Hartes Vorgehen gegen Demonstrierende

Demonstrierende Menschenmenge mit Plakaten.

Proteste in Chile im Oktober 2019

*** Update: Am 27.10. wurde der Ausnahmezustand aufgehoben. Doch die Proteste gehen weiter. *** Es begann am 18. Oktober als Protest gegen eine Preiserhöhung im öffentlichen Nahverkehr – inzwischen wehren sich die Menschen im ganzen Land gegen Maßnahmen, die sie als Angriff auf ihre wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ansehen. Die Regierung hat den Ausnahmezustand ausgerufen und eine Ausgangssperre verhängt. Berichte sprechen von Massenfestnahmen, zahlreichen Folter- und Misshandlungsvorwürfen, Schwerverletzten und Toten bei gewaltsamen Zwischenfällen.

Appell an

Sr. Sebastián Piñera

Presidente de la República de Chile

Palacio de La Moneda, Calle Moneda s/n

Santiago, Región Metropolitana

CHILE

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Chile
I.E. Frau Cecilia Mackenna Echaurren
Möhrenstr. 42

10117 Berlin
Fax: 030-726 203 603
E-Mail: echile.alemania@minrel.gob.cl

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich auf, Maßnahmen zu ergreifen, um auf die legitimen Forderungen derjenigen einzugehen, die gerade ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung ausüben.
  • Bitte beenden Sie den Einsatz des Militärs auf Demonstrationen und sorgen Sie dafür, dass sich die Polizei strikt an die internationalen Standards zur Gewaltanwendung hält, sofern diese nötig ist.

Sachlage

Eine geplante Preiserhöhung im öffentlichen Nahverkehr löste in Chile massive Proteste aus, die sich schnell gegen weitere strukturelle Ungleichheiten richteten. In den Unruhen drückt sich die große Unzufriedenheit der Bevölkerung über die sozialen und politischen Verhältnisse in dem südamerikanischen Land aus. Als Reaktion verhängte die Regierung am 18. Oktober den Ausnahmezustand, der den Einsatz des Militärs bei Großdemonstrationen ermöglicht. Seitdem wird von Menschenrechtsverletzungen berichtet: gegen friedliche Demonstrierende – auch Minderjährige – wird gewaltsam vorgegangen, es kam zu Massenfestnahmen und festgenommene Personen sollen misshandelt und weiteren Handlungen unterzogen worden sein, die Folter darstellen könnten.

Amnesty International ruft den Präsidenten von Chile dazu auf, sich mit den Forderungen der Protestierenden zu befassen, das Recht auf friedliche Versammlung zu respektieren, den Einsatz des Militärs auf Demonstrationen zu beenden und dafür zu sorgen, dass die internationalen Standards zur Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte eingehalten werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Nach zahlreichen politischen Maßnahmen, die weite Teile der chilenischen Gesellschaft belasten, gingen nach der kürzlich angekündigten Fahrpreiserhöhung im öffentlichen Nahverkehr Tausende in der Hauptstadt Santiago auf die Straßen. Sie forderten die Rücknahme der geplanten Preiserhöhung und weitere Maßnahmen zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte.

Nach gewalttätigen Ausschreitungen beschloss die Regierung am 18. Oktober, den öffentlichen Nahverkehr einzustellen und den Ausnahmezustand auszurufen. Seitdem übernimmt das Militär Polizeiaufgaben, unter anderem bei Demonstrationen. Seit dem 19. Oktober gilt im Großraum von Santiago und anderen Städten eine Ausgangssperre.

Nach Angaben des Vize-Innenministers kamen im Rahmen der Proteste landesweit bisher 15 Personen bei gewaltsamen Zusammenstößen ums Leben. Am 21. Oktober gab das Nationale Menschenrechtsinstitut (Instituto Nacional de Derechos Humanos, INDH) bekannt, dass bisher mehr als 1.400 Personen (darunter 181 Minderjährige) festgenommen und mehr als 80 Personen durch Schüsse verletzt worden waren. Außerdem gibt es unzählige Berichte über Folter, Misshandlungen und weitere Menschenrechtsverletzungen.

Am 20. Oktober forderte Präsident Sebastián Piñera die verschiedenen Parteien dazu auf, sich schnell auf ein neues Gesetz zur Verhinderung der Fahrpreiserhöhung zu einigen. Am 22. Oktober wurde das Gesetzt verabschiedet. Die Protestierenden und weitere soziale Bewegungen fordern jedoch umfassendere Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Lage. Die Proteste dauern an.