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Konstruierte Anklagen gegen Menschenrechtlerinnen

Häuser einer afrokolumbianischen Siedlung in Chocó, Kolumbien
© Amnesty International
Sara Quiñonez und ihre Mutter Tulia María Valencia sind Gemeindesprecherinnen im Verwaltungsbezirk Tumaco im Departamento Valle del Cauca und setzen sich für die Menschenrechte der Bewohner_innen der afrokolumbianischen Gemeinschaft in Alto Mira y Frontera ein. Ende April sind die beiden Frauen rechtswidrig inhaftiert worden. Man wirft ihnen Straftaten zur Last, die sie nicht begangen haben.
Appell an
Präsident
Señor Juan Manuel Santos
Palacio de Nariño, Carrera 8 No.7-26 Bogotá
KOLUMBIEN
Sende eine Kopie an
Büro der Staatsanwaltschaft
Carrera 5 # 15-8
Bogotá D.C.
KOLUMBIEN
E-Mail: procurador@procuraduria.gov.co
Fax: (00 57) 1 587 8750
Botschaft der Republik Kolumbien
I.E. Frau María Elvira Pombo Holguin
Taubenstr. 23, 10117 Berlin
Fax: 030-2639 6125
E-Mail: ealemania@cancilleria.gov.co
Amnesty fordert:
- Ich bitte Sie, Sara Quiñonez und Tulia María unverzüglich freizulassen und keine Anklagen ohne ausreichende Beweislast gegen sie zu erheben, mit dem Ziel, sie unter Druck zu setzen und ihnen ein faires Gerichtsverfahren zu verwehren.
- Bitte stellen Sie sicher, dass das Strafrechtssystem nicht missbraucht wird, um Menschenrechtsverteidiger_innen anzugreifen und zu schikanieren, und dass strafrechtliche Ermittlungen nur dann eingeleitet werden, wenn es Gründe und ausreichende Beweise gibt.
- Bitte setzen Sie die Schutzmaßnahmen, welche Sara Quiñonez und dem Gemeinderat bereits zugesichert wurden, angemessen um und stellen Sie afrokolumbianischen Menschenrechtsverteidigerinnen an der Pazifikküste von Kolumbien umfassende Maßnahmen zu ihrem Schutz bereit. Diese Maßnahmen sollen in Übereinstimmung mit ihren Wünschen sein und sicherstellen, dass sie ihre Menschenrechtsarbeit ohne Angst um ihre persönliche Sicherheit fortsetzen können.
Sachlage
Am 23. April wurden Sara Quiñonez und ihre Mutter Tulia Valencia in Cali, der Hauptstadt des Departamento Cali, festgenommen. Gegen die beiden Gemeindesprecherinnen ist Anklage wegen "Rebellion" und "schwerwiegender Verschwörung, ein Verbrechen zu begehen" erhoben worden. Derzeit werden sie im bundesstaatlichen Gefängns von Jamundí in der Nähe von Cali festgehalten. Der afrokolumbianischen Menschenrechtsorganisation "Proceso de Comunidades Negras" (PCN) zufolge sind die Anklagen gegen Sara Quiñonez und Tulia Valencia haltlos, da sie weder Mitglieder einer Guerillagruppe sind, noch an den ihnen zur Last gelegten Straftaten beteiligt waren. PCN berichtete außerdem, dass das bisherige Verfahren gegen die beiden Frauen wegen ihrer afrikokolumbianischen Abstammung und ihrer Rolle als Menschenrechtsverteidigerinnen unfaire und diskriminierende Merkmale aufwies.
Sara Quiñonez ist Vorsitzende des Gemeinderats der afrokolumbianischen Gemeinschaft Alto Mira y Frontera. Sie ist eine Menschenrechtsverteidigerin, die für die Landrechte ihrer Gemeinschaft kämpft. Die Bewohner_innen von Alto Mira y Frontera werden von zahlreichen bewaffneten Akteuren bedroht, welche versuchen, die Kontrolle über ihre Gebiete zu erlangen – insbesondere über die Kokafelder. Auch die Mutter, Tulia Valencia, ist eine bekannte Gemeindesprecherin, die sich mit großem Engagement dem Schutz der individuellen und kollektiven Rechte ihrer Gemeinde widmet. Beide Frauen leben in Cali, nachdem sie nach der Ermordung zweier anderer Gemeindesprecher_innen gezwungen waren, ihre Heimatorte zu verlassen. Die PCN befürchtet, dass das Leben und die Sicherheit weiterer afrokolumbianischer Menschenrechtsverteidigerinnen an der Pazifikküste Kolumbiens gefährdet sind, da es maßgeblich diese Frauen sind, die ihren Gemeinschaften eine Stimme geben und deshalb ins Visier der Behörden geraten.
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hat im März 2018 dem Vorstand des Gemeinschaftsrats von Alto Mira y Frontera, einschließlich Sara Quiñonez, Schutzmaßnahmen zugesichert. Dieser Antrag folgte auf Berichte über Gewalt im Departamento Nariño, insbesondere im Verwaltungsbezirk San Andrés de Tumaco, und die Ermordung des Gemeindesprechers José Jair Cortés am 17. Oktober 2017. Sara Quiñonez erhielt außerdem von der zum Schutz gefährdeter Personen eingerichteten Behörde Unidad Nacional de Protección (UNP) aufgrund der Gefahr, der sie als Gemeindesprecherin ausgesetzt ist, Schutzmaßnahmen.
Hintergrundinformation
Der Gemeinderat von Alto Mira y Frontera wird seit Jahrzehnten von paramilitärischen Gruppierungen, Guerillagruppen, Drogenhändler_innen, Soldat_innen und multinationalen Unternehmen mit Gewalt und Enteignung konfrontiert. Sara Quiñonez war zunächst Vorsitzende, später stellvertretende Vorsitzende dieses Gemeinderats. Auch Tulia Valencia ist eine bekannte Sprecherin der Frauengruppe und verschiedener Ausschüsse des Gemeinderats.
Am 6. Oktober 2017 berichtete Amnesty International, dass in Tumaco im Südwesten Kolumbiens neun Angehörige kleinbäuerlicher Gemeinschaften (campesinos) getötet und mehr als ein Dutzend verletzt worden waren – mutmaßlich von Angehörigen der kolumbianischen Armee und Polizei. Angehörige der kolumbianischen Sicherheitskräfte eröffneten willkürlich das Feuer auf friedlich Protestierende der kleinbäuerlichen Gemeinschaften von Alto Mira y Frontera. Die Gemeinschaften demonstrierten gegen die zögerliche Umsetzung eines Programms, das der in Armut lebenden Bevölkerung die Möglichkeit bietet, den Anbau von Koka freiwillig aufzugeben und stattdessen mithilfe staatlicher Förderung legale Feldfrüchte anzubauen. Das Programm war im Friedensvertrag zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC-Rebellen im November 2016 vereinbart worden. Es ist somit für die Behörden offensichtlich, dass die Zivilbevölkerung während der Umsetzung des Friedensabkommens Schutz benötigt.
Seit dem 28. September 2017 protestieren die kleinbäuerlichen Gemeinschaften von Alto Mira y Frontera friedlich gegen die aktuelle Strategie der Regierung, den Anbau illegaler Feldfrüchte zu reduzieren. Den Demonstrierenden zufolge kommen die Behörden den Vereinbarungen des Friedensvertrags nicht nach, in denen es heißt, dass sämtliche Aktionen nur freiwillig und mit Zustimmung der Betroffenen durchgeführt werden können.
Das Gebiet Tumaco hat eine der größten Koka-Anbauflächen in Kolumbien. Riesige Kokafelder liegen in Alto Mira. Folglich rückt es auch in den Fokus des Programms für den freiwilligen Rückbau. Dennoch ist – ebenso wie in anderen Gegenden der Region – der Fortschritt des Friedensvertrags nur langsam erkennbar, und die ländlichen Gemeinden befürchten, dass die Regierung ihre fundamentalen Rechte nicht ausreichend berücksichtigen oder ihnen keine alternativen Entwicklungsmöglichkeiten bieten wird.