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Russland: Menschenrechtler in Lebensgefahr
© Amnesty International
Tofik Abdulgaziev, ein Menschenrechtsverteidiger von der Krim, verbüßt in Russland eine politisch motivierte zwölfjährige Freiheitsstrafe. Im März 2024 wurde er in kritischem Zustand in ein Krankenhaus eingeliefert. Er hat 15 Kilo an Gewicht verloren und wurde mit Tuberkulose, Lungenentzündung und anderen lebensbedrohlichen Krankheiten diagnostiziert. Am 6. August lehnte ein Gericht es ab, den Menschenrechtler aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft zu entlassen.
Bitte setzt euch für Tofik Abdulgaziev ein!
Hier kannst du deinen Brief ausdrucken, um ihn per Post oder Fax an die Behörden zu senden, oder ihn direkt über dein eigenes E-Mail-Programm verschicken.
Du hast Probleme beim Ausdrucken des Briefes? Dann klicke bitte hier.
Achtung: Bitte prüfe bei der Deutschen Post ob die Briefzustellung in das Zielland ungehindert möglich ist.
Appell an
Menschenrechtsbeauftragte
Tatyana Moskalkova
Human Rights Commissioner
Smolensky Boulevard, 19с2
119121 Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
Sende eine Kopie an
Botschaft der Russischen Föderation
S. E. Herrn Sergej J. Netschajew
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@russische-botschaft.de
Amnesty fordert:
- Machen Sie bitte Ihren Einfluss geltend und setzen Sie sich dafür ein, dass Tofik Abdulgaziev umgehend aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen wird.
- Sorgen Sie bis zu seiner Freilassung dringend dafür, dass er Zugang zu der nötigen Gesundheitsversorgung erhält.
- Stellen Sie zudem sicher, dass all jene, die für seine schlechten Haftbedingungen und die Verweigerung der Gesundheitsversorgung verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden.
Sachlage
Der Menschenrechtsverteidiger Tofik Abdulgaziev befindet sich im Gefängniskrankenhaus LPU-3 in der Oblast Tscheljabinsk. Im Jahr 2022 war er in einem unfairen Verfahren vor einem Militärgericht wegen politisch motivierter Vorwürfe zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Er ist Mitglied der basisdemokratischen Organisation Krim-Solidarität. Vor seiner Festnahme im März 2019 organisierte Tofik Abdulgaziev Veranstaltungen für Kinder von Krimtatar*innen, die aufgrund politisch motivierter Anklagen in Haft waren. Er schickte Lebensmittelpakete an Krimtatar*innen in Untersuchungshaftanstalten, besuchte Gerichtsverhandlungen zu politisch motivierten Fällen und unterstützte Krimtatar*innen, bei denen Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden.
Am 6. Mai 2024 analysierte ein*e unabhängige*r Mediziner*in die Ergebnisse der im Gefängnis vorgenommenen amtsärztlichen Untersuchung von Tofik Abdulgaziev und kam zu dem Schluss, dass der Menschenrechtler an Tuberkulose, beidseitiger Lungenentzündung, chronischer Herzinsuffizienz und anderen schweren Krankheiten leidet. Diese Krankheiten gelten laut Beschluss 54 der russischen Regierung vom 2. Februar 2004 als Erkrankungen, bei deren Vorhandensein man nicht inhaftiert werden darf. Nach russischem Recht haben Gerichte die Befugnis, Gefangene mit diesen Krankheiten auf freien Fuß zu setzen. Am 6. August 2024 entschied das Bezirksgericht Metalurgitscheski in Tscheljabinsk jedoch, Tofik Abdulgaziev nicht aus gesundheitlichen Gründen freizulassen.
Todesfälle in Haft, die auf die vorsätzliche Verweigerung von angemessener medizinischer Versorgung zurückzuführen sind, stellen eine willkürliche Verletzung des Rechts auf Leben dar, was auf gravierende Weise gegen internationale Menschenrechtsnormen verstößt. Tofik Abdulgaziev muss unverzüglich aus gesundheitlichen Gründen freigelassen und in eine medizinische Einrichtung seiner Wahl verlegt werden, um dort angemessen medizinisch versorgt und behandelt zu werden.
Hintergrundinformation
Tofik Abdulgaziev war einer von mehr als 20 krimtatarischen Aktivist*innen, die am 27. März 2019 willkürlich festgenommen wurden. Die Anklagen gegen ihn lauteten auf "Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation" unter Paragraf 205.5(2) des Strafgesetzbuchs und "Vorbereitung der gewaltsamen Machtergreifung" gemäß Paragraf 278. Die russischen Behörden warfen ihm Mitgliedschaft in der islamistischen Organisation Hizb ut-Tahrir vor, die in Russland willkürlich als "terroristische Organisation" eingestuft ist. Das Militärgericht des Südlichen Militärbezirks in Rostow am Don verurteilte Tofik Abdulgaziev im Mai 2022 zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren.
Im Mai 2023 wurde das Urteil bestätigt und Tofik Abdulgaziev in ein Gefängnis in der Stadt Werchneuralsk verlegt, etwa 2.000 km weit weg von seiner Heimat, der Krim. Im März 2024 wurde er in kritischem Zustand in ein Gefängniskrankenhaus in Tscheljabinsk gebracht, wo bei ihm Berichten zufolge Tuberkulose, Lungenentzündung und andere schwere Erkrankungen diagnostiziert wurden. Er befindet sich nach wie vor in diesem Gefängniskrankenhaus. Am 6. August 2024 entschied ein Gericht, Tofik Abdulgaziev nicht aus gesundheitlichen Gründen freizulassen.
Die Organisation Krim-Solidarität wurde 2016 als Reaktion auf die politische und religiöse Verfolgung der Krimtatar*innen durch die russischen Behörden gegründet. Ziel des Zusammenschlusses von Aktivist*innen, Rechtsbeiständen und Angehörigen von Inhaftierten ist es, deren Zugang zu rechtlicher, finanzieller, medizinischer oder sonstiger Unterstützung zu gewährleisten. Die Organisation versucht außerdem, über die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen auf der Krim zu informieren. Mehrere bekannte Mitglieder der Krim-Solidarität befinden sich wegen konstruierter Vorwürfe im Gefängnis.
Die Gemeinschaft der Krimtatar*innen machte vor der russischen Besetzung und rechtswidrigen Annektierung der Krim im Jahr 2014 etwa zwölf Prozent der dortigen Bevölkerung aus. Unter den Kritiker*innen der diskriminierenden russischen Maßnahmen im Bereich der Religions- und Glaubensfreiheit finden sich zahlreiche einflussreiche Krimtatar*innen. Die russischen De-facto-Behörden betrachten daher die gesamte Gemeinschaft der Krimtatar*innen als illoyal und nehmen sie mit Vergeltungsmaßnahmen ins Visier. Menschen, die sich zu den seit 2014 begangenen Menschenrechtsverletzungen auf der Krim äußern, werden verfolgt. Dazu gehören das Verschwindenlassen von Personen, Schikanen, Einschüchterungen, willkürliche Festnahmen, Folter und andere Misshandlungen sowie die strafrechtliche Verfolgung und langjährige Inhaftierung nach unfairen Gerichtsverfahren aufgrund politisch motivierter Anklagen.