Ägypten: Mönch droht Hinrichtung

Vor gelbem Hintergrund ist ein Galgenstrick zu sehen, sowie die Schrift "Hinrichtung verhindern!"

Dem zum Tode verurteilten Mönch Wael Tawadros droht die Hinrichtung. Nach schweren Menschenrechtsverletzungen, darunter Verschwindenlassen, Folter und ein unfaires Verfahren, verurteilte ihn ein Gericht im April 2019 zum Tode. Das Urteil wurde im Rechtsmittelverfahren bestätigt, obwohl das "Geständnis" unter Folter erlangt wurde. Die Zahl der Hinrichtungen in Ägypten hat sich 2020 im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Es wird befürchtet, dass weitere Häftlinge im Todestrakt jederzeit hingerichtet werden könnten.

Appell an

Staatspräsident

Abdel Fattah al-Sisi

Office of the President

Al Ittihadia Palace

Cairo


ÄGYPTEN

Sende eine Kopie an

Botschaft von Ägypten

S. E. Herrn

Khaled Mohamed Galaleldin Abdelhamid

Stauffenbergstraße 6-7

10785 Berlin 

Fax: 030-477 1049

E-Mail: 
embassy@egyptian-embassy.de

Amnesty fordert:

  • Bitte wandeln Sie das Todesurteil gegen Wael Tawadros um. Sein Schuldspruch sollte aufgehoben werden und er sollte in Übereinstimmung mit internationalen Standards für ein faires Gerichtsverfahren eine Neuverhandlung erhalten.
  • Stellen Sie bitte auch sicher, dass er regelmäßigen Zugang zu seiner Familie, seinem Rechtsbeistand und einer_m qualifizierten Vertreter_in seiner Religion erhält.
  • Bitte veranlassen Sie umgehend die Verhängung eines offiziellen Hinrichtungsmoratoriums als ersten Schritt in Richtung der Abschaffung der Todesstrafe.

Sachlage

Der Mönch Wael Tawadros ist in unmittelbarer Gefahr, hingerichtet zu werden. Wael Tawadros wurde im April 2019 der Tötung eines Bischofs schuldig gesprochen und nach einem höchst unfairen Verfahren zum Tode verurteilt; das Gericht stützte sich auf "Geständnisse", die unter Folter erlangt worden waren, obwohl der Angeklagte sie vor Gericht widerrief. Im Juli 2020 hielt das Kassationsgericht das Todesurteil aufrecht und auch der Großmufti bestätigte das Strafmaß. Das Urteil ist nun nicht mehr anfechtbar. Nur noch die Umwandlung des Urteils durch den ägyptischen Präsidenten könnte Wael Tawadros vor der Hinrichtung schützen.

Die Festnahme von Wael Tawadros erfolgte im Zusammenhang mit der Tötung eines Bischofs am 29. Juli 2018 im Kloster von St. Macarius in Wadi al-Natrun im Gouvernement Behira nordwestlich von Kairo. In der von Amnesty International eingesehenen Fallakte behaupten die Behörden, dass Wael Tawadros am 10. August 2018 an einem Kontrollpunkt im Gouvernement Behira festgenommen wurde. Doch gut informierte Quellen geben an, dass Polizeikräfte ihn am 5. August 2018 im Kloster St. Macarius festnahmen. Die Polizei brachte ihn dann an einen unbekannten Ort und er wurde bis zum 10. August 2018 Opfer des Verschwindenlassens. Am 10. August 2018 wurde er der Staatsanwaltschaft vorgeführt und ohne einen Rechtsbeistand befragt. Laut Fallakte ordnete die Staatsanwaltschaft am 5. August 2018 an, dass Wael Tawadros während der Ermittlungen mit niemand kommunizieren dürfe. Bis zum 28. August verweigerten die Behörden seiner Familie und dem Rechtsbeistand jeglichen Kontakt mit ihm. Ein Rechtsbeistand, der beauftragt worden war, Wael Tawadros zu vertreten, sagte im Verfahren aus, er habe sich gezwungen gesehen, das Mandat niederzulegen, als ihm jede Kommunikation mit seinem Mandanten verweigert wurde.

Wael Tawadros' Rechte wurden während des Verfahrens missachtet, darunter sein Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand, sein Recht, sich nicht selbst zu belasten, und sein Recht auf ein faires Gerichtsverfahren vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht. Nach Angaben seiner Familie fiel Wael Tawadros nach seiner Festnahme am 5. August 2018 dem Verschwindenlassen zum Opfer. Bis zum 28. August 2018 weigerte sich das Innenministerium, seine Inhaftierung zu bestätigen und Informationen über sein Schicksal und seinen Verbleib öffentlich zu machen. Aus einer von Amnesty geprüften Audioaufnahme der Aussage von Wael Tawadros am 27. Januar 2019 vor Gericht geht hervor, dass Polizist_innen ihn in dieser Zeit in das Kloster brachten, in dem der Mord stattgefunden hatte. Dort zogen sie ihm alle Kleidung aus, zwangen ihn dann dazu, seine Mönchsrobe anzuziehen, schlugen ihn, quälten ihn mit Elektroschocks und befahlen ihm anschließend, den vermeintlichen Mord bei laufender Kamera nachzustellen.

Laut Aussagen der Familie von Wael Tawadros wird er auf Veranlassung der Gefängnisverwaltung von Abaadiya im Gouvernement Al-Behira im Norden Ägyptens, wo er seit August 2018 inhaftiert ist, diskriminiert und bestraft, indem er mit niemandem Korrespondenz haben darf und ihm der regelmäßige Zugang zu einem Priester verweigert wird. Die Gefängnisverwaltung verstößt mit diesem Vorgehen gegen internationale Standards und gegen ägyptisches Recht. Andere Häftlinge in diesem Gefängnis können diese Rechte wahrnehmen. Außerdem wird er in einem Gefängnis festgehalten, das Hunderte Kilometer vom Wohnort seiner Familie im Gouvernement Asyut entfernt liegt. Dadurch entsteht bei Gefängnisbesuchen eine unrechtmäßig höhere finanzielle Belastung für die Familie.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Trotz dieser deutlichen Verstöße und dem Mangel an stichhaltigen Beweisen sprach das Strafgericht in Damanhour Wael Tawadros und einen Mitangeklagten am 24. April 2019 der Tötung von Anba Epiphanius schuldig und verurteilte beide Männer zum Tode. Das Gericht berief sich dabei fast ausschließlich auf die unter Folter erlangten "Geständnisse". Am 1. Juli 2020 bestätigte das Kassationsgericht das Urteil gegen Wael Tawadros, ohne seine Foltervorwürfe untersucht zu haben und obwohl es die Verletzung seines Rechts auf eine_n Verteidiger_in anerkannte. Das Gericht hielt auch den Schuldspruch gegen seinen Mitangeklagten aufrecht, wandelte dessen Todesurteil aber in eine lebenslange Haftstrafe um.

Im Jahr 2020 haben die ägyptischen Behörden mindestens 107 Personen hingerichtet. Damit ist die Zahl der registrierten Hinrichtungen im Land im Vergleich zu den Vorjahren stark gestiegen. Diese schockierenden Hinrichtungszahlen sind wahrscheinlich noch zu niedrig, da die ägyptischen Behörden keine Statistiken über Hinrichtungen oder die Anzahl der Gefangenen im Todestrakt veröffentlichen; auch informieren sie weder Familien noch Rechtsbeistände im Voraus über Hinrichtungen. Die ägyptischen Behörden gehen zudem gegen Menschenrechtsorganisationen vor, die sich mit der Todesstrafe beschäftigen. Während Ägypten, wie andere Regierungen auch, die Pflicht hat, die für Gewalttaten Verantwortlichen vor Gericht zu stellen, muss dies in voller Übereinstimmung mit Ägyptens Menschenrechtsverpflichtungen, einschließlich des Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren, geschehen. Amnesty International hat immer wieder systematische Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren in Ägypten dokumentiert, namentlich des Rechts auf eine angemessene Verteidigung, auf die sofortige Vorführung vor eine_n Richter_in, auf Anfechtung der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung, auf die Unschuldsvermutung, auf das Recht zu schweigen und nicht gezwungen zu werden, sich selbst zu belasten oder sich schuldig zu bekennen, auf vollständigen Zugang zu relevanten Beweisen, auf eine faire, öffentliche Anhörung vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht und auf eine echte Überprüfung. Folter ist in Ägypten weit verbreitet und wird häufig angewandt, um "Geständnisse" zu erpressen, die anschließend auch vor Gericht als Beweismittel zugelassen werden. Zudem unterlassen Gerichte es regelmäßig, Untersuchungen zu Foltervorwürfen anzuordnen.