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Angola: Aktivist braucht dringend medizinische Behandlung
Diese Urgent Action ist beendet.
Am 23. Juni wurde der als Tanaice Neutro bekannte Aktivist Gilson da Silva Morreira nach 18 Monaten in Haft bedingungslos freigelassen. Er war inhaftiert worden, nachdem er in den Sozialen Medien Videos veröffentlicht hatte, in denen er seine Frustration über die Lage in Angola zum Ausdruck brachte. Im Oktober 2022 wurde er vor Gericht gestellt und zu einer Bewährungsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Obwohl das Gericht aus gesundheitlichen Gründen seine umgehende Freilassung anordnete, wurde er damals nicht auf freien Fuß gesetzt. Ein Besuch des Innenministers sowie eine erfolgreiche richterliche Haftprüfung trugen nun zur Freilassung des Aktivisten bei.
Der angolanische Aktivst Tanaice Neutro (undatiertes Foto)
© Privat
*** Update 28.6.2023: Tanaice Neutro ist freigelassen worden. ***
Am 13. Januar 2022 wurde der Aktivist Tanaice Neutro im Zusammenhang mit Videos festgenommen, in denen er den Präsidenten als "Clown" und die Behörden als "ignorant" bezeichnet hatte. Er kam in Untersuchungshaft und wurde im Oktober 2022 vor Gericht gestellt und wegen Verunglimpfung von Staatssymbolen zu einer Bewährungsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Aus gesundheitlichen Gründen ordnete das Gericht seine umgehende Freilassung an. Obwohl seit dem Urteil bereits sechs Monate vergangen sind, befindet Tanaice Neutro sich weiterhin in Haft. Er leidet unter schweren Schmerzen und psychischen Problemen, erhält aber von den Gefängnisbehörden nicht die dringend benötigte medizinische Versorgung. Die angolanischen Behörden müssen Tanaice Neutro unverzüglich und bedingungslos freilassen.
Appell an
Marcy Cláudio Lopes
Ministry of Justice and Human Rights
Casarão da Justiça, Rua 17 de Setembro
Gombota
Luanda, LU
ANGOLA
Sende eine Kopie an
Botschaft der Republik Angola
I.E. Frau Balbina Malheiros Dias da Silva
Werderscher Markt 9
10117 Berlin
Fax: 030-240 89 712
E-Mail: botschaft@botschaftangola.de
Amnesty fordert:
- Bitte sorgen Sie dafür, dass Tanaice Neutro, wie vom Gericht angeordnet, sofort freigelassen und seine Verurteilung aufgehoben wird, da sie ausschließlich auf die Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung zurückzuführen ist.
- Sorgen Sie auch dafür, dass er bis zu seiner Freilassung sofortigen Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung erhält, wenn nötig auch außerhalb des Gefängnisses.
Sachlage
Der als Tanaice Neutro bekannte Aktivist Gilson da Silva Morreira ist seit über einem Jahr willkürlich inhaftiert. Er wurde am 13. Januar 2022 bei der Kriminalpolizei in der angolanischen Hauptstadt Luanda festgenommen, als er sich dort nach einem anderen Aktivisten erkundigen wollte, der zwei Tage zuvor im Zusammenhang mit einem Streik der Taxifahrer*innen festgenommen worden war.
Tanaice Neutro ist ein bekannter Künstler, der seine Meinung zu gesellschaftlichen Themen in Angola häufig über Kuduro zum Ausdruck bringt, einen angolanischen Musikstil. Er wurde im Zusammenhang mit Videos festgenommen, die er in den Sozialen Medien veröffentlicht hatte. Darin bringt er seine Frustration über die Situation in Angola, das Ausmaß der Armut, die schlechte Regierungsführung, Korruption und Unterdrückung zum Ausdruck und fordert die Angolaner*innen auf, sich für ihre Rechte einzusetzen. Außerdem bezeichnete er in den Videos den Präsidenten als "Clown" und die Behörden – die er beschuldigte, durch die willkürliche Festnahme von Menschen ihre Macht zu missbrauchen – als "ignorant".
Am 22. April 2022 wurde Tanaice Neutro von einem erstinstanzlichen Gericht zunächst wegen vier Straftaten angeklagt (Verunglimpfung, kriminelle Vereinigung, Widerstand gegen Beamt*innen und Rebellion). Drei dieser Anklagen wurden später als unbegründet fallen gelassen. Tanaice Neutro wurde danach sechs Monate lang in Untersuchungshaft festgehalten, obwohl das Gesetz nur eine Dauer bis zu 90 Tagen erlaubt. Am 12. Oktober 2022 wurde er wegen seiner Äußerungen über den Präsidenten und die Behörden zu einer 15-monatigen Bewährungsstrafe wegen "Verunglimpfung von Staatssymbolen" (Paragraf 333 des Strafgesetzbuchs) verurteilt. Nach der Sichtung von Fotos und der Anhörung eines Arztes ordnete der Richter jedoch die sofortige Freilassung von Tanaice Neutro an, da dieser an schweren Hämorrhoiden litt, die dringend ärztlich behandelt werden mussten. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen ein Rechtsmittel beim Berufungsgericht ein, über das aber noch nicht entschieden wurde.
Tanaice Neutro muss dringend an den Hämorrhoiden operiert werden. Er leidet unter starken Kopfschmerzen und Fieber, und die Darmentleerung bereitet ihm große Schmerzen, sodass er die bereitgestellte Nahrung nicht essen kann. Es besteht auch große Sorge um seine psychische Gesundheit, da er bei zahlreichen Gelegenheiten Suizidgedanken geäußert hat. Die Verweigerung des Zugangs zu medizinischer Versorgung kann eine Form von Folter oder anderer Misshandlung darstellen.
Hintergrundinformation
Tanaice Neutro ist ein Aktivist und Künstler, der seine Meinung zu gesellschaftlichen Themen wie Armut, Ungleichheit, Korruption und schlechte Regierungsführung über Kuduro zum Ausdruck bringt, einen angolanischen Musikstil. In einem seiner Songs mit dem Titel "Protest" beschreibt er die Probleme, mit denen die Menschen in Angola konfrontiert sind und erläutert, warum immer mehr junge Menschen protestieren.
2020 wurde bei Tanaice Neutro eine Erkrankung der Hämorrhoiden diagnostiziert. Im darauffolgenden Jahr reiste er nach Namibia, um dort einen Spezialisten zu konsultieren. Dieser sah eine Operation für notwendig an. Bei seiner Festnahme befand er sich gerade im Aufbruch nach Namibia, um sich dort operieren zu lassen. Wegen der unbehandelten Hämorrhoidenerkrankung leidet Tanaice Neutro unter starken Schmerzen und hohem Fieber und kann wegen der Schmerzen seinen Darm oft nicht entleeren. Er wurde wegen seiner Kopfschmerzen ins Gefängniskrankenhaus verlegt, doch fehlt es dort an der nötigen Ausstattung, um die Hämorrhoidenoperation durchzuführen.
Nach wie vor ist unklar, warum Tanaice Neutro nicht freigelassen wurde, wie vom Gericht im Oktober 2022 angeordnet. Die fortgesetzte Inhaftierung trotz eines Gerichtsbeschlusses, der seine Freilassung anordnet, sowie die Tatsache, dass die Anschuldigungen ausschließlich auf die friedliche Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung zurückzuführen sind, machen seine Inhaftierung willkürlich.
Amnesty International ist besorgt angesichts der zunehmenden Zahl von Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen, die von den angolanischen Behörden ins Visier genommen werden, weil sie ihre Meinung unter anderem im Internet frei äußern. Dies ist ein klarer Verstoß gegen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung.