Bangladesch: Blogger willkürlich inhaftiert

Das Bild zeigt das Porträtbild eine Mannes

Der Blogger Selim Khan aus Bangladesch (undatiertes Foto)

Selim Khan wurde Anfang November 2023 wegen eines Beitrags in einer privaten Facebook-Gruppe festgenommen. Zuvor hatte ein Mitglied der Regierungspartei unter Berufung auf das neue Cybersicherheitsgesetz und das Strafgesetzbuch Anzeige gegen den bekannten atheistischen Blogger erstattet. Obwohl die ihm vorgeworfenen Straftaten eine Freilassung gegen Kaution ermöglichen, wurde ihm diese mehrfach verweigert. Erst am 13. März 2024 wurde sie ihm schließlich gewährt. Doch wegen verfahrenstechnischer Verzögerungen befindet er sich nach wie vor in Haft. Selim Khan muss umgehend und bedingungslos freigelassen werden. 

Appell an

Scheich Hasina Wajed
Prime Minister’s Office
Old Sangsad Bhaban, Tejgaon
Dhaka-1215
BANGLADESCH 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Volksrepublik Bangladesch
S. E. Herr Md Mosharraf Hossain Bhuiyan
Kaiserin-Augusta-Allee 111
10553 Berlin
Fax: 030–39 89 75 10
E-Mail: info.berlin@mofa.gov.bd oder
            mission.berlin@mofa.gov.bd


 

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich auf, alle Anklagen gegen Selim Khan fallenzulassen und ihn umgehend und bedingungslos freizulassen, da er nur aufgrund der friedlichen Ausübung seiner Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Religions- und Glaubensfreiheit festgehalten wird.
  • Bitte ändern Sie das Cybersicherheitsgesetz CSA ab, sodass es internationalen Menschenrechtsnormen und -standards entspricht.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass all jene, die unter dem CSA und dem mittlerweile abgeschafften DSA lediglich aufgrund der Wahrnehmung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit inhaftiert sind, umgehend und bedingungslos freigelassen werden.

Sachlage

Der 19-jährige Blogger Selim Khan befindet sich nach wie vor in Bangladesch im Gefängnis, obwohl ihm am 13. März 2024 die Freilassung gegen Kaution gewährt wurde. Nach Angaben der Justizbehörden gibt es starke Verzögerungen bei der Abfassung des Kautionsbeschlusses, der dem Gefängnis zum Zweck seiner Freilassung übermittelt werden muss. In der Regel dauert dieses Verfahren nur 3-4 Tage. Selim Khan hätte wegen der Äußerung seiner Ansichten gar nicht erst angeklagt werden dürfen, und die Verzögerung seiner Haftentlassung scheint eine zusätzliche Form der Bestrafung zu sein. 

Selim Khan ist Mitglied in einer privaten Facebook-Gruppe, in der atheistische Menschen in einem nicht öffentlichen Forum ihre Meinung äußern. Ein Mitglied dieser Gruppe machte Screenshots von einem Beitrag, den Selim Khan Anfang November 2023 postete, und teilte ihn öffentlich auf Facebook, was zu heftigen Diskussionen führte. In der Folge erstattete ein Mitglied der Regierungspartei aus derselben Region wie Selim Khan Anzeige gegen den Blogger und begründete dies damit, dass sein Facebook-Kommentar die religiösen Werte und Gefühle der örtlichen Bevölkerung verletzt, Unruhen ausgelöst und die öffentliche Ordnung in der Gegend beeinträchtigt habe. Darüber hinaus warf er Selim Khan vor, durch seinen Blog religiöse Gefühle verletzt zu haben. 

Am 4. November 2023 wurde der Blogger festgenommen und nach dem Cybersicherheitsgesetz wegen Veröffentlichung falscher Informationen, Verletzung religiöser Werte und Verleumdung angeklagt. Zudem wird ihm mutwillige Provokation und Anstiftung zu Unruhen gemäß dem Strafgesetzbuch vorgeworfen. Obwohl für alle diese Straftaten eine Haftentlassung gegen Kaution möglich ist, lehnten das Amtsgericht und ein Bezirksgericht seine Kautionsanträge ab. Am 13. März 2024 bewilligte schließlich das Hohe Gericht seine Freilassung gegen Kaution. Der zuständige Richter sagte gleichzeitig, dass die dem Blogger vorgeworfenen Straftaten seiner Meinung nach mit der Höchststrafe, also einer lebenslangen Haftstrafe oder sogar der Todesstrafe, geahndet werden sollten. Trotz der Bewilligung der Kaution wartet Selim Khan auch drei Monate später noch auf seine Freilassung. 

Die Strafverfolgung von Selim Khan unter dem Cybersicherheitsgesetz und dem Strafgesetzbuch sowie die anhaltenden Verstöße gegen seine Verfahrensrechte verletzen seine Rechte auf freie Meinungsäußerung und auf Religions- und Glaubensfreiheit. Sie verstoßen zudem gegen das Verbot der willkürlichen Inhaftierung. 

Hintergrundinformation

Hintergrund

Bangladesch ist ein vornehmlich muslimisches Land. Selim Khan kommt aus einer Ortschaft im Südwesten des Landes. Er betreibt einen Blog, auf dem er religionskritische Ansichten äußert, und die Leute in seinem Dorf kennen ihn als Atheisten und Islamkritiker. Der Rechtsbeistand von Selim Khan äußerte gegenüber Amnesty International die Ansicht, dass die Person, die den Beitrag des Bloggers öffentlich auf Facebook postete, der privaten Facebook-Gruppe gezielt beigetreten sei, um die Posts von Selim Khan festzuhalten und ihn so ins Visier zu nehmen. 

Der Politiker, der den Blogger nach der Veröffentlichung seiner Facebook-Beiträge anzeigte, hatte ihn zuvor gewarnt, derartige Äußerungen zu unterlassen. Einem Polizeibericht zufolge führten die geposteten Screenshots dazu, dass sich eine aufgebrachte Menschenmenge vor dem Haus von Selim Khan versammelte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Blogger das Haus bereits aus Sicherheitsgründen verlassen und die Polizei löste die Versammlung auf. In dem Polizeibericht wird Selim Khan außerdem vorgeworfen, seinen Blog zu nutzen, um sich religionskritisch zu äußern. 

Das Cybersicherheitsgesetz (CSA) wurde von der Regierung im September 2023 eingeführt, um das drakonische Gesetz über digitale Sicherheit (DSA) zu ersetzen. Das neue Gesetz hat jedoch zahlreiche repressive Bestimmungen des alten Gesetzes beibehalten, unter denen die Rechte auf Meinungsfreiheit, Privatsphäre und Freiheit bedroht und eingeschränkt werden. Das Justizministerium stellte das CSA als menschenrechtsfreundlicher dar, insbesondere weil es Gefängnisstrafen für Verleumdung abschaffte und die Zahl der Straftaten, für die eine Kaution gestellt werden kann, erhöhte. Dessen ungeachtet wird das CSA weiterhin dazu verwendet, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. 

In Bangladesch werden atheistische Blogger*innen seit langer Zeit wegen ihrer Ansichten ins Visier genommen. Der atheistische Blogger Avijit Roy wurde in der Hauptstadt Dhaka auf der Straße mit einer Machete angegriffen und getötet, und ein weiterer Blogger, Washiqur Rahman, wurde ebenfalls in Dhaka angegriffen und getötet. Beide Vorfälle ereigneten sich im Jahr 2015 im Abstand von nur einem Monat. Seither werden atheistische Blogger*innen und ihre Familien verfolgt und es gibt immer weniger Online-Räume, in denen sie ihre Ansichten äußern können. In den darauffolgenden Jahren flohen viele atheistische Blogger*innen aus Angst vor Repressalien ins Ausland.