Anwältin erneut misshandelt

Die chinesische Menscherechtsanwältin Li Yuhan

Die chinesische Menscherechtsanwältin Li Yuhan wurde in Haft erneut misshandelt

+++ Update: Die Menschenrechtsanwältin Li Yuhan wurde am 25. Oktober 2023 zu 6 1/2 Jahren Haft verurteilt weil sie "Streit angefangen und Ärger provoziert" habe. +++

Die Menschenrechtsanwältin Li Yuhan berichtete ihrem Rechtsbeistand, dass sie von Vollzugsbeamt_innen mit kaltem Wasser überschüttet worden sei. Sie wurde ohnmächtig und mehrere Stunden lang unbeaufsichtigt zurückgelassen. Ihr drohen weitere Folter und andere Misshandlungen.

Appell an

Director

Shenyang City No. 1 Detention Centre

Gaolicun, Zaohuazhen, Yuhongqu

Shenyangshi, Liaoningsheng

VOLKSREPUBLIK CHINA

Sende eine Kopie an

Minister für Öffentliche Sicherheit

Zhao Kezhi Buzhang

Gonganbu

14 Dongchanganjie

Dongchengqu

Beijingshi 100741


VOLKSREPUBLIK CHINA

Tel: (00 86) 10 66262114 (nur Chinesisch)


E-Mail: gabzfwz@mps.gov.cn

Botschaft der Volksrepublik China

S. E. Herrn Mingde Shi

Märkisches Ufer 54, 10179 Berlin

Fax: 030-27 58 82 21

E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com

    und de@mofcom.gov.cn

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie Li Yuhan bitte umgehend und bedingungslos frei, es sei denn, es existieren glaubwürdige und zulässige Beweise dafür, dass sie eine international als Straftat anerkannte Handlung begangen hat und sie erhält ein Verfahren, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Li Yuhan in der Haft nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird und dass sie regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu ihrer Familie sowie zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl und zu jeder nötigen medizinischen Versorgung erhält.
  • Leiten Sie bitte umgehend eine gründliche und unparteiische Untersuchung der mutmaßlichen Misshandlung von Li Yhan ein und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.

Sachlage

Li Yuhan war am 15. November offiziell in Haft genommen worden, weil sie "Streit angefangen und Ärger provoziert" habe. Bei einem Treffen am 30. November in der Hafteinrichtung Nr. 1 der Stadt Shenyang berichtete sie ihrem Rechtsbeistand Lin Qilei, dass sich ihre Gesundheit verschlechtert habe und sie seit ihrer Festnahme schlechter laufen könne als zuvor. Li Yuhan sagte zu ihrem Rechtsbeistand: "Ich hatte Angst, dass ich Sie nie wiedersehen würde." Bereits bei einem früheren Treffen am 10. November – dem ersten seit ihrer Inhaftierung am 9. Oktober – prangerte sie an, dass sie misshandelt worden sei.

Li Yuhan berichtete dem Rechtsbeistand außerdem, dass ihr der Eimer mit heißem Wasser weggenommen und ausgeschüttet worden sei, als sie am Abend nach einem Verhör gebadet habe. Eine Vollzugsbeamtin habe anschließend jemandem befohlen, kaltes Wasser über sie zu schütten. Angesichts der kalten Witterungsverhältnisse zitterte Li Yuhan anschließend vor Kälte, bis sie gegen 3 oder 4 Uhr morgens den Alarmknopf drückte, um medizinische Hilfe anzufordern. Dann wurde sie bewusstlos. Als sie wieder zu sich kam, erfuhr sie von ihren Mithäftlingen, dass keine ärztliche Hilfe gekommen sei. Li Yuhan erzählte, wie die Vollzugsbeamtin sie verspottete: "Du bist nicht gestorben, obwohl kein Arzt gekommen ist!" Dann habe sie geschrien: "Die Anwältin aus Peking, Li Yuhan, ruft um Hilfe!" Außerdem habe die Beamtin gedroht, ihr Handschellen und Fußeisen anzulegen.

Die für Li Yuhan zuständige Polizeibeamtin heißt Wang Yunfei. Nur wenige Tage nach obigem Vorfall begleitete sie Li Yuhan, gemeinsam mit einigen Mithäftlingen, zu einer medizinischen Untersuchung ins Krankenhaus. Li Yuhan hatte nur leichte Kleidung und ihr wurden Wasser und Nahrung verweigert, während sie auf die Untersuchung wartete. Wang Yunfei stieß Li Yuhan nach ihrer Rückkehr in die Haftanstalt gewaltsam in ihre Zelle zurück.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Li Yuhan arbeitet seit 1991 als Rechtsanwältin und hat seither eine ganze Reihe von menschenrechtlichen Fällen betreut. Als die Menschenrechtsanwältin Wang Yu aus Peking im Juli 2015 im Zuge eines verschärften Vorgehens der Behörden gegen Menschenrechtsanwält_innen und Aktivist_innen festgenommen wurde, vertrat Li Yuhan sie vor Gericht. Damals wurden insgesamt etwa 250 Personen verhört oder festgenommen.

Li Yuhan reiste damals mehrmals in die Stadt Tianjin im Nordosten Chinas, um Wang Yu im Gefängnis zu besuchen. Beamt_innen des Büros für öffentliche Sicherheit verweigerten ihr jedoch durchgängig den Zugang zu ihrer Mandantin mit der Begründung, dass Wang Yu "Verbrechen gegen die staatliche Sicherheit" vorgeworfen würden. Nach einem Jahr in Haft wurde Wang Yu schließlich im Juni 2016 gegen Kaution freigelassen.

Ende Juni 2017 besuchten Li Yuhan und ein weiterer Rechtsbeistand Wang Yu in der Inneren Mongolei, wo sie und ihre Familie unter strenger Polizeiüberwachung stehen. Viele Freund_innen und Kolleg_innen von Li Yuhan sind der Ansicht, dass ihre Inhaftierung damit zu tun haben könnte, dass sie Wang Yu und andere Menschenrechtler_innen vor Gericht vertreten hat.

Laut Angaben der Menschenrechtsorganisation Chinese Human Rights Defenders wurde Li Yuhan im Mai 2015 im Gewahrsam der Pekinger Polizei misshandelt, nachdem sie illegale Verhaltensweisen lokaler Beamt_innen angezeigt hatte, die ihr Behinderung der Justiz in einem Zivilrechtsfall vorgeworfen hatten. Im Polizeigewahrsam rammte ein Polizist ihren Kopf an eine Toilette, sodass sie über Stunden hinweg bewusstlos war. Nach ihrer Freilassung stellte man bei Li Yuhan eine Gehirnerschütterung sowie Verletzungen am Rücken, am Kopf, an den Gliedmaßen und am Bauch fest. In der Folge litt sie an Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Sehstörungen und einem unregelmäßigen Herzschlag, weshalb sie einige Zeit lang ihre Arbeit einstellen musste.

In China werden Aktivist_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen nach wie vor systematisch überwacht, schikaniert, eingeschüchtert, festgenommen und inhaftiert. Immer häufiger kommt es vor, dass die Polizei Menschenrechtler_innen nicht in offiziellen Hafteinrichtungen festhält. Häufig haben die Inhaftierten über lange Zeit hinweg keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand, was Folter und anderen Misshandlungen Vorschub leistet.