Spionageanklage gegen Autor

Der australische Autor Yang Hengjun

Der australische Autor Yang Hengjun

Yang Hengjun, der über die australische und die chinesische Staatsbürgerschaft verfügt, befindet sich seit dem 30. Dezember 2019 ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Am 31. August und 3. September durfte er nun endlich Kontakt zu einem_r Vertreter_in des australischen Konsulats und seinem Rechtsbeistand aufnehmen. Der Schriftsteller und Blogger bestreitet nach wie vor alle Spionagevorwürfe. Angesichts der Berichte, nach denen Yang Hengjun bereits über 300 Verhörsitzungen über sich ergehen lassen must, besteht die Sorge, dass er ohne regelmäßige Besuche von Mitarbeiter_innen des Konsulats und seinem Rechtsbeistand gefoltert oder anderweitig misshandelt werden könnte.

Appell an

Staatsanwalt

Zhang Yukun

Beijing No 2 People’s Procuratorate

18, Zhifang Lu, Fengtai Qu


Beijing Shi, 100078

VOLKSREPUBLIK CHINA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Volksrepublik China

S. E. Herrn Ken Wu

Märkisches Ufer 54

10179 Berlin

Fax: 030-27 58 82 21

E-Mail:
presse.botschaftchina@gmail.com

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Yang Hengjun bitte umgehend und bedingungslos frei, es sei denn es existieren glaubwürdige und zulässige Beweise dafür, dass er eine international als Straftat anerkannte Handlung begangen hat, und er erhält ein Verfahren, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass er bis zu seiner Freilassung regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu Konsulatsvertreter_innen, seiner Familie und Rechtsbeiständen seiner Wahl erhält, und dass er nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird.
  • Gestatten Sie ihm bitte regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung, wenn er darum bittet und wann immer diese nötig ist.

Sachlage

Der Fall des chinesisch-australischen Schriftstellers Yang Hengjun (杨恒均), dem Spionage zur Last gelegt wird, liegt gegenwärtig der Staatsanwaltschaft zur Überprüfung vor.

Yang Hengjun wurde am 19. Januar 2019 am Flughafen von Guangzhou in Polizeigewahrsam genommen. Er befindet sich in der Hafteinrichtung der Staatssicherheitsbehörde in Peking. Da er offenbar keinen regelmäßigen Zugang zu konsularischen Vertreter_innen Australiens oder einem Rechtsbeistand hat und er bereits vielen stundenlangen Verhören ausgesetzt war, befürchtet Amnesty International, dass er in Gefahr ist, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

Nach über acht Monaten Haft ohne Kontakt zur Außenwelt wurde Yang Hengjun am 31. August ein Online-Gespräch mit einem Angehörigen des australischen Konsulats gestattet, und am 3. September durfte ihn sein Rechtsbeistand besuchen. Berichten zufolge war er bereits über 300 Verhören durch 30 verschiedene Personen ausgesetzt. Die Verhöre dauerten oft mehrere Stunden und fanden mitten in der Nacht statt. Zudem soll in seiner Zelle das Licht 24 Stunden lang angeschaltet sind. Angesichts dieser Haftbedingungen besteht die Gefahr, dass sich die psychische und körperliche Verfassung von Yang Hengjun sehr schnell verschlechtern wird und er sich nicht mehr davon erholen kann.

Yang Hengjun muss während seiner Haft regelmäßigen Kontakt zu seinem Rechtsbeistand und konsularischem Beistand in Einklang mit dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen erhalten. Andernfalls drohen ihm Folter und Misshandlungen.

Yang Hengjun droht nun ein Verfahren hinter verschlossenen Türen wegen Spionage. Er bestreitet nach wie vor jegliche Spionagevorwürfe. Auf der Grundlage von Artikel 10 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat jeder Mensch bei einer gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Beschuldigung in voller Gleichheit Anspruch auf ein gerechtes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Yang Hengjun ist ein bekannter Schriftsteller und Blogger, der Romane veröffentlicht hat und sich häufig sehr direkt über öffentliche Angelegenheiten in China äußert. Er ist ein ehemaliger chinesischer Diplomat und hat zudem in Hongkong in der Privatwirtschaft gearbeitet, bevor er 1999 nach Australien zog. Dort erwarb er einen Doktortitel an der Technikuniversität von Sydney. Im Jahr 2002 erhielt er die australische Staatsbürgerschaft. Vor seiner Festnahme lebte er in den USA, wo er als Gastdozent an der Columbia University tätig war.

Im Januar 2019 kam Yang Hengjun mit seiner Familie am Flughafen von Guangzhou an, wo er von der Polizei festgenommen wurde. Er wurde zunächst "an einem dafür vorgesehenen Ort unter Überwachung gestellt" – eine Maßnahme, mit der strafrechtliche Ermittler_innen Personen unter bestimmten Umständen für bis zu sechs Monate außerhalb des formellen Haftsystems festhalten können. Dies kann unter bestimmten Umständen einer Form der geheimen Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gleichkommen. Wenn Inhaftierte unter dieser Form der "Überwachung" keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl, ihren Familien und allen anderen Menschen außerhalb der Haft haben, sind sie erhöhter Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

Yang Hengjun wurde nach seiner Ingewahrsamnahme über acht Monate lang der Zugang zum australischen Konsulat und zu Treffen mit Rechtsbeiständen verweigert. Erst nach der offiziellen Bestätigung seiner Inhaftierung wegen Spionage im August 2020 erhielt er Zugang zu Angehörigen des Konsulats und zu Anwält_innen.

Yang Hengjun weist die Spionagevorwürfe zurück. Medienberichten zufolge sagte Yang Hengjun seinem Rechtsanwalt während des ersten Besuchs am 3. September, dass die Vorwürfe eine Form der politischen Verfolgung darstellen und er keine Verbrechen gestehen würde, die er nicht begangen habe.

Bereits im Jahr 2011 "verschwand" Yang Hengjun eine Woche lang, nachdem er zuvor von drei Männern beschattet worden war. Weltweit wurde spekuliert, dass er in Gewahrsam genommen worden sei. Eine Woche später tauchte er jedoch wieder auf und gab in den Medien an, es habe sich um ein "Missverständnis" gehandelt und er sei krank gewesen. Yang Hengjun hat diese Aussage mittlerweile zurückgenommen.