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Iran: Arbeitsrechtsaktivist willkürlich in Haft

Der britisch-iranische Arbeitsrechtsaktivist Mehran Raoof
© privat
Der britisch-iranische Staatsbürger und Arbeitsrechtsaktivist Mehran Raoof wird willkürlich im Evin-Gefängnis in Teheran festgehalten. Angehörige der Revolutionsgarden hatten ihn am 16. Oktober 2020 festgenommen. Er wird in verlängerter Einzelhaft gehalten, was einen Verstoß gegen das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen darstellt. Er ist ein gewaltloser politische Gefangener und muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden.
Appell an
Ebrahim Raisi
c/o Permanent Mission of Iran to the European Union
Avenue Franklin Roosevelt 15
1050 Brüssel
BELGIEN
Sende eine Kopie an
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S. E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 67
14195 Berlin
Fax: 030 83 222 91 33
E-Mail: info@iranbotschaft.de
Amnesty fordert:
- Bitte lassen Sie Mehran Raoof umgehend und bedingungslos frei, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der sich nur in Haft befindet, weil er im Zusammenhang mit dem Einsatz für die Arbeitsrechte seine Menschenrechte friedlich wahrgenommen hat.
- Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung regelmäßigen Zugang zu seiner Familie außerhalb des Iran, einem Rechtsbeistand seiner Wahl sowie zu angemessener medizinischer Versorgung erhält.
- Bitte beenden Sie umgehend seine verlängerte Einzelhaft und sorgen Sie dafür, dass Mehran Raoof konsularischen Beistand von den britischen Behörden erhält.
Sachlage
Es besteht große Sorge über die anhaltende willkürliche Inhaftierung von Mehran Raoof. Der 64-jährige Arbeitsrechtsaktivist befindet sich seit seiner Festnahme am 16. Oktober 2020 in Trakt 2A des Evin-Gefängnisses. Angehörige der Geheimdienstabteilung der Revolutionsgarden hatte sein Haus in Teheran gestürmt und durchsucht. Dabei wurden auch persönliche Gegenstände beschlagnahmt – darunter sein Computer. Nach seiner Festnahme wurde er einen Monat lang ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten, bevor ihm ein kurzes Telefonat mit einem entfernten Verwandten im Iran gestattet wurde. Der Kontakt zu seiner unmittelbaren Familie, die außerhalb des Iran lebt, wurde ihm verweigert. Auch der Zugang zu einem Rechtsbeistand wurde ihm verwehrt – selbst zu den von der Obersten Justizautorität zugelassenen Rechtsbeiständen, die seine Familie für ihn beauftragt hatte. Mehran Raoof wird seit Monaten in verlängerter Einzelhaft gehalten. Amnesty International befürchtet, dass ihm weitere Folter und andere Menschenrechtsverletzungen drohen – insbesondere angesichts der Praxis der Revolutionsgarden, Inhaftierte durch Folter zu erzwungenen "Geständnissen" zu bringen, die später in unfairen Prozessen zu Verurteilungen führen sollen.
Mehran Raoof hat sowohl die britische als auch die iranische Staatsbürgerschaft und lebt abwechselnd in den beiden Ländern. Laut Informationen, die Amnesty International vorliegen, haben Menschen in seinem persönlichen Umfeld versucht, einen unabhängigen Rechtsbeistand seiner Wahl für ihn zu engagieren. Die Behörden weigerten sich jedoch, diesem bis zur Verhandlung Zugang zu der betreffenden Fallakte zu gewähren. Mehran Raoof wurde im Oktober 2020 etwa zur gleichen Zeit wie mehrere andere Aktivist_innen im Rahmen einer landesweit koordinierten Aktion festgenommen, die den Einsatz für Arbeitsrechte unterdrücken sollte. Einer der Festgenommenen wurde inzwischen wegen fadenscheiniger Anschuldigungen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit zu 16 Jahren Haft verurteilt, sodass weitere lange Haftstrafen gegen andere zu befürchten sind. Amnesty International betrachtet Mehran Raoof als gewaltlosen politischen Gefangenen, der sich nur in Haft befindet, weil er seine Rechte auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat und sich für Arbeitsrechte einsetzt.
Mehran Raoof ist eine von Dutzenden Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft, die in den letzten Jahren im Iran inhaftiert wurden. In seinem Bericht vom Juli 2019 äußerte der UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran seine Besorgnis über die nach wie vor angewandte "willkürliche Festnahme, Inhaftierung, Misshandlung und Verweigerung der angemessenen medizinischen Versorgung von Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft oder ausländischer Herkunft." Er beschrieb, dass die iranischen Behörden "gegen diese Personen Scheinprozesse führen, die die grundlegenden Standards für faire Gerichtsverfahren verletzen; sie aufgrund konstruierter Beweise – oder in einigen Fällen ganz ohne Beweise – verurteilen und versuchen, diese Menschen als diplomatische Druckmittel zu benutzen." In dem Bericht stand außerdem, dass die Familien mehrerer Gefangener mit doppelter Staatsbürgerschaft die Inhaftierung ihrer Angehörigen als "Geiselnahme" betrachten.
Hintergrundinformation
Die iranischen Behörden greifen immer wieder hart gegen Arbeitnehmer_innen, Gewerkschafter_innen und Arbeitsrechtsaktivist_innen durch, die ihren Unmut über nicht gezahlte Löhne, prekäre Arbeitsbedingungen, die hohe Inflation und einen niedrigen Lebensstandard äußern. Trotz unzulässiger Einschränkungen des Rechts auf Vereinigungsfreiheit und eines Verbots unabhängiger Gewerkschaften im Iran lassen sich viele Beschäftigte und ihre Verbündeten nicht einschüchtern und gründen weiterhin Gewerkschaften und Organisationen für die Rechte der Arbeitnehmer_innen. Ihre Bemühungen ziehen oft grundlose Entlassungen oder die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand nach sich. Friedliche Proteste für die Rechte von Beschäftigten führen häufig zu Angriffen und Gewalt durch die Sicherheitskräfte und Repressalien gegen Organisator_innen und Teilnehmende. Zudem drohen Aktivist_innen willkürliche Festnahmen und Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen sowie lange Haftstrafen – oftmals basierend auf fadenscheinigen Anklagen in Bezug auf die nationale Sicherheit. Mindestens ein Arbeitsrechtsaktivist, der im Zuge des harten Vorgehens der Polizei im Oktober 2020 festgenommen wurde, Arash Johari, ist inzwischen im Zusammenhang mit seinem Aktivismus zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Dies weckt Befürchtungen, dass weitere lange Haftstrafen für andere folgen werden – davon könnte auch Mehran Raoof betroffen sein.
Amnesty International hat dokumentiert, wie die iranischen Behörden die Standards für ordnungsgemäße Gerichtsverfahren systematisch verletzen – vom Zeitpunkt der Festnahme bis die Angeklagten vor Gericht gestellt werden. Die Betroffenen werden oftmals ohne Haftbefehl festgenommen und an unbekannten Orten ohne Kontakt zu ihren Familien in verlängerter Einzelhaft gehalten. Personen, die im Iran inhaftiert, zu Verhören vorgeladen oder strafrechtlich verfolgt werden, sind oftmals grob unfairen juristischen Verfahren ausgesetzt. Dies betrifft insbesondere aus politischen Gründen angeklagte Menschen – wie Menschenrechtsverteidiger_innen – oder Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft.
Die Strafverfolgungsbehörden sowie Vernehmungsbeamt_innen von Sicherheits- und Geheimdienstinstitutionen, z. B. der iranischen Revolutionsgarde, verweigern Inhaftierten systematisch den Zugang zu einem Rechtsbeistand – ab dem Zeitpunkt ihrer Festnahme und während der ganzen Dauer der Ermittlungen. Sie erlauben ihnen oft nicht einmal Zugang zu Rechtsbeiständen, die von der Justizautorität geprüft und genehmigt wurden. Menschen, die aus politischen Gründen inhaftiert sind, werden besonders bei Verhören systematisch gefoltert und anderweitig misshandelt. Gefängnis- und Strafverfolgungsbehörden verweigern gewaltlosen politischen Gefangenen und anderen aus politischen Gründen Inhaftierten den Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung und Medikamenten.
Geheimdienst- und Sicherheitsbeamt_innen halten Inhaftierte oft wochen- oder monatelang unter mangelhaften und unhygienischen Bedingungen in verlängerter Einzelhaft und lassen sie nur für Verhöre aus ihren Zellen – so auch in Sektion 2A des Evin-Gefängnisses, das unter der Kontrolle der Revolutionsgarden steht. In Einzelhaft werden Inhaftierte ohne Zugang zu natürlichem Licht oder frischer Luft gefangenen gehalten. Zudem sind ihre Zellen häufig schmutzig und von Insekten befallen; gleichzeitig fehlt es an sanitären Einrichtungen und Produkten für die Körperhygiene. In diesen Zellen erhalten die Inhaftierten dürftige Rationen von minderwertigem Essen und meist nur eine Decke, mit der sie auf dem Boden schlafen müssen. Ehemalige Inhaftierte haben gegenüber Amnesty International immer wieder angegeben, dass die verlängerte Einzelhaft ihnen sehr großes psychisches und anderes Leid bereitet hat und eingesetzt wurde, um sie zu "Geständnissen" zu zwingen. Unter solchen Umständen stellt verlängerte Einzelhaft Folter dar. Gerichte verwenden belastende "Geständnisse", die unter Folter und anderweitiger Misshandlung sowie ohne die Anwesenheit eines Rechtsbeistands erzwungen wurden, als Beweise, die zur Verurteilung führen.
Gemäß internationalen Menschenrechtsstandards ist der willkürliche Freiheitsentzug rechtswidrig. Laut der Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen der Vereinten Nationen kann auch eine nach innerstaatlichem Recht zulässige Inhaftierung willkürlich sein, wenn sie gegen internationale Standards verstößt oder mit anderen Menschenrechten wie den Rechten auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit oder friedliche Versammlung unvereinbar ist. Gefangene haben Anspruch auf Kontakt zur Außenwelt und dürfen im Gefängnis Besuch empfangen. Verlängerte Einzelhaft – über einen Zeitraum von mehr als 15 Tagen für 22 Stunden pro Tag oder mehr – verstößt gegen das absolute Verbot von Folter und Misshandlungen. Folter ist international als Straftat anerkannt und unter allen Umständen verboten. Aussagen, die unter Folter, Misshandlung oder anderweitigem Zwang getroffen werden, dürfen in Gerichtsverfahren nicht als Beweise verwendet werden. Davon ausgenommen sind Aussagen, die gegen die mutmaßlich Verantwortlichen solcher Misshandlung gemacht werden.
Das Recht auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren ist unter dem Völkergewohnheitsrecht für alle Staaten rechtlich bindend. Menschen, die strafrechtlich verfolgt werden, müssen ab dem Zeitpunkt ihrer Festnahme und während der ganzen Dauer der Ermittlungs- und Gerichtsverfahren Zugang zu einem Rechtsbeistand haben. Niemand darf dazu gezwungen werden, gegen sich selbst auszusagen oder sich schuldig zu bekennen. Des Weiteren darf niemand aufgrund vager Anklagen festgehalten werden. Alle Menschen haben Anspruch auf eine faire, öffentliche Gerichtsanhörung vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht sowie auf ein öffentliches und begründetes Urteil.