Jemen: Journalist zu vier Jahren Haft verurteilt

Die Illustration zeigt eine Videokamera auf einem Stativ neben Stacheldraht vor der Flagge des Jemens.

Der Jemen ist eines der gefährlichsten Länder für Medienschaffende weltweit.

Am 28. Mai 2024 verurteilte das Sonderstrafgericht in Aden den Journalisten Ahmad Maher nach einem grob unfairen Verfahren zu vier Jahren Gefängnis. Ahmad Maher war wegen der Verbreitung falscher und irreführender Nachrichten sowie Unterlagenfälschung angeklagt worden. Er wurde am 6. August 2022 durch Sicherheitskräfte der De-facto-Behörden des Südübergangsrats festgenommen. Bei Verhören auf dem Polizeirevier von Dar Sa'ad wurde er von Sicherheitskräften gefoltert und anderweitig misshandelt. So wollte man ihn dazu bringen, zu "gestehen", an einem Überfall auf das Revier im März 2022 beteiligt gewesen zu sein. Ahmad Maher wurde der Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung verweigert, auch für die Verletzungen, die er durch die Folter erlitten hat. Außerdem wurde ihm die Rechte auf eine angemessene Verteidigung, auf Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl und auf die Unschuldsvermutung sowie das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, verweigert, wodurch seine Inhaftierung willkürlich ist.

Appell an

Präsident des Südübergangsrats
Major General Aidaros Alzubidi
c/o Botschaft der Republik Jemen
Schmidt-Ott-Str. 7
12165 Berlin 
Fax: 030 – 89 73 05 62
E-Mail: info@botschaft-jemen.de

Sende eine Kopie an

Präsident des Südübergangsrats
Major General Aidaros Alzubidi
Twitter/X: @AidrosAlzubidi

Sachlage

Der Journalist Ahmad Maher wurde vom Sonderstrafgericht in Aden zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Angaben eines Familienmitglieds wurde Ahmad Maher in einer Anhörung, die nur fünf Minuten dauerte, Unterlagenfälschung sowie die mutmaßliche Verbreitung falscher und irreführender Nachrichten vorgeworfen – ein Tatbestand, der vom Völkerrecht nicht anerkannt wird. 

Am 6. August 2022 verschafften sich Sicherheitskräfte des Polizeireviers von Dar Sa'ad ohne Durchsuchungsbeschluss Zutritt zum Haus von Ahmad Maher im Stadtteil Dar Sa'ad von Aden, schlugen ihn mit ihren Gewehrkolben und griffen anwesende Familienmitglieder an. Nach seiner Festnahme wurde der Journalist über einen Monat lang auf der Polizeiwache von Dar Sa'ad festgehalten. Während dieser Zeit wurde ihm der Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand verwehrt. Einem*r Familienangehörigen zufolge wurde Ahmad Maher täglich gefoltert und anderweitig misshandelt, unter anderem durch Schläge, Waterboarding, Elektroschocks und Scheinhinrichtungen. Darüber hinaus drohten die Sicherheitskräfte damit, seiner Familie, einschließlich seiner Frau und seiner kleinen Tochter, etwas anzutun, um ihn dazu zu bringen, seine Beteiligung an einem Überfall auf die Polizeiwache von Dar Sa'ad im März 2022 zu gestehen. Bei einer Anhörung vor dem Sonderstrafgericht am 6. März 2023 sagte er aus, gefoltert worden zu sein und sein "Geständnis" unter Zwang abgegeben zu haben. Das Gericht ordnete jedoch keine Untersuchung der Foltervorwürfe an. Bisher hat Ahmad Maher keinen Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten, auch nicht für Verletzungen im Nabelbereich, die er infolge der Folter erlitt. 

Im Dezember 2022 begann der Prozess gegen Ahmad Maher wegen mutmaßlicher Verbreitung falscher und irreführender Nachrichten sowie Unterlagenfälschung vor dem Sonderstrafgericht in Aden. Gemeinsam mit einigen weiteren Inhaftierten wird ihm vorgeworfen, im März 2022 einen Überfall auf die Polizeiwache von Dar Sa'ad verübt zu haben, obwohl die Staatsanwaltschaft nach Angaben seines Rechtsbeistands keinerlei Beweise für die Beteiligung von Ahmad Maher vorgelegt hat. Seine Anhörungen wurden mehrmals verschoben, und ihm wurde während seiner gesamten Inhaftierung der Zugang zu einem Rechtsbeistand verweigert.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 4. September 2022 veröffentlichte die Polizeiwache von Dar Sa'ad ein Video, das in den Sozialen Medien geteilt und von nationalen Nachrichtenmedien ausgestrahlt wurde. In dem Video, das von Amnesty International analysiert wurde, ist zu sehen, wie Ahmad Maher sich scheinbar zu Straftaten bekennt, darunter zur Fälschung von Ausweispapieren für Militärangehörige und zur Mitwisserschaft über Mordkomplotte gegen zwei Militärgeneräle des Südübergangsrats (Southern Transitional Council – STC). Seinem Rechtsbeistand zufolge wurde das Video nicht von der Staatsanwaltschaft beantragt und auch nicht in deren Beisein aufgenommen. Es verstößt gegen sein Recht auf Unschuldsvermutung. Wenige Tage nach der Veröffentlichung des Videos wurde Ahmad Maher auf dem Polizeirevier von Dar Sa'ad von einem Angehörigen der Staatsanwaltschaft verhört. Dabei waren auch Sicherheitskräfte anwesend, die nach Angaben der Familie des Journalisten an seiner Folterung beteiligt waren. Bei dieser Vernehmung zog Ahmad Maher sein "Geständnis" zurück und erklärte, es sei unter Zwang erfolgt, und bat um medizinische Behandlung. Die Staatsanwaltschaft forderte den Leiter des Polizeireviers auf, dies zu ermöglichen, was jedoch abgewiesen wurde. Am 15. September 2022 wurde Ahmad Maher in das Bir-Ahmad-Gefängnis verlegt, wo er weiterhin festgehalten wird. 

Am 16. November 2023 wurde der Rechtsbeistand von Ahmad Maher, Sami Yassin, von Sicherheitskräften des STC tätlich angegriffen und willkürlich festgenommen. Er befand sich gerade auf dem Heimweg von seiner Arbeit beim Obersten Justizrat und der Justizinspektion in Khormaksar im Gouvernement Aden. Nach seiner Festnahme wurde er von Sicherheitskräften fast vier Monate im Militärlager al-Nasr festgehalten, einer offiziellen Haftanstalt unter dem Kommando der Sicherheitskräfte im "Sicherheitsgürtel". Aus an die Öffentlichkeit gelangten Briefen von Sami Yassin geht hervor, dass er während seiner Inhaftierung gefoltert und in Einzelhaft gehalten wurde. Während seiner gesamten Inhaftierung wurde er ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten, und man verweigerte ihm die Rechte auf Kontakt mit seiner Familie und Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl. Am 6. März 2024 wurde er ins Bir-Ahmad-Gefängnis im Gouvernement Aden verlegt, wo er sich bis heute befindet. Es besteht große Sorge um seinen Gesundheitszustand. Sami Yassins Bruder, der auch zu seinen Rechtsbeiständen gehört, teilte Amnesty International mit, dass Sami Yassin wiederholt von Sicherheitskräften des STC und Angehörigen der Justizbehörde wegen seiner Arbeit bedroht wurde, u. a. weil er sich weiter für Ahmad Maher einsetzte, sowie den Fall eines Häftlings weiter verfolgte, der im Juni 2023 in Gewahrsam starb. 

Alle Konfliktparteien im Jemen begehen schwere Menschenrechtsverstöße wie z. B. willkürliche Inhaftierung, Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren. Im November 2023 berichtete die UN-Expert*innengruppe zum Jemen, dass Journalist*innen und Aktivist*innen, die öffentlich den Südübergangsrat kritisieren, von Kräften, die diesem nahestehen, inhaftiert, bedroht und dem Verschwindenlassen unterworfen werden, um sie so dazu zu bringen, "Geständnisse" zu unterschreiben bzw. abzugeben. Die Expert*innengruppe dokumentierte auch die systematische Folterung von Gefangenen in offiziellen und geheimen Gefängnissen durch dem Südübergangsrat nahestehende Kräfte. 

Im Juli 2018 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht über Fälle des Verschwindenlassens und Menschenrechtsverstöße in Gewahrsam durch Sicherheitskräfte, die von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt werden, u. a. Angehörige des "Sicherheitsgürtels" im Süden des Jemen. Viele der Festnahmen schienen auf haltlosen Verdächtigungen und persönlichen Fehden zu basieren. In Visier gerieten u. a. ehemalige Kämpfer, die das Militärbündnis 2015 bei der Bekämpfung der Huthis im Süden des Jemen unterstützt hatten, dann aber als Bedrohung wahrgenommen wurden; Sympathisant*innen und Mitglieder der mit dem entmachteten Präsidenten Hadi verbündeten al-Islah-Partei, des jemenitischen Zweigs der Muslimbruderschaft; sowie Aktivist*innen und Kritiker*innen des Militärbündnisses.