Israel/OPT: Palästinensischer Arzt in Haft gefoltert

Diese Urgent Action ist beendet.

Am 30. September 2024 wurde der palästinensische Chirurg Khaled Al Serr aus israelischer Haft entlassen, nachdem er mehr als sechs Monate ohne Anklage oder Gerichtsverfahren, davon die Hälfte in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt, verbracht hatte. Grundlage seiner Inhaftierung war das umstrittenen Gesetz über ungesetzliche Kombattanten.  

Das Bild zeigt das Porträtbild eine Mannes

Der palästinensische Chirurg Dr. Khaled Al Serr vor dem Nasser-Krankenhaus im Gazastreifen (Aufnahme vom 20. Januar 2018)    

Am 25. März 2024 wurde der palästinensische Chirurg Dr. Khaled Al Serr zusammen mit anderem medizinischem Personal von der israelischen Armee im Nasser-Krankenhaus in Khan Yunis im Süden des besetzten Gazastreifens festgenommen. Bis zum 4. Juli 2024 war nichts über sein Schicksal oder seinen Aufenthaltsort bekannt. Er wird im Rahmen des Gesetzes über ungesetzliche Kombattanten ohne Anklage oder Gerichtsverfahren im Militärgefängnis Ofer im besetzten Westjordanland festgehalten. Wie Khaled Al Serr berichtete, wurde er gefoltert und erniedrigt und erhält keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung.

Appell an

(kein Postversand möglich)

Brig. Gen. Yifat Tomer Yerushalmi
Military Advocate General
Israel Defence Forces

Sende eine Kopie an

Botschaft des Staates Israel
S.E. Herrn Ron Prosor
Auguste-Viktoria-Straße 74-76
14193 Berlin
Fax: 030– 8904-5555
E-Mail: botschaft@israel.de

Amnesty fordert:

Sachlage

Der palästinensische Chirurg Dr. Khaled Al Serr wird aktuell unter dem Gesetz über ungesetzliche Kombattanten (Unlawful Combatants Law) ohne Anklage oder Verfahren im Militärgefängnis Ofer im besetzten Westjordanland festgehalten. Er hat dort keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung.

Dr. Khaled Al Serr wurde am 25. März nach einer Durchsuchung des Nasser-Krankenhauses in Khan Younis im Süden des besetzten Gazastreifens zusammen mit anderen Krankenhaus-Mitarbeiter*innen von der israelischen Armee festgenommen. Mehr als drei Monate hielten die israelischen Behörden seinen Verbleib geheim und inhaftierten ihn unter Bedingungen, die dem Verschwindenlassen gleichkommen. Nach einer Suchanfrage der Menschenrechtsorganisation HaMoked gab das israelische Militär am 4. Juli 2024 den Aufenthaltsort von Dr. Khaled Al Serr bekannt. Am 23. Juli 2024 wurde ihm der erste und bisher einzige Besuch seines Rechtsbeistandes gestattet.

Wie Khaled Al Serr seinem Rechtsbeistand berichtete, war er vom ersten Tag seiner Haft an verschiedenen Formen von Folter und Erniedrigung ausgesetzt, darunter Schläge und körperliche Angriffe, unaufhörliche Beschimpfungen, Tritte am gesamten Körper sowie Schläge mit Gewehrkolben auf Brust, Rücken und ins Gesicht. In der gesamten Zeit hatte er keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung. Zudem wurde er am Tag seiner Festnahme im Nasser-Krankenhaus gezwungen, stundenlang vollständig nackt zu bleiben. Khaled Al Serr und andere Gefangene wurden in den ersten fünf Tagen nach der Festnahme in einem Privathaus in Gaza festgehalten. In dieser Zeit wurde er seinen Angaben zufolge regelmäßig von Soldat*innen misshandelt. Anschließend brachte man ihn in das militärische Gefangenenlager Sdé Teiman, wo er nur einmal verhört wurde. Mitte Juni wurde er schließlich in das Militärgefängnis Ofer im besetzten Westjordanland verlegt, wo er sich nach wie vor ohne Anklage oder Verfahren befindet. Er leidet an chronischen Unterleibsschmerzen und Übelkeit. Trotz wiederholter Bitten verweigern ihm das israelische Militär und der israelische Gefängnisdienst den Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung. Khaled Al Serr wurde nicht nur selbst gefoltert, sondern berichtete auch, Zeuge von Folter, einschließlich sexualisierter Gewalt, an anderen Gefangenen geworden zu sein.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 25. März 2024 wurde Dr. Khaled Al Serr, ein 32-jähriger palästinensischer Chirurg aus dem besetzten Gazastreifen, zusammen mit anderen Mitarbeiter*innen im Nasser-Krankenhaus in Khan Yunis im Süden des Gazastreifens von Angehörigen der israelischen Armee festgenommen. Drei Monate lang versuchte seine Familien vergeblich, etwas über seinen Verbleib zu erfahren. Erst am 4. Juli wurde sein Aufenthaltsort nach einer Anfrage durch die israelische Menschenrechtsorganisation HaMoked bekanntgegeben. Khaled Al Serr wird aktuell im Rahmen des Gesetzes über ungesetzliche Kombattanten ohne Anklage oder Gerichtsverfahren im Militärgefängnis Ofer im besetzten Westjordanland festgehalten. Seine Haftanordnung wurde von einem Richter in einer telefonisch abgehaltenen Anhörung ohne Anwesenheit eines Rechtsbeistandes bestätigt, und zwar auf der Grundlage von Informationen, die Khaled Al Serr nicht mitgeteilt wurden. Am 23. Juli 2024 erhielt Khaled Al Serr zum ersten und bisher einzigen Mal Besuch von einem Rechtsbeistand, der ihm von der NGO Physicians for Human Rights Israel zur Verfügung gestellt wurde.

Wie Khaled Al Serr seinem Rechtsbeistand berichtete, war er vom ersten Tag seiner Haft an verschiedenen Formen von Folter und Erniedrigung ausgesetzt, darunter Schläge und körperliche Angriffe, unaufhörliche Beschimpfungen, Tritte am gesamten Körper sowie Schläge mit Gewehrkolben auf Brust, Rücken und ins Gesicht. In der gesamten Zeit hatte er keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung. Zudem wurde er am Tag seiner Festnahme im Nasser-Krankenhaus gezwungen, stundenlang vollständig nackt zu bleiben. Khaled Al Serr und andere Gefangene wurden in den ersten fünf Tagen in einem Privathaus in Gaza festgehalten. In dieser Zeit wurde er regelmäßig von Soldat*innen misshandelt.

Die israelischen Streitkräfte verweigern Khaled Al Serr sein Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, haben keine stichhaltige Gründe für seine Festnahme vorgelegt, ihn willkürlich inhaftiert und mehr als drei Monate lang verschwinden lassen, sie setzten ihn Folter und anderen Misshandlungen aus und verweigerten ihm eine angemessene medizinische Versorgung. Damit haben sie schwere Verstöße gegen das Völkerrecht, darunter auch Kriegsverbrechen, begangen. 

Nach den Angriffen der Hamas vom 7. Oktober 2023 griffen die israelischen Behörden zum ersten Mal seit fünf Jahren auf das Gesetz über ungesetzliche Kombattanten (Unlawful Combatants Law) zurück, um zunächst mutmaßliche Beteiligte an den Anschlägen vom 7. Oktober und später dann Tausende von Personen, die bei Bodenoperationen im Gazastreifen festgenommen worden waren, zu inhaftieren. Bei vielen der Festgenommenen handelte es sich um Zivilpersonen, darunter im Gesundheitswesen Beschäftigte, Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Menschen mit Behinderungen. Das Gesetz, das es ermöglicht, Palästinenser*innen aus dem besetzten Gazastreifen über einen längeren Zeitraum ohne Anklage oder Gerichtsverfahren zu inhaftieren, ohne stichhaltige Gründe für ihre Festnahme vorzulegen und ohne dass sie die Gründe für ihre Inhaftierung anfechten können, bietet keine Mindestgarantien gegen eine unbefristete und willkürliche Inhaftierung. Zudem leistet dieses Gesetz Folter und anderen Misshandlungen Vorschub und institutionalisiert unter bestimmten Umständen das Verschwindenlassen. Folter und andere Misshandlungen sowie das Verschwindenlassen sind Verbrechen unter dem Völkerrecht und Kriegsverbrechen in Situationen des bewaffneten Konflikts und der Besatzung. Die willkürliche Inhaftierung bei einem bewaffneten Konflikt und einer Besatzung ist ein Kriegsverbrechen. Derartige Handlungen können, wenn sie im Rahmen eines umfassenden oder systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung erfolgen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs darstellen. Mit Stand 6. September 2024 waren 9.900 Palästinenser*innen aus "Sicherheitsgründen" in israelischen Gefängnissen und Haftanstalten inhaftiert. Von diesen "Sicherheitsgefangenen" sind 1.612 Palästinenser*innen aus dem Gazastreifen nach wie vor unter dem israelischen Gesetz über ungesetzliche Kombattanten inhaftiert und 3.323 Personen, fast alle von ihnen Palästinenser*innen, befinden sich, ebenfalls ohne Anklage oder Gerichtsverfahren, in Verwaltungshaft. Das bedeutet, das mehr als die Hälfte der Palästinenser*innen, die als "Sicherheitsgefangene" festgehalten werden, ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft sind. Willkürlicher Freiheitsentzug ist ein wichtiges Instrument, mit dem Israel sein Apartheidsystem gegenüber den Palästinenser*innen durchsetzt. 

Die zahlreichen Festnahmen von medizinischem Personal aus dem Gazastreifen ist Teil der anhaltenden israelischen Angriffe auf das Gesundheitssystem und die Infrastruktur in Gaza. Im Gesundheitswesen Beschäftigte müssen aufgrund von Militäroperationen und der Blockade einer angemessenen Versorgung mit medizinischem Bedarf und Treibstoff bei der Pflege ihrer Patient*innen immer entsetzlichere und unmenschlichere Bedingungen ertragen. Sie sind extrem überlastet und arbeiten in langen Schichten ohne Zugang zu Nahrungsmitteln und sauberem Wasser. Darüber hinaus fällt das Kommunikationsnetz häufig aus. Nach Angaben des Amts der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten vom 20. August befinden sich 128 im Gesundheitswesen Beschäftigte nach wie vor in Haft und nur noch 16 der 36 wichtigsten Krankenhäuser, die früher über zwei Millionen Palästinenser*innen im Gazastreifen versorgten, sind teilweise funktionsfähig. Noch dazu ist die Art der medizinischen Leistungen, die sie erbringen können, stark eingeschränkt.