Angriff auf Indigenensprecher

"Privatbesitz" Schild an einer Silbermine Nähe San Rafael Las Flores, Guatemala

Am 7. Februar 2021 wurde der Xinca-Sprecher Luis Fernando García Monroy in Aldea El Volcancito in Ostguatemala mit dem Tod bedroht. Erst drei Wochen zuvor war Julio David González Arango in Südostguatemala angeschossen worden. Die beiden Vertreter der Xinca verteidigen seit vielen Jahren die Rechte der indigenen Bevölkerung mit Blick auf die Auswirkungen, die die Escobal-Mine des Konzerns Pan American Silver auf sie hat. Aufgrund ihres Engagements wurden sie bereits mehrmals angegriffen. Die Angriffe gegen die Xinca-Bevölkerung müssen umgehend unabhängig und unparteiisch untersucht werden.

Appell an

María Consuelo Porras

Fiscal General de la República

Edificio Gerona 8° Nivel


15 avenida 15-16 Zona 1

C.P. 01001, Ciudad de Guatemala

GUATEMALA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Guatemala

Frau Crista Pricila Villatoro Delgado,

Geschäftsträgerin a. i.

Kaiserdamm 20

14057 Berlin

Fax: (030) 206 436 59

E-Mail: sekretariat@botschaft-guatemala.de

Amnesty fordert:

  • Bitte führen Sie umgehend eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Angriffe auf Luis Fernando García Monroy und Julio David González Arango sowie sämtlicher früherer Angriffe und Drohungen gegen die Xinca durch und stellen sie die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass diese Verbrechen möglicherweise mit der Menschenrechtsarbeit der Betroffenen zusammenhängen.

Sachlage

Es besteht große Sorge über die jüngsten Angriffe auf den Xinca-Sprecher Luis Fernando García Monroy in Aldea El Volcancito, einer Stadt im Departamento Santa Rosa in Ostguatemala. Nach eigenen Angaben wurde er am 7. Februar 2021 von drei Männern auf der Straße abgefangen. Einer dieser drei Männer, der mit einem in der Region tätigen Bergbauunternehmen in Verbindung stehen soll, beschimpfte und bedrohte ihn und seine Angehörigen. Danach habe er zusammen mit den beiden anderen Männern versucht, Luis García dazu zu zwingen, aus dem Auto auszusteigen. Als der 17-jährige Bruder von Luis García kurz darauf mit einem Motorrad dort eintraf, wurde er von demselben Mann angefahren und verletzt. Diese Vorfälle folgen auf eine Reihe von Angriffen gegen andere Mitglieder des Xinca-Parlaments, dem ersten indigenen Parlament in Guatemala. Unter anderem wurde am 16. Januar 2021 der Xinca-Sprecher Julio David González Arango auf seinem Grundstück in Mataquescuintla, einer Stadt im Departamento Jalapa in Südostguatemala, angeschossen und schwer verletzt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im April 2013 vergab das guatemaltekische Ministerium für Energie und Bergbau eine Bergbaulizenz für die Escobal-Mine an den Konzern Tahoe Resources. Danach eskalierte der Konflikt um die Mine. Am 27. April 2013 setzten Sicherheitskräfte auf dem Minengelände Tränengas und Gummigeschosse gegen Gemeinschaftsmitglieder ein, die vor dem Eingang der Mine protestierten. Dabei wurden mehrere Personen verletzt. Weitere Informationen hierzu finden Sie in dem englischsprachigen Amnesty-Bericht "Mining in Guatemala: Rights at risk".

2019 erwarb der kanadische Bergbaukonzern Pan American Silver die Firma Tahoe Resources und übernahm somit auch die Escobal-Mine. Der Betrieb der Mine ist jedoch seit 2017 ausgesetzt. Nachdem die Menschenrechtsorganisation Centro de Acción Legal, Ambiental y Social de Guatemala (CALAS) wiederholt Rechtsmittel gegen den Betrieb der Mine eingelegt hatte, ordnete der Oberste Gerichtshof Guatemalas die vorübergehende Aussetzung der Bergbaulizenz für die Escobal-Mine an und forderte ein gemeinschaftliches Konsultationsverfahren mit der Xinca-Bevölkerung. CALAS hatte bereits zuvor die Rechte der Gemeinschaften, die von den Tätigkeiten der Bergbaufirma Minera San Rafael betroffen waren, verteidigt.

Mitglieder von CALAS berichteten von wiederholten Einschüchterungen und Schikanierungen gegen sie. Weitere Informationen dazu finden Sie in der UA-167/2017. Laut Angaben von Quelvin Jimenez, Rechtsanwalt und Verteidiger der Rechte der Xinca, wurden er und andere führende Vertreter_innen der Xinca am 23. Juni 2019 während eines Treffens von einer bewaffneten Gruppe überfallen (UA-063/2019-1). Quelvin Jimenez ist wegen seiner Arbeit Ziel einer Verleumdungskampagne, wird eingeschüchtert und überwacht und wurde bereits mit dem Tod bedroht (UA-063/2019).

Amnesty International hat dokumentiert, dass Menschenrechtsverteidiger_innen ihrer Tätigkeit in Guatemala in einer extrem feindseligen Atmosphäre nachgehen. Sie werden ständig bedroht, eingeschüchtert und angegriffen. Menschenrechtsverteidiger_innen werden regelmäßig zur Zielscheibe von Hetzkampagnen durch Privatleute und die guatemaltekischen Behörden. Diese Kampagnen zielen darauf ab, die Menschenrechtsverteidiger_innen zu stigmatisieren und in Misskredit zu bringen. Das Strafjustizsystem wird immer wieder dazu missbraucht, Menschenrechtsverteidiger_innen fälschlich zu beschuldigen und strafrechtlich zu verfolgen, damit sie sich nicht weiter äußern und ihre Bewegungen und Organisationen zerfallen. Nach Angaben der guatemaltekischen NGO UDEFEGUA, die für den Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen eintritt, gab es 2020 über 1.000 Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger_innen in Guatemala, dabei wurden 15 Menschenrechtsverteidiger_innen getötet, und es wurden 22 Tötungsversuche verübt.

Wer sich für Landrechte und Umweltschutz einsetzt, ist besonders gefährdet. Amnesty International hat zahlreiche Bedrohungen, Einschüchterungen und Angriffe gegen Land- und Umweltaktivist_innen dokumentiert. Weitere Informationen dazu enthält der englischsprachige Bericht: "We are defending the land with our blood": Defenders of the land, territory and environment in Honduras and Guatemala.

Bislang hat Guatemala noch immer keine allgemeinen Regeln zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen verabschiedet. Dies widerspricht der Verfügung des Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte im Verfahren Human Rights Defender et al. vs. Guatemala von 2014.