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Protestierende angeklagt
Eine Arbeiterin ruht sich auf ihrer Rikscha aus, mit der sie Gemüse auf den Divisoria-Markt gebracht hat. Manila, Philippinen, 12. Juli 2018
© Noel Celis/AFP/Getty Images
Die Polizei in Quezon City löste am 1. April eine friedliche Protestveranstaltung gewaltsam auf. Bewohner_innen der wegen der Corona-Pandemie abgeriegelten Stadt hatten Hilfe von der Regierung gefordert. 21 Protestierende wurden festgenommen, inhaftiert und fünf Tage später auf Kaution entlassen. Sie müssen voraussichtlich am 28. August vor Gericht erscheinen. Die Anklagen müssen fallengelassen werden, da sie internationalen Menschenrechtsnormen zuwiderlaufen bzw. unverhältnismäßige Strafen nach sich ziehen. Zudem sollten die Behörden den Gewalteinsatz durch die Polizei untersuchen.
Appell an
POLIZEICHEF
PBGEN Ronnie S. Montejo
Director
Quezon City Police District
21 Makadios Street
Diliman
Quezon City
1101 PHILIPPINEN
Sende eine Kopie an
BOTSCHAFT DER REPUBLIK PHILIPPINEN
I. E. Frau Maria Theresa Dizon-De Vega
Luisenstr. 16
10117 Berlin
Fax: 030-873 2551
E-Mail: info@philippine-embassy.de
Amnesty fordert:
- Bitte lassen Sie alle Anklagen gegen die 21 Einwohner_innen von San Roque fallen. Die Anklagen widersprechen entweder dem Völkerrecht oder tragen Strafen, die für die betroffene Gruppe unverhältnismäßig sind.
- Leiten Sie bitte unverzüglich eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Gewaltanwendung durch die Polizei ein. Die Gewaltanwendung könnte als Folter oder anderweitige Misshandlung gelten. Bitte stellen Sie die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht.
- Stellen Sie bitte sicher, dass alle Bewohner_innen von San Roque unverzüglich angemessenen Zugang zu Nahrung, Medizin und anderer Grundversorgung haben und dazu befähigt und darin unterstützt werden, sich an die Quarantänemaßnahmen zu halten.
Sachlage
Am 1. April versammelten sich zahlreiche Einwohner_innen des Stadtteils San Roque von Quezon City an einer Straße, an der ein Privatunternehmen Hilfsgüter für Betroffene der COVID-19-Quarantäne ausgeben sollte. Als dies nicht geschah, entschieden sich die Anwesenden, friedlich zu protestieren und öffentliche Hilfsleistungen zu fordern. Die Quarantäne war am 17. März als Maßnahme gegen die COVID-19-Pandemie verhängt worden. Seitdem ist Quezon City abgeriegelt und Millionen Menschen können ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen. Die Polizei löste die friedliche Protestveranstaltung gewaltsam auf und nahm 21 Protestierende fest. Diese Personen müssen nun mit einer Reihe von Anklagen rechnen, darunter "rechtswidrige Versammlung" und "Kooperationsverweigerung während eines Gesundheitsnotstands". Insgesamt drohen den Betroffenen bis zu 20 Monate Haft und eine Geldstrafe von jeweils 1,1 Mio. Philippinischen Peso (knapp 20.000 Euro).
Angehörige der Gruppe Save San Roque Alliance berichteten, dass Protestierende gewaltsam auseinandergetrieben wurden, wobei die Polizei Holzstöcke einsetzte. Bisher wurden keine Schritte eingeleitet, um die Vorwürfe über den Gewalteinsatz durch die Polizei zu untersuchen. Die philippinischen Behörden sind den Forderungen der Anwohner_innen vielmehr mit Gewalt, Inhaftierung und potenzieller Strafverfolgung begegnet.
Amnesty International fordert Regierungen auf, keine Gefängnisstrafen wegen Verstößen gegen Auflagen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit zu verhängen, da dies im aktuellen Kontext eine unverhältnismäßige Maßnahme darstellt. Die Anklagen verstoßen gegen internationale Menschenrechtsnormen bzw. ziehen unverhältnismäßige Strafen nach sich. Die Verhängung von Haftstrafen verschlimmert voraussichtlich während der Pandemie die Gefahr für die öffentliche Gesundheit, da in Gefängnissen und anderen Haftanstalten die Gefahr der Verbreitung von COVID-19 höher ist. Zudem könnten sich viele der Haftstrafen als nicht notwendig und nicht verhältnismäßig erweisen.
Hintergrundinformation
Nach Angaben der Gruppe Save San Roque Alliance versammelten sich am 1. April zahlreiche Anwohner_innen von San Roque, einem Bezirk in Quezon City, an einem Abschnitt der EDSA, einer der Hauptschnellstraßen in Metro Manila. Sie hatten die Mitteilung erhalten, dass hier Hilfsgüter verteilt werden sollten. Als keine Hilfsgüter verteilt wurden, entschieden sie sich dazu, eine Protestveranstaltung durchzuführen, um öffentliche Hilfen von der Kommunalregierung zu fordern.
Laut Polizeiberichten und Angaben zivilgesellschaftlicher Organisationen forderten Polizist_innen die Anwesenden zunächst dazu auf, das Gebiet zu verlassen. Dann wandten die Sicherheitskräfte Gewalt an, um die Versammlung aufzulösen und nahmen Anwohner_innen fest, die sich weigerten zu gehen. Die Save San Roque Alliance gibt an, dass die Polizei bei der gewaltsamen Auflösung der Veranstaltung Holzstöcke einsetzte. Ein Sprecher der Gruppe gab an, dass sich unter den Betroffenen ein Mann und sein Kind befinden, die nur vor Ort waren, weil sie finanzielle Hilfen von der Firma des Mannes abholen wollten, die ebenfalls an der EDSA liegt.
Insgesamt wurden 21 Protestierende in der Polizeizentrale von Quezon City in Gewahrsam genommen. Nach Angaben der Save San Roque Alliance wurden Verwandte stundenlang daran gehindert, mit den Inhaftierten zu sprechen oder ihnen Nahrung zu bringen. Fünf Tage später, am 6. April, wurden die 21 Festgenommenen wieder freigelassen. Sie hatten eine Kaution von 367.500 Philippinischen Pesos (ca. 6.600 Euro) hinterlegt, die gespendet worden waren. Angeklagt sind sie wegen "rechtswidriger Versammlung", "Widerstand gegen die Staatsgewalt", "Verbreiten von Fehlinformationen", "Kooperationsverweigerung während eines Gesundheitsnotstands" und "Behinderung des Straßenzugangs".
Das Völkerrecht erlaubt zum Schutz der öffentlichen Gesundheit Einschränkungen des Rechts auf friedliche Versammlung. Diese Einschränkungen müssen aber notwendig und verhältnismäßig sein. Deshalb muss die Polizei gewaltlose Maßnahmen anwenden, bevor sie zu Gewalt greift. Gewaltsame Maßnahmen darf sie nur dann anwenden, wenn andere Maßnahmen nicht wirksam sind oder wenn absehbar ist, dass andere Maßnahmen nicht wirksam sein werden. Das Verbot von Folter und anderweitiger Misshandlung ist notstandsfest – es kann auch im Notstand nicht gelockert werden.
Deshalb sollten Menschen nicht inhaftiert werden, nur weil sie gegen Einschränkungen im Zuge der COVID-19-Pandemie verstoßen haben. Die Verhängung von Geldstrafen kann auf bestimmte Personengruppen ganz besonders negative Auswirkungen haben, auch wenn die Verordnungen für alle Menschen gleichermaßen gelten. Wenn Behörden Geldstrafen für die Zuwiderhandlung gegen die Einschränkungen verhängen möchten, müssen sie die Umstände von Personengruppen berücksichtigen, die überproportional davon betroffen sein könnten, und Alternativen in Betracht ziehen, die eine unverhältnismäßige Belastung durch die Strafen minimieren.