Sri Lanka: Dichter ohne Anklage in Haft

Grafik mit Porträt des sri-lankischen Dichters und Lehrers Ahnaf Jazeem mit einem Text daneben: "Ahnaf Jazeem. Sri Lankan poet and teacher. Detained since 16 May 2020 without charge or any creduble evidence! #justiceForAhnaf. Take action now!

Ahnaf Jazeem, ein 26-jähriger Dichter und Lehrer aus Sri Lanka, wird seit dem 16. Mai 2020 von den sri-lankischen Behörden in Haft gehalten. Dabei stützen sie sich auf das drakonischen Antiterrorgesetz (Prevention of Terrorism – PTA). Die Inhaftierung des Lyrikers entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage: Eine Anklage gegen ihn wurde nicht erhoben und dem Gericht liegen keine Beweismittel vor. Ein faires und rechtsstaatliches Verfahren sowie der Zugang zu einem Rechtsbeistand werden ihm verweigert. Zudem werden die Behörden beschuldigt, bei Vernehmungen versucht zu haben, falsche Geständnisse des Inhaftierten zu erzwingen. Ahnaf Jazeem muss entweder sofort freigelassen oder umgehend einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt werden und ein faires Verfahren erhalten.

Appell an

Acting Inspector General of Police

Mr. Chandana Depal Wickramaratne

Police Headquarters, Church Street

Colombo 00100

SRI LANKA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Demokratischen Sozialistischen Republik Sri Lanka

Herrn Umarlebbe Ahamed Razee, Botschaftsrat

Niklasstraße 19, 14163 Berlin

Fax: 030-809 097 57

E-Mail: slemb.berlin@mfa.gov.lk

 

Amnesty fordert:

  • Ich möchte Sie dringend bitten, sich dafür einzusetzen, dass entweder die bedingungslose Freilassung von Ahnaf Jazeem angeordnet wird oder er umgehend einer erkennbar strafbaren Handlung angeklagt wird und ein faires Gerichtsverfahren erhält.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung Kontakt zu seiner Familie und Rechtsbeiständen erhält. Sollten persönliche Besuche aufgrund von COVID-19 eingeschränkt werden, so müssen diese durch andere Kontaktmedien ersetzt werden, zum Beispiel Telefon, E-Mail oder Videoanrufe.
  • Bitte stellen Sie zudem bis zu seiner Freilassung oder Anklageerhebung sicher, dass sein Recht auf ein faires Verfahren garantiert wird.
  • Ich fordere die sri-lankanische Regierung auf, das Antiterrorgesetz, welches nicht im Einklang mit den internationalen Menschenrechsstandards steht, aufzuheben und die Anwendung dieses Gesetzes umgehend zu beenden.

Sachlage

Ahnaf Jazeem sitzt seit dem 16. Mai 2020 ohne Anklage in Haft. Dem zuständigen Gericht liegen keine Beweise gegen den 26-Jährigen vor. Die sri-lankischen Behörden stützen sich bei seiner Inhaftierung auf das drakonische Antiterrorgesetz, welches es den Behörden ermöglicht, Personen für bis zu 18 Monaten willkürlich und ohne Anklage oder Gerichtsprozess zu inhaftieren.

Ahnaf Jazeem wird das Recht auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren verweigert. Der Zugang zu seinem Rechtsbeistand und seiner Familie bleibt ihm verwehrt. Den Angaben seines Rechtsbeistands zufolge hatten die Behörden versucht, bei Vernehmungen falsche Geständnisse des jungen Dichters zu erzwingen. Er sei außerdem dazu gezwungen worden, Dokumente zu unterschreiben, die in einer ihm unbekannten Sprache verfasst waren. All das stellt deutliche Verletzungen der Rechte dar, die durch die Verfassung Sri Lankas und den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Sri Lanka gehört, garantiert werden.

Die Haftbedingungen Ahnaf Jazeems sind katastrophal. Die grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung während seiner Haftzeit führten zu einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Die Familie von Ahnaf Jazeem ist um seine Gesundheit und Sicherheit besorgt, nicht zuletzt, weil ihm der regelmäßige Zugang zu seinem Rechtsbeistand und seinen Angehörigen verwehrt wird und das Ende seiner Haft ungewiss ist.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ahnaf Jazeem, Dichter und Lehrer aus Sri Lanka, wurde am 16. Mai von der Polizei für Terrorismusermittlungen (Terrorism Investigation Department TID) im Zusammenhang mit dem drakonischen Antiterrorgesetz (Prevention of Terrorism PTA) festgenommen und inhaftiert. Seine Inhaftierung auf Grundlage dieses Antiterrorgesetzes begründete man damit, dass er eine tamilischsprachige Gedichtsammlung mit dem Titel Navarasam veröffentlicht hatte. Außerdem beschuldigte man ihn haltlos, seine Schüler "extremistischen" Inhalten und Ideologien ausgesetzt zu haben.

Dem jungen Dichter war in der Haft über einen Zeitraum von fast acht Monaten der Kontakt zu einem Rechtsbeistand verwehrt worden. Erst am 8. März 2021, nach zwei Monaten ununterbrochenen Drängens, wurde ihm ein Besuch gewährt. Doch auch das vertrauliche Gespräch zwischen Ahnaf Jazeem und seinem Rechtsbeistand wurde vom TID überwacht, abgehört und aufgezeichnet. Angaben seines Rechtsbeistands zufolge wurde Ahnaf Jazeem von Behörden zur Unterzeichnung von Dokumenten gezwungen, die in einer ihm unbekannten Sprache verfasst waren. Darüber hinaus versuchten sie, Aussagen von ihm zu erzwingen, die ihn selbst belasteten. Für fast fünf Monate in Haft wurde ihm der Zugang zu seiner Familie verweigert. Bis heute bleibt ihm ein uneingeschränkter und regelmäßiger Kontakt zu seiner Familie verwehrt. Laut seinem Rechtsbeistand ist der 26-Jährige während seiner Haft unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt und wird unter unhygienischen Bedingungen festgehalten. Am 16. März informierte sein Rechtsbeistand die Menschenrechtskommission von Sri Lanka (HSCRL) über die Grundrechtsverletzungen, denen Ahnaf Jazeem ausgesetzt ist, die Aberkennung des Rechts auf ein ordnungsgemäßes Verfahren und die erniedrigenden Haftbedingungen.

Die Inhaftierung Ahnafs Jazeems erfolgte vor dem Hintergrund der zunehmenden Ausgrenzung, Diskriminierung und der gezielten Angriffe auf die muslimische Gemeinschaft Sri Lankas. In jüngster Zeit dokumentierte Amnesty International Vorfälle von Kabinettsvorschlägen, -entscheidungen und Regierungsverordnungen, die eine Diskriminierung der muslimischen Gemeinschaft des Landes vorsahen. Mit etwa 9 % der Gesamtbevölkerung stellt die muslimische Gemeinschaft eine Minderheit Sri Lankas dar.

2017 machte der damalige UN-Sonderberichterstatter für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, Ben Emmerson, auf die typische Vorgehensweise der sri-lankischen Behörden bei der Verfolgung von Minderheiten, denen man Terrorismus vorgeworfen hatte, aufmerksam. Er stellte fest, dass "das Antiterrorgesetz von Anfang an dazu diente, die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen, darunter vielfach angewandte Folter und willkürliche Inhaftierungen, insbesondere an Minderheiten, zu begehen und Dissidenten zu unterdrücken." Eine typische Vorgehensweise der sri-lankischen Behörden sei außerdem die Verfolgung von Einzelpersonen, welche Verbindungen zu bewaffneten Gruppen aufwiesen, auf Grundlage des Antiterrorgesetzes. Diese werden oft jahrelang ohne Anklage oder Gerichtsprozess inhaftiert, mit einer geringen Wahrscheinlichkeit, dass sie je wieder freigelassen werden.

Die Menschenrechtskommission von Sri Lanka kritisiert in ihrem Bericht aus dem Jahr 2016 an den UN-Ausschuss gegen Folter den Einsatz von Folter in Sri Lanka: "Folter wird üblicherweise in allen Teilen des Landes angewandt, unabhängig von der Art des mutmaßlichen Vergehens, das zur Festnahme der Person geführt hat." Eine neuere Gefängnisstudie der HRCSL, die im Dezember 2020 veröffentlicht wurde, zeigt, dass Gefangene, die auf Grundlage des Antiterrorgesetzes inhaftiert worden waren, tagtäglich Gewalt ausgesetzt sind. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass der Missbrauch in Polizeigewahrsam wichtiger Bestandteil des Ermittlungsprozesses sei, wobei Folter angewendet werde, um Informationen, Geständnisse und Beweise von den Inhaftierten zu erlangen.