zum Verfassungsentwurf und dem Referendumsprozess statt. Vor Beginn der Veranstaltung forderten Vertreter_innen der Universität Khon Kaen die Organisator_innen auf, die Veranstaltung abzusagen. Die Organisator_innen entschieden sich jedoch fortzufahren, und taten dies trotz der großen Präsenz von Angehörigen der Polizei und des Militärs in Zivil und in Uniform.
Duangthip Khanrit und Niranut Niamsap, die beiden Mitarbeiterinnen von TLHR, nahmen ohne aktive Beteiligung als Beobachterinnen an der Veranstaltung teil. Die beiden trugen Namensschilder mit Angabe ihrer Organisation TLHR und stellten sich den dort anwesenden leitenden Polizei- und Militärvertreter_innen als Beobachterinnen vor.
Hintergrundinformation
Thailand wird seit dem Putsch im Mai 2014 von einer Militärregierung regiert. Am 7. August 2016 wurde in einem landesweiten Referendum über eine neue Verfassung abgestimmt. Sie war von einem Gremium ausgearbeitet worden, welches von der Militärregierung eingesetzt worden war. Gleichzeitig unterdrückten die thailändischen Behörden im großen Stil Diskussionen und Kampagnenarbeit zum Verfassungsentwurf und eröffneten Strafverfahren gegen eine große Zahl von Menschen. Der Verfassungsentwurf wurde von den Wähler_innen mit großer Mehrheit angenommen. Ende 2017 sollen nun Parlamentswahlen abgehalten werden. Die Behörden schränken das Recht auf freie Meinungsäußerung weiterhin in unzulässiger Weise ein, während die Regierung bereits mehrmals die Wahlen verschoben hat und derzeit eine Durchführung Ende 2018 in Erwägung zieht.
Seit dem Putsch gehen die Behörden sehr repressiv gegen die friedliche Opposition vor und schränken die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in unzulässiger Weise ein –auch dadurch, dass sie Strafverfahren gegen Andersdenkende einleiten. Menschen, die sich gegen den Putsch aussprechen, werden willkürlich inhaftiert und strafverfolgt. Dazu dienen von der Militärregierung erlassene Präsidialdekrete und Gesetze sowie bereits zuvor bestehende Gesetze, die diese Rechte nach internationalen Menschenrechtsnormen unzulässig einschränken.
Die NGO Thailändische Rechtsanwält_innen für Menschenrechte TLHR, zu der Duangjip Khanrit und Niranut Niamsap gehören, besteht aus einem Team von Menschenrechtsanwält_innen, die zu Menschenrechtsverletzungen arbeiten und dabei Einzelpersonen vertreten, die aufgrund der Ausübung ihrer Rechte strafrechtlich verfolgt werden. Die Organisation wurde nach dem Putsch gegründet und war eine Reaktion auf die vielen willkürlichen Inhaftierungen und die Verweigerung einer anwaltlichen Vertretung für Gefangene.
Die angeklagten Studierenden sind Mitglieder der Studierendenvereinigung Dao Din, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzt. Seit dem Putsch 2014 üben die Behörden großen Druck auf die Gruppe aus, ihr politisches Engagement einzustellen. Dao Din-Mitglieder setzen sich aber trotz umfassender Einschränkungen durch die Regierung weiterhin friedlich für eine Rückkehr zur Demokratie und den Schutz und die Verteidigung der Menschenrechte ein und werden deswegen mit vielfältigen Vorwürfen strafrechtlich verfolgt. Die Behörden schikanieren zudem ihre Familienangehörigen und erheben Anklage gegen Dritte, die diese Personen unterstützen, oder die im Rahmen ihrer journalistischen oder juristischen Tätigkeit mit Dao-Din-Mitgliedern zu tun haben, wie die TLHR-Mitarbeiterin Sirikan "June" Charoensiri. Für nähere Informationen dazu siehe UA-245/2016: https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-245-2016/drohende-lange-haftstr…
Auch Personen, die wegen Verstößen gegen Militärverordnungen und Straftaten im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit nach dem Putsch 2014 und vor dem 12. September 2016 angeklagt sind, stehen in unfairen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten. Thailand verstößt damit gegen seine Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsnormen, darunter z. B. der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Der Militärrat hat zwar im September 2016 die Zuständigkeit von Militärgerichten für Zivilpersonen bei diesen Straftaten aufgehoben, doch die Verordnung ist nicht rückwirkend gültig und bereits vorher bestehende Gerichtsverfahren bleiben in der Zuständigkeit der Militärgerichte. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat in seiner Überprüfung Thailands 2017 den thailändischen Behörden empfohlen, die notwendigen Schritte einzuleiten, um der Bitte um Verlegung von einem Militärgericht an ein Zivilgericht bei vor dem 12. September 2016 begangenen Straftaten nachzugehen und die Möglichkeit einzuräumen, dass Zivilpersonen Rechtsmittel vor Zivilgerichten einlegen können, wenn ihr Fall vor einem Militärgericht verhandelt wurde und das Urteil bereits ergangen ist.