Journalist_innen bedroht

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Präsident Horacio Cartes hat einem Journalisten-Ehepaar, Menchi Barriocanal und Óscar Acosta, mit Haft gedroht. Bei einer Veranstaltung in Ciudad del Este am 23. Juni warf er ihnen fälschlicherweise Anstiftung zur Gewalt während Demonstrationen im März vor.

Appell an

Sr. Horacio Cartes

Palacio de Gobierno

El Paraguayo Independiente

Asunción

PARAGUAY

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Paraguay

S. E. Herrn Fernando Daniel Ojeda Cáceres

Hardenbergstraße 12

10623 Berlin

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich auf, die Einschüchterung gegen Menchi Barriocanal und Óscar Acosta zu beenden, und bitte Sie zu respektieren, dass alle Journalist_innen und andere Medienschaffenden das Recht haben, ihre Ideen frei zu äußern,ohne Angst vor Einschüchterung oder Vergeltung haben zu müssen.
  • Bitte leiten Sie Untersuchungen in sämtliche Angriffe und Einschüchterungsmaßnahmen gegen Journalist_innen, andere Medienschaffende undMenschenrechtsverteidiger_innen ein.
  • Bitte stellen Sie ein angemessenes System zum Schutz von Journalist_innen, anderen Medienschaffenden und Menschenrechtsverteidiger_innen zur Verfügung, sodass sie ihrer Arbeit ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen nachgehen können.

Sachlage

Präsident Horacio Cartes hat einem Journalisten-Ehepaar, Menchi Barriocanal und Óscar Acosta, mit Haft gedroht. Bei einer Veranstaltung in Ciudad del Este am 23. Juni warf er ihnen fälschlicherweise Anstiftung zur Gewalt während Demonstrationen im März vor.

Menchi Barriocanal und Óscar Acosta, zwei paraguayische Journalist_innen, hatten im März 2017 einen vom Präsidenten unterstützten parteiübergreifenden Versuch, die Verfassung zugunsten einer Wiederwahl abzuändern, aufgedeckt. Die Veröffentlichung dieses Vorhabens führte zu allgemeiner Empörung und viele Leute demonstrierten auf den Straßen. Die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen. Das Kongressgebäude wurde in Brand gesetzt und die Bilanz des ersten Protesttages waren ein Toter, Dutzende von Verletzten und mehr als 200 Festnahmen. Schon zu Beginn der Proteste beschuldigten Vertreter_innen der Regierungspartei (Partido Colorado) Menchi Barriocanal und Óscar Acosta alsbald in der Öffentlichkeit, die Proteste angeregt und zur Gewalt aufgerufen zu haben, obwohl die beiden lediglich über die versuchte Verfassungsänderung durch den Kongress berichtet hatten.

Am Abend des 23. Juni wandte sich Präsident Horacio Cartes bei einer offenen Kundgebung an die Öffentlichkeit und setzte die Vorwürfe gegen Menchi Barriocanal und Óscar Acosta fort. Er sagte: "Es gibt da ein Ehepaar, das, wenn der Gerechtigkeit Genüge getan würde, bei Stiben Patrón säße." Damit bezog er sich auf einen Aktivisten einer oppositionellen Partei, der vor drei Wochen inhaftiert wurde. Er wurde in Verbindung mit einigen Vorfällen während der Proteste angeklagt. Seit März sind außerdem Schikanierungen gegen Medienschaffende verzeichnet worden, welche das Vorgehen der Regierung während der Proteste kritisiert hatten. Die drei größten Journalistenverbände des Landes haben den Generalstaatsanwalt aufgerufen, diese Angriffe zu untersuchen, doch bisher gibt es keine Hinweise auf die Aufnahme von Ermittlungen.

Am 27. Juni erwähnte Präsident Cartes erneut die Namen von Menchi Barriocanal und Óscar Acosta in der Öffentlichkeit. Diesmal legte er nahe, dass sie irreführende Berichte über die politische Situation in Paraguay veröffentlichen. Amnesty International befürchtet, dass diese Einschüchterungen und Beschuldigungen gegen Journalist_innen auf ein ganzes System der Unterdrückung hindeuten, das Journalist_innen, andere Medienschaffende und Menschenrechtsverteidiger_innen gefährdet und ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit ohne Diskriminierung, Verfolgung oder Angst vor Vergeltungsmaßnahmen verletzt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Artikel 229 der paraguayischen Verfassung legt fest, dass weder der Präsident noch der Vizepräsident wiedergewählt werden dürfen. Diese Bedingung führt dazu, dass der derzeitige Präsident Horacio Cartes nach 2018 nicht mehr im Amt bleiben kann.

Nachdem Journalist_innen ein geheimes Treffen von 25 Senator_innen enthüllt hatten, die einen Gesetzesentwurf zur Änderung der Verfassung bewilligen wollten, um eine Wiederwahl des Präsidenten am 31. März zu ermöglichen, protestierten viele Menschen auf den Straßen, stürmten das Kongressgebäude, legten Feuer und zerschlugen Türen und Fenster. In diesem Zusammenhang dokumentierte Amnesty International einige Menschenrechtsverletzungen, darunter der Tod des oppositionellen Aktivisten Rodrigo Quintana. Er wurde durch ein Gummigeschoss der Polizei getötet, als diese die Büros verschiedener Parlamentarier_innen der Opposition stürmte. Zudem wurden dutzende Personen verletzt, es gab über 200 Festnahmen und örtliche Organisationen erhielten Berichte über Folter und Misshandlungen. Der Verband paraguayischer Journalist_innen (Sindicato de Periodistas del Paraguay), das Forum von Journalist_innen aus Paraguay (Foro de Periodistas Paraguayos) und eine Vereinigung von Reporter_innen (Asociación de Reporteros Gráficos) berichteten, dass mehr als 23 Reporter_innen während der Berichterstattung bei den Protesten verletzt wurden. Viele weitere wurden drangsaliert, während sie über die versuchte Verfassungsänderung und die Reaktion der Regierung auf die Demonstrationen berichteten.

Internationale Menschenrechtsinstitutionen haben immer wieder Beschränkungen der Meinungsfreiheit und den fehlenden Schutz für Menschenrechtsverteidiger_innen in Paraguay bemängelt. Paraguay hat es seit 1991 nicht dafür gesorgt, dass der Tod von 17 Journalist_innen aufgeklärt wird. Zudem ist ein Ende 2016 dem Kongress vorgelegter Gesetzesentwurf mit dem Ziel, Schutzmechanismen für Journalist_innen, andere Medienschaffende und Menschenrechtler_innen zu schaffen, bis heute von den Kongressmitgliedern nicht einmal debattiert worden.