Menschenrechtsverteidigerin und Aktivist in Haft

Portrait Patrick George Zaki

Patrick George Zaki

Die Menschenrechtsverteidigerin und gewaltlose politische Gefangene Mahienour El-Masry wurde am 18. November gemeinsam mit ihrem Kollegen, dem Aktivisten Moataseem Medhat, in Untersuchungshaft genommen. Bei einer Verurteilung drohen den beiden bis zu fünf Jahren Haft, unter anderem wegen der "Teilnahme an einer unerlaubten Protestveranstaltung".

Appell an

Präsident

Abdel Fattah al-Sisi

Office of the President, Al Ittihadia Palace

Cairo, ÄGYPTEN

Sende eine Kopie an

Stellvertretende Beauftragte für Menschenrechte im Außenministerium

Laila Bahaa Eldin

Ministry of Foreign Affairs

Corniche al-Nil

Cairo, ÄGYPTEN

Fax: (00 202) 2 574 9713

E-Mail: Contact.US@mfa.gov.eg


Twitter: @MfaEgypt

Botschaft der arabischen Republik Ägypten

S.E. Herr Badr Ahmed Mohamed Abdelatty


Stauffenbergstraße 6-7

10785 Berlin

Fax: 030-477 1049

E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

 

Amnesty fordert:

  • Bitten lassen Sie Mahienour El-Masry und Moatassem Medhat umgehend und bedingungslos frei, da sie lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit festgenommen wurden.
  • Lassen Sie bitte außerdem die Anklagen gegen Mahienour El-Masry, Moataseem Medhat sowie Asmaa Naem, Waleed El-Amry und Ziad Abu El-Fadl fallen.
  • Ändern Sie bitte die Demonstrationsgesetze 107/2013 und 10/1914, sodass sie die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit adäquat schützen.

Sachlage

Am 18. November ordnete das Gericht für geringfügige Vergehen des Bezirks Montazah von Alexandria – der zweitgrößten Stadt Ägyptens – die Inhaftierung von Mahienour El-Masry und Moataseem Medhat bis zum 30. Dezember an. An diesem Tag wird das Urteil in dem gegen sie laufenden Verfahren erwartet. Die Festnahmen erfolgten nach friedlichen Protesten, die am 14. Juni 2016 von Aktivist_innen aus ganz Ägypten organisiert worden waren. Diese richteten sich gegen die Entscheidung der ägyptischen Regierung, die beiden Inseln Tiran und Sanafir an Saudi-Arabien zu übergeben. Die Anklagen gegen Mahienour El-Masry und Moataseem Medhat sowie drei weitere Aktivist_innen – Asmaa Naem, Waleed El-Amry und Ziad Abu El-Fadl – lauten auf "Teilnahme an einer unerlaubten Protestveranstaltung", "Machtdemonstration" und "Präsidentenbeleidigung". Bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu fünf Jahren Haft, gefolgt von einer fünfjährigen Bewährungsstrafe.

Am 18. November erschienen nur Mahienour El-Masry und Moataseem Medhat vor Gericht. Der Richter vertagte den Prozess auf den 30. Dezember und ordnete bis dahin die Inhaftierung von Mahienour El-Masry und Moataseem Medhat an. Mahienour El-Masry ist momentan im Frauengefängnis Qanater im Norden von Kairo inhaftiert. Amnesty International ist der Ansicht, dass die Vorwürfe gegen die fünf Aktivist_innen haltlos sind. Die Organisation betrachtet Mahienour El-Masry und Moataseem Medhat als gewaltlose politische Gefangene, die lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert sind.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Alle fünf Aktivist_innen protestierten am 14. Juni 2016 in Alexandria friedlich gegen die Entscheidung der ägyptischen Regierung, die beiden Inseln Tiran und Sanafir an Saudi-Arabien zu übergeben. Die Sicherheitskräfte nahmen an diesem Tag niemanden fest. Trotzdem erhob die Staatsanwaltschaft des Bezirks Montazah von Alexandria Anklage gegen die fünf Aktivist_innen wegen "Teilnahme an einer unerlaubten Protestveranstaltung", "Machtdemonstration" und "Präsidentenbeleidigung" und verwies diese dann an das Gericht für geringfügige Vergehen desselben Bezirks. Der erste Verhandlungstag war zunächst auf den 19. September angesetzt, wurde dann jedoch auf den 17. Oktober und schließlich auf den 18. November vertagt.

Zwischen April und September 2017 nahmen die Sicherheitskräfte mindestens 240 politische Aktivist_innen fest. Die Vorwürfe reichen von Online-Redebeiträgen, die als "Beleidigung" des Präsidenten eingestuft werden, bis zur Teilnahme an unerlaubten Protestveranstaltungen. Die meisten Urteile erfolgten nach den Demonstrationsgesetzen 107/2013 und 10/1914.

Das im November 2013 erlassene Demonstrationsgesetz 107/2013 räumt dem Innenministerium freie Verfügungsgewalt über den Umgang mit friedlichen Demonstrationen ein. Außerdem hält es die Organisator_innen von Zusammenkünften von über zehn Personen an, ihre vollständigen Pläne mindestens drei Tage vorher beim Innenministerium einzureichen. Das Gesetz befugt das Ministerium zudem, eine Demonstration abzusagen oder den Routenverlauf abzuändern. Eine solche Änderung der Strecke müsste allerdings vorher wiederum vom Innenministerium selbst genehmigt werden; dies steht im Widerspruch zum Völkerrecht und internationalen Standards. Daneben ermächtigt das Gesetz die Sicherheitskräfte, gegen Demonstrierende Gewalt einzusetzen, wenn angenommen werden kann, "dass sie eine Straftat begangen haben", was zum Gebrauch unnötiger und übermäßiger Gewalt führen kann. Verurteilten Demonstrierenden drohen Haftstrafen bis zu fünf Jahren und Geldstrafen von bis zu 100.000 Ägyptischen Pfund (umgerechnet etwa 4.800 Euro).

Das Versammlungsgesetz 10/1914 ist das älteste Gesetz, das in Ägypten in Kraft ist. Es sieht empfindliche Strafen vor, falls im Rahmen friedlicher Versammlungen Straftaten begangen werden. Diese sind jedoch sehr unklar definiert und umfassen beispielsweise Verstöße gegen die öffentliche Ordnung oder Ruhestörung. Kommt eine Sachbeschädigung hinzu, drohen bis zu 25 Jahre Haft.

Das Demonstrationsgesetz 107/201 sieht nach einer Inhaftierung noch eine Bewährungsstrafe vor. Amnesty International hat den Einsatz von Bewährungsstrafen in Ägypten dokumentiert, der einem Freiheitsentzug gleichkommt. Weitere Informationen dazu finden Sie in dem englischsprachigen Beitrag Punitive probation measures latest tactic used to harass activists unter: www.amnesty.org/en/latest/news/2017/03/egypt-punitive-probation-measure….

Mahienour El-Massry ist eine bekannte Menschenrechtsanwältin in Alexandria. Dort setzt sie sich entschieden für die Rechte von Arbeiter_innen, Frauen und Flüchtlingen ein. Im Jahr 2014 war sie bereits wegen der Ausübung ihres Rechts auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit inhaftiert. Während ihrer Haft verlieh man ihr den angesehenen internationalen Ludovic-Trarieux-Menschenrechtspreis. Dieser wird jährlich an Rechtsanwält_innen vergeben, die sich für Menschenrechte engagieren.

Im Februar 2015 wurde Mahienour El-Massry wegen "illegaler Versammlung", "Beschädigung von Polizeieigentum", "Gewalt gegen Sicherheitskräfte" und "Stören der öffentlichen Ordnung" zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Strafe wurde von einem Berufungsgericht am 11. Mai 2015 auf ein Jahr und drei Monate verkürzt. Sie wurde angeklagt, nachdem sie am 29. März 2013 an einer Demonstration vor der Polizeiwache Al-Raml in Alexandria teilgenommen hatte. Der Protest fand in Solidarität mit Anwält_innen statt, die in der Polizeiwache festgehalten und verhört wurden, nachdem sie Polizeibeamt_innen beschuldigt hatten, sie verbal und tätlich angegriffen zu haben. Mahienour El-Massry wurde am 13. August 2016 nach Ableisten ihrer fünfzehnmonatigen Haftstrafe freigelassen.