Sorge um Häftling

Ein älterer Mann mit dunklen Haaren und dunkler Brille lächelt in die Kamera. Er trägt ein weißes Hemd, darüber ein schwarzes Jackett und eine gelbe Krawatte.

Der österreichisch-iranische Staatsbürger Massud Mossaheb

*** Update: Am 2. Juni 2023 wurde Massud Mossaheb  freigelassen und konnte am 3. Juni nach Wien zurückreisen. WIr freuen uns sehr über die überfällige Freilassung. ***

Der 73-jährige österreichisch-iranische Staatsbürger Massud Mossaheb verbüßt zurzeit eine 10-jährige Haftstrafe, die in einem grob unfairen Gerichtsverfahren gegen ihn verhängt wurde. Ihm werden vage formulierte Straftaten gegen die "Staatssicherheit" vorgeworfen. Er wird im Evin-Gefängnis in Teheran festgehalten und leidet an schweren Gesundheitsproblemen, unter anderem an Herzinsuffizienz und Diabetes. Aufgrund dieser Vorerkrankungen wäre er bei einer Ansteckung mit COVID-19 in Lebensgefahr.

Appell an

Oberste Justizautorität

Ebrahim Raisi

c/o Permanent Mission of Iran to the United Nations

Chemin du Petit-Saconnex 28

1209 Geneva

SCHWEIZ

Sende eine Kopie an

Botschaft der Islamischen Republik Iran

S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh

Podbielskiallee 67

14195 Berlin


Fax: 030 83 222 91 33

E-Mail: info@iranbotschaft.de

Amnesty fordert:

  • Ich bitte Sie höflich, das Urteil und die Strafe gegen Massud Mossaheb aufzuheben und ihn freizulassen, es sei denn, er wird einer als international anerkannten Straftat angeklagt und gemäß den internationalen Standards für ordnungsgemäße Gerichtsverfahren behandelt.
  • Angesichts der COVID-19-Pandemie fordere ich Sie auf, Massud Mossaheb umgehend aus medizinischen Gründen freizulassen: Als ältere inhaftierte Person mit Vorerkrankungen ist er bei einer Ansteckung mit COVID-19 in erhöhter Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufs oder sogar in Lebensgefahr.
  • Bitte stellen Sie sicher, dass er bis zu seiner Freilassung eine angemessene medizinische Versorgung erhält und Kontakt zu seinen Familienangehörigen, einem Rechtsbeistand seiner Wahl sowie konsularischen Beistand von den österreichischen Behörden erhält.

Sachlage

Massud Mossaheb ist im Evin-Gefängnis in Teheran willkürlich inhaftiert. Der Gesundheitszustand des 73-Jährigen, der sowohl die österreichische als auch die iranische Staatsbürgerschaft besitzt, verschlechtert sich drastisch. Er leidet an schweren gesundheitlichen Problemen, darunter Herz- und Niereninsuffizienz, Diabetes und Bluthochdruck. Er benötigt eine fachärztliche Behandlung und muss täglich Medikamente einnehmen. Die Behörden sollen sich trotz der expliziten Empfehlungen eines_r Gefängnisärzt_in geweigert haben, ihn in eine spezialisierte Herzklinik außerhalb des Gefängnisses zu verlegen. Durch die Verbreitung von COVID-19 in iranischen Hafteinrichtungen ist er aufgrund seines Alters und seiner Vorerkrankungen in erhöhter Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufs oder sogar in Lebensgefahr.

Angehörige des Geheimdiensts in Zivil nahmen Massud Mossaheb am 29. Januar 2019 in Teheran fest. Sie sollen ihn zunächst drei Tage lang in einem Hotelzimmer festgehalten haben. Dort folterten sie ihn, indem sie ihm nicht erlaubten, zu schlafen. Sie verhörten ihn ohne die Anwesenheit eines Rechtsbeistands und zwangen ihn – unter dem Vorwand, ihn freizulassen und seine Rückkehr nach Österreich zu ermöglichen – zwei Dokumente zu unterzeichnen. Danach brachten sie ihn in die Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses, wo er erneut gefoltert wurde: Er wurde in verlängerter Einzelhaft gehalten, man verweigerte ihm die medizinische Versorgung, drohte ihm mit Peitschenhieben und setzte ihn 24 Stunden lang grellem Licht aus, um ihn am Schlafen zu hindern. Die Folter führte zu schwerem psychischem Stress. Zwischen dem 31. Juli und dem 7. August 2019 wurde er dreimal vom Gefängnis in jenes Hotel gebracht, wo er nach seiner Festnahme festgehalten worden war, und wurde gezwungen, zwei bereits aufgesetzte, belastende "Geständnisse" vor laufender Kamera vorzulesen. Während den Ermittlungen wurde ihm verboten, einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen. Der Vorsitzende Richter der Abteilung 15 des Teheraner Revolutionsgerichtes lehnte den bereits von ihm beauftragtem Rechtsbeistand ab und ersetzte diesen stattdessen mit einem staatlich beauftragten Rechtsbeistand. Am 2. Oktober 2019 fand die erste Besprechung zwischen Massud Mossaheb und diesem Pflichtanwalt statt. Am 27. April 2020 wurde er der "Spionage für Deutschland", "Zusammenarbeit mit einer feindlichen Regierung" – womit Israel gemeint war –und der "Annahme von unerlaubten Mitteln" von beiden Regierungen schuldig gesprochen und zu 22 Jahren Haft verurteilt. Massud Mossaheb streitet sämtliche Vorwürfe ab. Das Gerichtsverfahren gegen ihn war grob unfair, weil sich das Gericht auf "Geständnisse" stützte, die durch Folter erzwungen worden waren. Bei der Anhörung zog Massud Mossaheb diese Aussagen zurück und teilte dem Gericht mit, dass er sie unter Folter abgelegt habe. Das Urteil wurde ohne Berufungsanhörung bestätigt. Nach iranischem Recht wird er zehn Jahre Haft verbüßen müssen. Am 13. August 2020 strahlten staatliche Medien seine erzwungenen "Geständnisse" in einem Propagandavideo aus. Amnesty International geht davon aus, dass Massud Mossaheb willkürlich inhaftiert ist, weil das Strafverfahren gegen ihn grob unfair war und nicht den internationalen Standards für ordnungsgemäße Gerichtsverfahren entsprach.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Massud Mossaheb war schon vor seiner Inhaftierung bei schlechter Gesundheit und regelmäßig in fachärztlicher Behandlung. Laut Informationen, die Amnesty International aus verlässlicher Quelle vorliegen, und einem Brief, den Massud Mossaheb mit der Bitte um medizinische Behandlung am 5. August 2020 aus dem Gefängnis an die Behörden schrieb, leidet er an mehreren schweren Erkrankungen und wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach operiert. Er leidet an einer Herzerkrankung, Diabetes, Niereninsuffizienz, Leberverfettung und Muskel-Skelett-Erkrankungen an Knien, Füßen und dem Rücken. Er leidet zudem an wiederkehrenden Entzündungen der Darmdivertikel. Teile des Darms sollten operativ entfernt werden. Doch ehe es dazu kam, wurde er im Januar 2019 festgenommen. Er hatte bereits eine transitorische ischämische Attacke, einen sogenannten "kleinen Schlaganfall", eine ernste Erkrankung, bei der die Blutversorgung des Gehirns vorübergehend unterbrochen ist. 2011 kam es nach der Entfernung der Prostata zu Komplikationen. Vor mehreren Jahren wurde seine Schilddrüse entfernt und er muss täglich Schilddrüsenmedikamente einnehmen. Der Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung und zu einer fachärztlichen Behandlung außerhalb des Gefängnisses wird ihm bislang verwehrt. Zudem verweigerten ihm die iranischen Behörden eine Zeit lang den Zugang zu seinen täglich notwendigen Medikamenten.

Massud Mossaheb ist Maschinenbauingenieur und arbeitete jahrzehntelang in der Luftfahrtindustrie. In den vergangenen Jahren arbeitete er als Berater für verschiedene Firmen. Er wurde in Teheran festgenommen, als er gerade eine Delegation von Med Austron begleitete. Die Firma stellt Bestrahlungstechnologie zur Behandlung und Erforschung von Krebs her. In einem Gemeinschaftsprojekt mit dem Iran arbeitete die Firma zusammen mit den österreichischen Behörden und dem iranischen Gesundheits- und Außenministerium sowie der Atombehörde des Iran (Atomic Energy Organization of Iran - AEOI) an dem Bau eines Krankenhauses zur Ionentherapiebehandlung. Massud Mossaheb war zudem einer der Gründer der Iranisch-Österreichischen Freundschaftsgesellschaft, einer in Österreich ansässigen NGO, die sich um engere Beziehungen mit dem Iran bemüht.

Nach seiner Festnahme im Januar 2019 und während seiner Inhaftierung in einem Hotelzimmer sagten ihm Verhörende des Geheimdienstministeriums, dass sie ihn seit zwei Jahrzehnten beobachten, und jede Reise in den Iran und jeden Urlaub dort als Zeichen für Spionage gewertet hätten. Drei Tage nach seiner Festnahme wurde er in die Abteilung 209 des Evin-Gefängnisses gebracht, die dem Geheimdienstministerium untersteht. Dort wurde er von den Verhörenden gefoltert und in anderer Weise misshandelt, so zum Beispiel durch die Verweigerung, ihm seine Brille zu geben, ohne die er kaum etwas sehen kann. Bis zum 16. April 2019 wurde ihm jeder Besuch seiner Familie verweigert. Etwa 50 Tage nach seiner Inhaftierung wurde er aus der Einzelhaft in eine überbelegte Zelle in der Quarantänestation des Gefängnisses gebracht. Zurzeit wird er in der Abteilung 7 des Gefängnisses festgehalten. Am 29. Juli 2019 wiesen die Behörden die Ehefrau von Massud Mossaheb an, einen Anzug in das Gefängnis zu bringen, den er bei einem Fernsehinterview tragen würde. Falls er sich weigere, das Interview zu geben, drohten sie ihm mit Isolationshaft. Sie zwangen ihn, den Anzug anzuziehen und immer wieder ein "Geständnis" vorzulesen, das sie mehrmals mit zwei Kameras aufzeichneten.

Bei der Gerichtsverhandlung, die vom 1. Februar bis zum 26. April 2020 dauerte, wurden diese "Geständnisse" als Beweismittel gegen ihn zugelassen. In dem Gerichtsurteil behauptete die Staatsanwaltschaft, dass er die letzten beiden Jahrzehnte mit dem israelischen und deutschen Geheimdienst zusammengearbeitet habe und er seine Position in der Iranisch-Österreichischen Freundschaftsgesellschaft als Tarnung benutzt habe, um seinen Aktivitäten nachzugehen und Geheimdienstinformationen über den Iran an Israel und Deutschland weiterzugeben. Sie behauptete weiter, dass er als "finanziellen Ausgleich für seine Spionagetätigkeit" Geld erhalten habe. Am 13. Juli 2020 teilten die Behörden seinem Rechtsbeistand mit, dass das Urteil aufrechterhalten worden und nun endgültig sei. Am 11. August 2020 gab der Justizsprecher Gholamhossein Esmaili in der wöchentlichen Pressekonferenz den Schuldspruch und das Strafmaß gegen Massud Mossaheb bekannt. Anschließend veröffentlichte der staatliche Sender Islamic Republic of Iran Broadcasting am 13. August 2020 ein Propaganda-Video mit den erzwungenen "Geständnissen" von Massud Mossaheb.

Amnesty International äußert seit Langem Sorge über die Lage der Gefangenen im Iran in Zeiten der Covid-19-Pandemie, da die Behörden die Gefängnispopulation nicht ausreichend schützen. An die Öffentlichkeit gelangte offizielle Schreiben enthüllten, dass das Gesundheitsministerium wiederholt Anfragen der Organisation der Gefängnisse ignorierte, in denen diese um angemessene Ressourcen bat, um die Ausbreitung des Virus' in den Gefängnissen bekämpfen zu können. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind Gefängnisinsass_innen in besonderem Maße Infektionskrankheiten wie Covid-19 ausgesetzt und die Haftbedingungen können die Risiken stark erhöhen. So besteht zum Beispiel das Risiko höherer Ansteckungsraten, insbesondere in überfüllten Einrichtungen und wenn die Gesundheitsversorgung im Gefängnis schlechter ist als extern.