Transfrau in Männergefängnis inhaftiert

Regenbogenfahne weht in der Luft vor blauem Himmel mit wenigen kleinen Wolken

Am 6. März nahmen Angehörige des Geheimdienstes die 19-jährige Menschenrechtsverteidigerin Malak al-Kashef auf dem Wohnsitz ihrer Familie in Gizeh fest. Malak al-Kashef wird beschuldigt, eine terroristische Organisation zu unterstützen sowie die Sozialen Medien missbraucht zu haben, "um eine strafbare Handlung zu begehen". Am 10. März zwangen die Behörden sie zu einem Anal-Test in einem staatlichen Krankenhaus. Dort kam es zu weiteren sexualisierten Übergriffen. Momentan wird die Transfrau in einem Männergefängnis willkürlich festgehalten.

Appell an

Nabil Sadek

Office of the Public Prosecutor

Dar al-Qada al-Ali

Downtown Cairo

ÄGYPTEN

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN

S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty

Stauffenbergstraße 6-7

10785 Berlin

Fax: 030-477 1049

E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Amnesty fordert:

  • Ich bitte Sie, alle Anklagen gegen Malak al-Kashef fallenzulassen und sie umgehend und bedingungslos freizulassen. Malak al-Kashef ist eine gewaltlose politische Gefangene, die nur inhaftiert wurde, weil sie friedlich von ihrem Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht hat.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass Malak al-Kashef bis zu ihrer Freilassung weder gefoltert noch anderweitig misshandelt wird und ihre Haftbedingungen internationalen Standards entsprechen. Dies schließt insbesondere den Schutz vor sexualisierter Gewalt mit ein.
  • Ich rufe Sie dazu auf, die Anal-Tests – mit denen festgestellt werden soll, ob jemand Analsex hatte – sofort einzustellen. Solche Untersuchungen sind Folter.

Sachlage

Nachdem am 27. Februar bei einem Brand am Hauptbahnhof von Kairo 25 Menschen ums Leben gekommen waren, riefen verschiedene zivilgesellschaftliche Akteur_innen zu Protesten auf. Die Behörden reagierten mit einer massiven Verhaftungswelle. Auch die Festnahme und Verschleppung von Malak al-Kashef steht in diesem Zusammenhang. Die Aktivistin soll nach dem Unglück im Ramses-Bahnhof mit Online-Posts zu Protesten aufgerufen haben.

Am 6. März verschleppten Angehörige des Geheimdienstes (National Security Agency – NSA) die 19-jährige Menschenrechtsverteidigerin aus dem Wohnsitz ihrer Familie in Gizeh. Am 2. April verlängerte die Oberste Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit ihre willkürliche Inhaftierung ein zweites Mal um weitere 15 Tage. Außer ihr wurden mindestens 35 weitere Personen festgenommen. Momentan wird die Transfrau im Tora-Gefängnis von Kairo in Einzelhaft festgehalten – in einem reinen Männergefängnis.  

Einer ihrer Rechtsbeistände berichtete, dass sie am 10. März in einem staatlichen Krankenhaus zu einem Anal-Test gezwungen worden sei. Dort kam es auch zu weiteren sexualisierten Übergriffen durch das medizinische Personal. Solche Übergriffe sind eine Form von Folter und anderen Misshandlungen, die gegen die UN-Antifolterkonvention (Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe), den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die Afrikanische Menschen- und Völkerrechtskonvention verstoßen. Ägypten ist Vertragspartei aller drei Verträge. Amnesty International befürchtet, dass der Aktivistin durch ihre fortgesetzte Inhaftierung in einer Einrichtung, in der nur Männer festgehalten werden, weitere sexualisierte Übergriffe und Vergewaltigungen, sowohl durch das Wachpersonal als auch die Mitgefangenen, drohen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Menschenrechtsverteidigerin Malak al-Kashef ist in Ägypten für ihren Einsatz für LGBTI-Rechte bekannt. 2017 erregte sie Aufsehen, weil sie den Prozess ihrer Geschlechtsangleichung (Transition) in den Sozialen Medien öffentlich dokumentierte. Außerdem sprach sie im September 2018 in dem neuen Medienkanal Erem News, mit Sitz in Abu Dhabi, offen über ihren Suizidversuch. Sie hatte einen Sprung aus der fünften Etage mit schweren Arm- und Beckenverletzungen überlebt. In der Sendung berichtete sie, wie sie in öffentlichen Krankenhäusern um eine medizinische Behandlung kämpfen musste. Das medizinische Personal habe ihr gedroht, sie verhaften zu lassen. Zum Zeitpunkt ihrer Festnahme war Malak al-Kashef noch wegen ihrer Verletzungen in Behandlung. Diese muss auch in der Einzelhaft im Tora-Gefängnis dringend fortgesetzt werden. Als Diabetikerin muss sie sich außerdem täglich Insulin spritzen.

In den frühen Morgenstunden des 6. März 2019 überfielen Angehörige des Geheimdienstes NSA den Familienwohnsitz von Malak al-Kashef in Gizeh und entführten sie. Zuvor soll die Aktivistin über die Sozialen Medien zu Protesten aufgerufen haben, nachdem bei einem Feuer im Kairoer Ramses-Bahnhof 25 Personen gestorben waren. Die NSA-Angehörigen brachten Malak al-Kashef zunächst an einen geheimen Ort, bis sie am 7. März der Obersten Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit vorgeführt wurde. Ohne Rechtsbeistand wurde sie zu 15 Tagen Haft verurteilt. Am 10. März wurde sie auf Anordnung der Staatsanwaltschaft zu einem Anal-Test in einem staatlichen Krankenhaus gezwungen. Einer ihrer Rechtsbeistände berichtete, dass es auch zu weiteren sexualisierten Übergriffen und sonstiger Schikane durch das medizinische Personal gekommen sei.

Erst am 10. März konnten die Rechtsbeistände von Malak al-Kashef bestätigen, dass sie auf der Polizeiwache des Kairoer Stadtteils al-Haram in Einzelhaft gehalten wurde. Noch am Tag ihrer Festnahme hatten sie sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Innenministerium schriftlich darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Aktivistin über medizinische Unterlagen der Al-Hussein-Universitätsklinik verfüge, die belegen, dass sie sich momentan im Prozess ihrer Geschlechtsangleichung befindet. Da sie in ihren offiziellen Dokumenten, wie dem Personalausweis, jedoch noch als "männlich" ausgewiesen wird, wurde sie trotz der Atteste in ein Männergefängnis überstellt. Am 19. März erließ ein Staatsanwalt eine 15-tägige Haftverlängerung und ordnete ihre Überstellung in das Tora-Gefängnis an. Malak al-Kashef wird in dem Strafverfahren mit dem Aktenzeichen 1739/2018 willkürlich beschuldigt, eine terroristische Organisation zu unterstützen sowie die Sozialen Medien missbraucht zu haben, "um eine strafbare Handlung zu begehen". Einer ihrer Rechtsbeistände gibt an, dass im gleichen Fall noch mindestens 35 weitere Personen angeklagt sind. Auch sie wurden im Zusammenhang mit Protestaufrufen nach dem verheerenden Bahnhofsbrand in Kairo festgenommen.

In Ägypten sind weder gleichgeschlechtlicher Sex noch geschlechtsangleichende Operationen verboten. Doch in den letzten Jahren sind die ägyptischen Behörden massiv gegen LGBTI vorgegangen. Dutzende wurden festgenommen und mittels Gesetzen gegen "Ausschweifung" wurden zahlreiche Personen zu Anal-Tests gezwungen. Dieses Vorgehen ist ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht.