Amnesty Journal Sri Lanka 02. Oktober 2009

Sanath Balasooriya: "Die Situation in den Flüchtlingslagern ist furchtbar"

Ein Gespräch mit Sanath Balasooriya. Der Journalist ist Mitglied des "Free Media Movement" und von "Journalists for peace", die sich für die Rechte der tamilischen Minderheit und Friedensverhandlungen einsetzen. Wegen seiner kritischen Berichterstattung verhängte die Regierung ein Schreibverbot gegen ihn. Nachdem im Januar ein Kollege Balasooriyas erschossen wurde, fürchtete er um sein Leben und kam als Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte und mit Unterstützung von Amnesty International nach Deutschland.

Nach dem Ende des Bürgerkriegs in Sri Lanka hält die Armee noch 300.000 Flüchtlinge in Lagern fest. Wie ist die Situation?
Neben der katastrophalen Versorgungslage und sich ausbreitenden Krankheiten verschwinden täglich junge Männer; Frauen werden vergewaltigt. Jetzt hat sich die Lage wegen der starken Regenfälle noch verschlimmert. Wir Journalisten werden daran gehindert, über die Situation vor Ort zu berichten. Deswegen glauben viele, mit dem Sieg über die tamilischen Separatisten von der LTTE sei Frieden in Sri Lanka eingekehrt – aber das ist nicht wahr. Die Situation ist furchtbar.

Die Regierung erklärte, sie wolle die Lager wieder schließen.
Dann müsste sie damit anfangen, die Rückführungen zu organisieren. Im Osten gibt es Flüchtlingslager, die seit dem Tsunami 2004 bestehen, und auch hier gibt es keine Bemühungen, sie zu schließen. Wie können wir mit diesen Erfahrungen an die jetzigen Versprechen glauben? Als erstes müssten die so genannten Hochsicherheitszonen im Norden des Landes aufgelöst werden, die seit über 15 Jahren existieren. Sonst haben die meisten Menschen gar keinen Ort, an den sie zurückkehren könnten.

Amnesty fordert die Schließung der Flüchtlingslager.
Wir brauchen die internationale Aufmerksamkeit. Wer in Sri Lanka seine Stimme gegen die Regierung erhebt, gilt sofort als Unterstützer der Rebellen und wird verfolgt. Wenn Organisationen wie Amnesty es schaffen, Druck auf die Regierung auszuüben, kann sich etwas verändern.

Der UNO-Menschenrechtsrat hat kürzlich die Regierung für ihren Einsatz gegen die tamilischen Rebellen gelobt.
Es gibt neue Koalitionen. Verbündete wie China sorgen dafür, dass das Vorgehen der Regierung nicht kritisiert wird. Die Regierung gilt international als erfolgreich im "Krieg gegen den Terror", ihr brutales Vorgehen wird toleriert. Dabei müsste ein solches Gremium Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka ­untersuchen – und nicht nur in den Flüchtlingslagern. Allein in Colombo sind 20 Menschen in den letzten 18 Monaten getötet worden, weil sie unbequem waren. Sie wurden als Unterstützer der Rebellen oder Kriminelle diffamiert. Die internationale Gemeinschaft muss sich für ein Ende der Menschenrechtsverletzungen und für Pressefreiheit einsetzen.

Zehntausende fielen den Bombardements der Regierung zum ­Opfer. Offiziell gab es darunter keine Zivilisten.
Wer könnte sagen, ob es sich bei einem Toten um einen Rebellen oder einen Zivilisten handelt? Schließlich tragen Rebellen keine Mitgliedsausweise. Die Regierung behauptet einfach, dass jeder Tote ein Rebell, zumindest aber ein Unterstützer ­gewesen sei. Wenn Kinder ums Leben kamen behauptete sie, es wären Kindersoldaten gewesen. Die Bomben wurden auf Wohngebiete geworfen, denn dort lebten auch die Rebellen. Wir gehen davon aus, dass sehr viele der Opfer Zivilisten waren.

Interview: Tatjana Schütz

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