Amnesty Journal 06. Februar 2009

Gegen alle Widerstände

Im Norden Nigerias werden immer wieder Frauen zum Tod durch Steinigung verurteilt. Dem Einsatz von Menschenrechtsverteidigern wie Hauwa Ibrahim ist es zu verdanken, dass bisher keines dieser Urteile vollstreckt wurde.

Amina Lawals Todesurteil stand schon fest: Die damals 31-jährige Nigerianerin sollte 2002 bis unter die Brust eingegraben werden. Eine Menschenmenge hätte sie dann so lange mit Steinen beworfen, bis sie gestorben wäre. So schreibt es die Scharia vor, die im islamisch geprägten Norden Nigerias angewendet wird.

Amina Lawal hatte ein Kind zur Welt gebracht, zwei Jahre nach ihrer Scheidung. Ein islamisches Dorfgericht in der Provinz Katsina verurteilte sie daraufhin wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs zum Tode. Dass sie heute noch lebt, verdankt sie vor allem dem Einsatz von Hauwa Ibrahim. Die mutige und engagierte Rechtsanwältin erstritt vor einem religiösen Berufungsgericht einen Freispruch.

Seit 1999 verteidigte Ibrahim über 100 Mandanten, die nach der Scharia zu grausamen Strafen verurteilt worden waren, wie Auspeitschen, Steinigungen oder Amputationen. Die meisten ihrer Klienten sind Frauen und Jugendliche aus ärmlichen Verhältnissen. Die zweifache Mutter arbeitet daher oft ohne Bezahlung. Für ihren Einsatz zeichnete sie das Europaparlament 2005 mit dem "Sacharow-Preis für geistige Freiheit" aus.

Ibrahims Einsatz ist nicht nur die Geschichte eines Kampfes gegen menschenverachtende Scharia-Urteile, sondern auch gegen die alltägliche Diskriminierung der Frauen. Bei ihrem ersten Gerichtsverfahren verboten ihr die Richter zu sprechen, da dies nur Männern erlaubt sei. Sie ließ sich daher von männlichen Kollegen vertreten, denen sie per Zettel Anweisungen gab.
Schon früh lernte die gläubige Muslimin, sich gegen Widerstände durchzusetzen. Geboren als Tochter eines Mullahs in einem kleinen armen Dorf, sollte sie im Alter von zwölf Jahren verheiratet werden. Doch sie weigerte sich. Dank der Unterstützung ihrer Mutter schloss sie die Schule ab und studierte.

Trotz mehrerer Morddrohungen setzt sie ihren Kampf fort, das Scharia-Recht mit den Menschenrechten in Einklang zu bringen. Im Amnesty Journal erklärte sie einmal: "Wir leben nicht mehr in einer Welt wie vor 2.000 Jahren. Wir als Frauen, als Rechtsanwältinnen und als Bürgerinnen, wollen innerhalb unserer Kultur eine bessere Welt schaffen. Und das erreicht man, indem man Menschenleben respektiert und wertschätzt. Und auch dadurch, dass wir das Recht respektieren."

Von Daniel Kreuz

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