Haft gegen Menschenrechtler verlängert

Diese Urgent Action ist beendet.

Am 18. März verurteilte das Stadtgericht Schali den bekannten tschetschenischen Menschenrechtsverteidiger Oyub Titiev zu einer vierjährigen Haftstrafe in einer Strafkolonie. Die Grundlage für das Urteil bilden konstruierte Vorwürfe des Drogenbesitzes. Bis zur Urteilsverkündung hatte Oyub Titiev bereits ein Jahr und zwei Monate in Untersuchungshaft verbracht.

Eine Person sieht aus dem Fenster eines Gebäudes, auf das ein kyrillischer Schriftzug gesprüht wurde.

Gebäude der Nichtregierungsorganisation "Memorial" in Moskau mit einem Graffito, in dem die Mitarbeitenden als 'ausländische Agenten' bezeichnet werden (Archivbild)

Die Untersuchungshaft des gewaltlosen politischen Gefangenen und Leiters der NGO Memorial, Oyub Titiev, ist um weitere zwei Monate bis zum 9. Mai verlängert worden. Zudem gab es einen Anstieg von Angriffen auf Büros von Memorial und die Angestellten, von denen allgemein angenommen wird, dass sie mit der anhaltenden Strafverfolgung von Oyub Titiev in Verbindung stehen. Amnesty International ist überzeugt, dass dies Teil eines abgestimmten und politisch motivierten Versuchs ist, Menschenrechtsverteidiger_innen in Russland einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.

Appell an

Präsident der Russischen Föderation

Vladimir Vladimirovich Putin

ul. Ilyinka, 23

103132 Moscow

RUSSISCHE FÖDERATION

Sende eine Kopie an

Sharpuddi Muaidovich Abdul-Kadyrov

Prosecutor’s Office of the Chechen Republic

Ul. Idrisova d. 42

Grozny, 36400

Chechen Republic

RUSSISCHE FÖDERATION

E-Mail: procurat-chech@mail.ru

Botschaft der Russischen Föderation

S. E. Herrn Vladimir M. Grinin

Unter den Linden 63-65

10117 Berlin

Fax: 030-2299 397

E-Mail: info@russische-botschaft.de

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Oyub Titiev umgehend und bedingungslos frei und lassen Sie alle Anklagen gegen ihn fallen.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass Oyub Titiev bis zu seiner Freilassung vor Folter oder anderweitiger Misshandlung geschützt wird.
  • Führen Sie bitte umgehend eine unparteiische und wirksame Untersuchung sowohl der Umstände durch, die zu Oyub Titiev willkürlicher Verhaftung führten als auch zu den Angriffen gegen Memorial-Büros und Angestellte und sorgen Sie dafür, dass alle Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden.

Sachlage

Am 6. März verlängerte das Bezirksgericht Staropromyslovsky in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny die Untersuchungshaft von Oyub Titiev um weitere zwei Monate bis zum 9. Mai. Das Bezirksgericht argumentierte, dass Oyub Titiev bei einer Freilassung verschwinden und durch Druck auf Zeug_innen und der Zerstörung von Beweismaterial eine Gefahr für den Gerichtsprozess darstellen könne. Der bekannte Menschenrechtsverteidiger und Leiter der russischen NGO Memorial in der tschetschenischen Republik wurde am 9. Januar 2018 festgenommen und dann mehrere Stunden ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Er befindet sich nach wie vor in Haft und wird fälschlicherweise des Drogenbesitzes beschuldigt. Amnesty International befürchtet, dass Oyub Titiev in Haft gefoltert wird.

Der Druck der Behörden sowohl auf die Familie von Oyub Titiev als auch auf Kolleg_innen bei Memorial ist in den vergangenen Monaten eskaliert. Seine Familie ist zu verschiedenen Gelegenheiten von der Polizei schikaniert worden und infolgedessen gezwungen gewesen, Tschetschenien zu verlassen. Zwischenzeitlich berichtete sein Rechtsbeistand, von Agent_innen in Zivil verfolgt worden zu sein. Auch im Nordkaukasus hat es mehrere Angriffe gegen Memorial-Büros gegeben. In der Nacht des 17. Januar steckten unbekannte maskierte Männer das Memorial-Büro der Nachbarrepublik Inguschetsien in Brand. Am 19. Januar führte die Polizei eine Razzia in den Memorial-Büros in Grozny durch. Es wurde zwar berichtet, dass die Durchsuchung in einem rechtlich einwandfreien Rahmen stattfand, doch die Memorial-Belegschaft fürchtet nun, dass zusätzliches "Beweismaterial" während der Durchsuchung gefunden worden sein könnte (Zigarettenstummel mit einer unbekannten Substanz), das nun Oyub Titiev untergeschoben werden soll. Am 22. Januar wurde vor dem Büro in Dagestan ein Auto in Brand gesetzt, dass zuvor von Oyub Titievs Rechtsbeistand benutzt worden war. Etwa zur selben Zeit erhielten Angehörige des Memorial-Büros in Dagestan eigenen Angaben zufolge Morddrohungen per Telefon. Amnesty International ist der Ansicht, dass diese Vorfälle mit der Strafverfolgung von Oyub Titiev in Tschetschenien in Verbindung stehen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 9. Januar wurde Oyub Titiev festgenommen und einige Stunden ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Auf dem Weg zur Arbeit war er angehalten und sein Wagen durchsucht worden. Das Innenministerium bestätigte, dass Oyub Titiev festgenommen worden war, nachdem "etwa 180 Gramm einer Substanz mit Marihuana-Geruch" bei der Durchsuchung seines Autos gefunden worden seien. Oyub Titiev stritt die Vorwürfe ab und bestand darauf, dass die Drogen in seinen Wagen gelegt worden seien. Oyub Titiev ist unter Paragraf 228 des russischen Strafgesetzbuches wegen unerlaubten Drogenbesitzes angeklagt. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

Oyub Titiev arbeitet bereits seit vielen Jahren in der Niederlassung der NGO Memorial in Grosny. Bereits zuvor war er in Verbindung mit seiner Menschenrechtsarbeit bedroht worden. Die Leitung des Büros in Grosny übernahm er kurz nach der Ermordung der Menschenrechtsverteidigerin und Memorial-Mitarbeiterin Natalia Estemirova im Jahr 2009. Damals mussten viele Memorial-Mitarbeiter_innen aus Angst um ihr Leben das Land verlassen und die NGO musste ihre Arbeit in Tschetschenien für fünf Monate unterbrechen.

Oyub Titiev war in den vergangenen Monaten gemeinsam mit anderen Kolleg_innen von Memorial Berichten nachgegangen, denen zufolge 27 Tschetschen_innen zunächst verschwunden waren und dann in der Nacht vom 26. Januar 2017 von der Polizei erschossen wurden. Die unabhängige russische Tageszeitung Novaya Gazeta berichtete ausführlich über den Fall. Oyub Titievs Kolleg_innen betrachten dessen Inhaftierung als einen Versuch der Behörden, ihn an der legitimen Ausübung seiner Menschenrechtsarbeit zu hindern.