Im Hungerstreik gegen willkürliche Inhaftierung

Diese Urgent Action ist beendet.

Am 26. März wurde der Aktivist Islam Khalil nach mehr als einem Jahr willkürlicher Inhaftierung endlich freigelassen. Zwar hatte der Strafgerichtshof von Kairo bereits am 19. Februar 2019 seine Freilassung unter Auflagen angeordnet, doch als ihn die Polizei am 25. Februar zur Abwicklung der Freilassungsformalitäten auf die Polizeiwache in Al-Santa brachte, ließen ihn die dortigen Polizeiangehörigen nicht frei sondern nahmen ihn wieder in Haft. Kontakt zur Außenwelt war ihm nicht gestattet, seine Angehörigen erhielten keinerlei Auskünfte.

Porträbild von Islam Khalil, im Hintergrund Stadt

Islam Khalil wurde Opfer des Verschwindenlassens und der willkürlichen Inhaftierung in Ägypten

Islam Khalil ist seit dem 25. Januar im Hungerstreik. In Haft ist er auf der Grundlage konstruierter Vorwürfe bereits seit dem 10. März 2018. Amnesty geht davon aus, dass die gegen ihn erhobenen Anklagen Vergeltungsmaßnahmen für seine vermeintlichen politischen Aktivitäten sind. Er selbst weist alle Vorwürfe zurück. Nachdem seine Untersuchungshaft um weitere 45 Tage verlängert wurde, trat er jetzt gemeinsam mit vier weiteren Gefangenen in den Hungerstreik. Er muss dringend medizinisch versorgt werden.

Appell an

Nabil Sadek

Office of the Public Prosecutor

Dar al-Qada al-Ali, Down Town

Cairo

ÄGYPTEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der arabischen Republik Ägypten

S. E. Herrn

Badr Ahmed Mohamed Abdelatty 

Stauffenbergstraße 6-7

10785 Berlin 

Fax: 030-477 1049

E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Amnesty fordert:

  • Bitte lassen Sie Islam Khalil umgehend und bedingungslos frei, da er sich in willkürlicher Haft befindet, und lassen Sie alle Anklagen gegen ihn fallen.
  • Stellen Sie zudem bitte sicher, dass Islam Khalil bis zu seiner Freilassung vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt ist und dass seine Haftbedingungen, auch der Zugang zu Wasser, Nahrung, medizinischer Versorgung und Medikamenten, den internationalen Standards entsprechen.
  • Bitte führen Sie umgehend eine zielführende, unabhängige und unparteiische Untersuchung sowohl zu seinen Folter- und Misshandlungsvorwürfen als auch den Umständen seines Verschwindenlassens vom 10. März bis zum 1. April 2018 durch und stellen Sie alle mutmaßlich Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht.

Sachlage

Am 25. Januar jährte sich die Revolution von 2011 zum achten Mal. An diesem Tag traten Islam Khalil und vier weitere Gefangene in den Hungerstreik, um gegen ihre willkürliche Inhaftierung zu protestieren. Islam Khalil wurde am 10. März 2018 Opfer des Verschwindenlassens. Erst drei Wochen später erhielten seine Angehörigen Informationen zu seinem Aufenthaltsort: Am 2. April 2018 berichtete ihnen jemand, Islam Khalil im Untersuchungsgefängnis Tora im Gouvernement Kairo gesehen zu haben. 

Islam Khalil wird nach wie vor festgehalten. Grundlage für seine Inhaftierung sind die Vorwürfe "Mitgliedschaft in einer illegalen Gruppierung" und "Verbreitung falscher Nachrichten". Amnesty International geht allerdings davon aus, dass die gegen ihn erhobenen Anklagen Vergeltungsmaßnahmen für seine vermeintlichen politischen Aktivitäten sind. Allem Anschein nach wird ihm zur Last gelegt, auf Facebook zu einem Boykott der Präsidentschaftswahlen aufgerufen zu haben. Drei Mitangeklagte waren derselben Vergehen beschuldigt worden, doch sie wurden im September 2018 freigelassen. Islam Khalil wehrt sich gegen diese Vorwürfe. Trotzdem verlängerte das Strafgericht Kairo am 8. Januar seine Untersuchungshaft um weitere 45 Tage. 

Die Haftbedingungen von Islam Khalil sind schlecht. Er teilt sich eine kleine Zelle mit 14 weiteren Inhaftierten, muss auf dem Boden schlafen und leidet an Rückenschmerzen und anderen Gesundheitsproblemen. Der Zugang zur dringend benötigten medizinischen Versorgung wird ihm verweigert.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Islam Khalil wurde am 10. März 2018 bereits zum zweiten Mal Opfer des Verschwindenlassens. Seine Familie berichtete, dass sie an diesem Tag zum letzten Mal aus der Stadt Aswan von ihm hörte. Nachdem sie den Kontakt mit Islam Khalil verloren hatten, wandten sich seine Angehörigen an die Polizeiwache in Aswan, um zu erfahren, ob er sich dort im Gewahrsam befand. Dies wurde jedoch bestritten. Am 15. März reichte die Familie Beschwerde bei einer Staatsanwaltschaft ein, erhielt darauf jedoch keine Reaktion. Sie wandte sich auch an die Staatsanwaltschaft in Hurghada, südöstlich von Kairo, und an die Staatsanwaltschaft in Aswan. Bei beiden Behörden erhielt die Familie die Auskunft, dass sich Islam Khalil nicht in ihrem Gewahrsam befände. Erst am 2. April erhielten seine Angehörigen zum ersten Mal Informationen zum Aufenthaltsort von Islam Khalil, als ein_e Besucher_in des Untersuchungsgefängnisses Tora im Gouvernement Kairo ihnen berichtete, Islam Khalil dort gesehen zu haben. Berichten seiner Familienangehörigen zufolge verhörte die Staatsanwaltschaft der ägyptischen Staatssicherheit Islam Khalil am 1. April 2018 ohne Rechtsbeistand. Zwischen dem 11. März und dem 1. April war Islam Khalil also "verschwunden", seine Familie durfte ihn erst zwölf Tage danach besuchen.

Laut Islam Khalils Bruder ließ die Gefängnisverwaltung es einen Monat lang nicht zu, dass seine Angehörigen ihm Bücher oder Nahrungsmittel brachten oder ihn besuchten. Einmal wurde er in eine von Ungeziefer befallene Zelle verlegt und erhielt weder Wasser noch angemessene Nahrung. Dann wurde er in eine andere Zelle mit Gefangenen verlegt, die ihn zum Beten zwangen und ihm untersagten zu rauchen und Bücher seiner Wahl zu lesen. In einem am 15. August 2018 verfassten Brief schreibt Islam Khalil: "Wir sind und bleiben auf dem Weg der Liebe, und wir fordern Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden. Ich appelliere an euch, freie Vögel der Hoffnung, singt in unserem Namen und seid die Sonne, die uns beschützt. Schreibt über uns und verschafft uns Gehör, da unsere Stimmen gewaltsam zum Schweigen gebracht wurden."

Drei Jahre zuvor wurde Islam Khalil zum ersten Mal Opfer des Verschwindenlassens. Am 24. Mai 2015 verschleppten ihn Angehörige des ägyptischen Geheimdienstes aus seinem Haus in al-Santa im Gouvernement Al Gharbiyah. Damals gaben die Behörden nicht zu, dass sie gefangen hielten und verheimlichten 122 Tage lang sein Schicksal und seinen Verbleib. In dieser Zeit wurde Islam Khalil eigenen Angaben zufolge und laut Informationen seiner Familie und seines Rechtsbeistands von Angehörigen des Geheimdienstes gefoltert und anderweitig misshandelt, um ihn zu zwingen, Straftaten zu "gestehen", die er nicht begangen hatte. Am 31. August 2016 wurde er, zehn Tage nachdem die Staatsanwaltschaft seine Freilassung gegen Kaution angeordnet hatte, freigelassen. Ihm wurde vorgeworfen, der Muslimbruderschaft anzugehören, zu Gewalt angestiftet und Sicherheitskräfte angegriffen zu haben.

Eine willkürliche Inhaftierung wie die von Islam Khalil bedeutet, dass Personen ohne rechtmäßigen Grund oder ohne ein rechtliches Verfahren inhaftiert werden. Im Dezember 2017 schlugen die ägyptischen Behörden im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen eine neue, noch härtere Gangart gegen Kritiker_innen ein.