Sieben Männer getötet

Referendum über den Friedensvertrag

Referendum über den Friedensvertrag zwischen Kolumbiens Regierung und der FARC am 2. Oktober 2016

Sieben männliche Leichen wurden übereinander liegend auf einer Straße in der Gemeinde Argelia im Departamento Cauca aufgefunden. Zurzeit werden die Männer von den Behörden identifiziert, da sie wahrscheinlich nicht aus der Gemeinde stammen. In den vergangenen Wochen hatten paramilitärische Gruppen Flugblätter verteilt, in denen sie drohten, bestimmte Gruppen von Menschen zu töten.

Appell an

Präsident

Juan Manuel Santos

Presidente de la República



Palacio de Nariño, Carrera 8 No.7-26



Bogotá, KOLUMBIEN

Sende eine Kopie an

Ombudsperson

Carrera 9 Núm.16 – 21

Bogotá D. C., KOLUMBIEN

E-Mail: asuntosdefensor@defensoria.gov.co

Botschaft der Republik Kolumbien

I. E. Frau María Elvira Pombo Holguin

Taubenstr. 23

10117 Berlin

Fax: 030-2639 6125

E-Mail: ealemania@cancilleria.gov.co

Amnesty fordert:

  • Bitte ordnen Sie eine umfassende und unparteiische Untersuchung der Tötung der sieben in Argelia in Cauca gefundenen Männer an.
  • Lösen Sie bitte die paramilitärischen Gruppen auf und zwar in Übereinstimmung mit den ausdrücklichen Verpflichtungen der Regierung sowie den Empfehlungen internationaler Gremien und denen von Amnesty International.
  • Bitte schützen Sie die Gemeinschaft und stellen Sie dabei sicher, dass es keine Wiederholung der Gewaltakte gibt und die Menschenrechte der Gemeinschaft geachtet werden.

Sachlage

In den frühen Morgenstunden des 3. Juli fanden Einwohner_innen der ländlichen Gemeinde Argelia im Südwesten Kolumbiens die Leichen von sieben Männern auf einer Verbindungsstraße zwischen den Dörfern La Belleza und Sinaí. Die Getöteten sollen aus nächster Nähe erschossen worden sein und deutliche Spuren von Folter und anderen Misshandlungen aufgewiesen haben. Am 5. Juli konnten die Behörden fünf der sieben Leichen identifizieren, zwei von ihnen waren registrierte ehemalige Kämpfer der demobilisierten Guerrilagruppe FARC (Revolutionäre Streitkräfte von Kolumbien).

Amnesty International hat von der Organisation AFRODES, die sich für vertriebene Afrokolumbianer_innen einsetzt, Berichte erhalten, dass die als Comando Popular de Limpieza und Autodefensas Gaitanistas de Colombia (ACG) bekannten paramilitärischen Gruppen in den vergangenen Wochen Flugblätter verteilt haben, in denen beide Gruppen ankündigen, dass sie Diebe, Vergewaltiger und geschwätzige Personen "eliminieren" werden und Menschen von außerhalb der Gemeinde zu "militärischen Zielen" erklären.

Die Menschen in Argelia sind verängstigt, da dies eine Ankündigung weiterer Gewaltakte sein könnte. Die Bevölkerung von Argelia berichtete über die Anwesenheit verschiedener bewaffneter Gruppen in der Gegend, darunter die Nationale Befreiungsarmee (Ejército De Liberación Nacional – ELN), die FARC, Dissident_innengruppen, die nicht Teil des Friedensabkommens sind, paramilitärische Gruppen und kriminelle Banden, die vermutlich am Drogenschmuggel beteiligt sind. Die Gemeinde Argelia liegt auf einer Drogenschmuggelroute.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Verhandlungen zwischen der Guerillagruppe FARC und der kolumbianischen Regierung begannen formell im Oktober 2012 und hatten zum Ziel, den seit über 50 Jahren währenden internen bewaffneten Konflikt zu beenden. Die erste Fassung des Friedensabkommens wurde am 26. September 2016 von den beteiligten Parteien unterzeichnet und am 2. Oktober 2016 gab es dazu ein Referendum. Im Referendum wurde das Abkommen abgelehnt. Dies zog die Fortführung der Friedensgespräche in Zweifel und warf Fragen darüber auf, wie ein Gleichgewicht zwischen dem notwendigen Friedensabkommen und Kolumbiens internationalen Verpflichtungen hinsichtlich Gerechtigkeit und Rechte der Opfer gefunden werden könnte. Am 24. November 2016 wurde eine Neufassung des Friedensabkommens unterzeichnet, die am 1. Dezember 2016 im Kongress von einer Mehrheit akzeptiert wurde.

Amnesty International hat bei mehreren Gelegenheiten darauf hingewiesen, dass eine wirksame Umsetzung des Friedensabkommens in historisch von Gewalt betroffenen Territorien zur Vermeidung einer Wiederholung solcher Verbrechen beitragen könnte. In einigen Departamentos, darunter Chocó, Cauca, Antioquia und Norte de Santander, kommt es nach wie vor zu Völkerrechtsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, darunter die Ermordung von Angehörigen afrokolumbianischer und indigener Gemeinschaften, die Vertreibung ganzer Kollektive, die unfreiwillige Begrenzung von Gemeinschaften auf bestimmte Bereiche des Landes, die Zwangsrekrutierung von Kindern für bewaffnete Gruppen sowie sexualisierte Gewalt und der Einsatz von Antipersonenminen.

Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens hat sich der bewaffnete Konflikt aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen Guerillakräften der Nationalen Befreiungsarmee ELN, paramilitärischen Gruppen und Sicherheitskräften in einigen Gegenden verstärkt. Alle diese Gruppen versuchen, das von der FARC hinterlassene Machtvakuum zu füllen.

Die Gemeinde Argelia in Cauca war während des bewaffneten Konflikts in Kolumbien Schauplatz vieler Gewaltakte. 2015, einen Tag nachdem die Menschen von Argelia Zusammenstöße mit der Armee hatten – die mit einem Toten und drei Verletzten endeten – wurden drei Polizist_innen durch eine Bombe der FARC getötet. Es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinde und Sicherheitskräften, bei denen es in der Regel um Operationen zur Vernichtung von Kokablättern geht; in der Gemeinde wird sehr viel Koka angebaut. Seit 2015 gibt es Berichte über die Anwesenheit paramilitärischer Gruppen im Departamento de Cauca, die die Einwohner_innen in Angst versetzen und die Sprecher_innen der Gemeinschaften bedrohen. Die Ombudsperson hat bei zahlreichen Gelegenheiten warnend darauf hingewiesen, dass diese Gemeinschaft sehr angreifbar ist. Trotz der Warnungen reagiert der kolumbianische Staat bislang weder umfassend noch zeitgerecht und die Bewohner_innen fühlen sich von den vielen bewaffneten Gruppen, die nun um die Vorherrschaft in diesem Territorium kämpfen, bedroht.

Vor nur einem Jahr wurden in der Gemeinde Bolivar, ebenfalls in Cauca, sechs Leichen unter ähnlichen Umständen aufgefunden, deren Ermordung vermeintlich mit dem Drogenschmuggel in Verbindung stand. Die Leichen lagen ebenfalls übereinander und wiesen Wunden durch aus nächster Nähe abgefeuerte Schüsse auf. Die Ermittlungen haben bislang noch nicht dazu geführt, dass die Täter zur Verantwortung gezogen wurden. Ein solches Zeugnis der Straffreiheit bei dieser Art von Verbrechen in der Region Cauca spricht für sich.