Amnesty Report Kuba 07. Juni 2016

Kuba 2016

 

Ungeachtet der weiteren Normalisierung der diplomatischen Beziehungen im Jahr 2015 waren die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und Freizügigkeit noch immer stark eingeschränkt. Tausende Fälle wurden gemeldet, in denen Regierungsgegner drangsaliert, willkürlich festgenommen und inhaftiert worden waren.

Hintergrund

2015 erlebten die diplomatischen Beziehungen Kubas einen bemerkenswerten Aufschwung. Im April kam es beim Gipfeltreffen der Organisation Amerikanischer Staaten, an dem Kuba erstmals teilnahm, zu einem Treffen zwischen Präsident Raúl Castro Ruz und US-Präsident Barack Obama – es war das erste Mal seit fast 60 Jahren, dass sich Regierungschefs der beiden Länder trafen. Im Mai 2015 strichen die USA Kuba von der Liste staatlicher Unterstützer des internationalen Terrorismus. Im Sommer eröffneten Kuba und die USA wieder Botschaften im jeweils anderen Land und kündigten die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen an.

Gleichwohl verlängerte US-Präsident Obama im September 2015 noch einmal das Gesetz über den Handel mit dem Feind (Trading with the Enemy Act), das finanzielle und wirtschaftliche Sanktionen gegen Kuba beinhaltet. Im Oktober verabschiedete die UN-Generalversammlung zum 24. Mal in Folge eine Resolution, in der die USA zur Aufhebung des einseitigen Handelsembargos gegen Kuba aufgefordert werden.

Bis Ende 2015 hatte Kuba weder den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte noch den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ratifiziert, obwohl beide bereits im Februar 2008 unterzeichnet worden waren. Auch die Ratifizierung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs stand noch aus.

Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit

Regierungskritiker mussten 2015 weiterhin nicht nur mit Schikanen und politisch motivierter Strafverfolgung rechnen, sondern auch mit repressiven Aktionen von Regierungsanhängern (actos de repudio), die von Beamten der Staatssicherheit unterstützt wurden. Das Justizwesen stand nach wie vor unter direkter politischer Kontrolle.

Die Regierung kontrollierte unverändert den Zugang zum Internet und ließ Webseiten blockieren oder filtern, um den Zugang zu Informationen einzuschränken und Kritik am Staat zu verhindern. Aktivisten berichteten, dass während des Besuchs von Papst Franziskus im September 2015 Mobiltelefone blockiert wurden.

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

2015 trafen immer wieder Berichte ein, wonach Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und andere Regierungskritiker willkürlich festgenommen und für kurze Zeit in Haft gehalten wurden, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie Freizügigkeit wahrgenommen hatten.

Die Kubanische Kommission für Menschenrechte und Nationale Versöhnung (Comisión Cubana de Derechos Humanos y Reconciliación Nacional – CCDHRN) dokumentierte 2015 mehr als 8600 politisch motivierte Inhaftierungen von Regierungsgegnern und politisch aktiven Bürgern.

Vor dem Besuch von Papst Franziskus im September 2015 kündigten die Behörden an, 3522 Gefangene freizulassen. Nach Angaben der offiziellen Tageszeitung der Kommunistischen Partei Granma handelte es sich dabei vor allem um Menschen, die älter als 60 Jahre waren, Jugendliche unter 20 Jahren ohne Vorstrafen, Gefangene mit chronischen Erkrankungen und ausländische Staatsangehörige, deren Herkunftsländer sich mit der Rück-übernahme einverstanden erklärt hatten.

Vor und während des Papstbesuchs meldeten Menschenrechtsaktivisten und Journalisten jedoch einen erheblichen Anstieg von Festnahmen und Kurzzeitinhaftierungen. Allein im September kam es nach Angaben der CCDHRN zu 882 willkürlichen Festnahmen. Zu den Inhaftierten gehörten auch drei engagierte Bürger, die sich Berichten zufolge an den Papst wenden wollten, um mit ihm über die Menschenrechte zu sprechen. Sie traten in der Haft in den Hungerstreik.

Mitglieder und Unterstützer der Frauengruppe Damen in Weiß (Damas de Blanco), die sich für die Freilassung aller politischen Gefangenen und größere Freiheiten im Land einsetzt, wurden nach Angaben der CCDHRN immer wieder festgenommen und bis zu 30 Stunden in Haft gehalten. Dasselbe galt für Mitglieder der Dissidentengruppe Unión Patriótica de Cuba. Die Festnahmen sollten offenbar bewirken, dass die Aktivisten nicht an ihren regelmäßigen Sonntagsmärschen teilnehmen konnten und ihren Protest einstellen würden.

Am 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, inhaftierte die politische Polizei Aktivisten, um sie von friedlichen Protesten abzuhalten. Viele von ihnen wurden in ihren Wohnungen festgenommen. Außerdem wurden Journalisten daran gehindert, ihre Büros zu verlassen, um darüber zu berichten.

Gewaltlose politische Gefangene

Politisch motivierte Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Regierungskritiker oder entsprechende Drohungen stützten sich auf Gesetze, in denen "Störung der öffentlichen Ordnung", "Missachtung", "Respektlosigkeit", "Gefährlichkeit" und "Aggressivität" unter Strafe gestellt werden.

Im Januar 2015 wurden mehr als 50 Personen freigelassen, von denen anzunehmen ist, dass sie aus politischen Gründen in Haft saßen. Die USA hatten im Zuge einer Vereinbarung über die "Normalisierung" der Beziehungen zwischen den beiden Staaten ihre Freilassung gefordert. Unter den Freigelassenen waren auch fünf gewaltlose politische Gefangene: Die drei Brüder Vianco, Django und Alexeis Vargas Martín kamen am 7. und 8. Januar frei. Sie mussten sich anschließend jedoch regelmäßig bei den Behörden melden. Die drei Männer hatten sich seit Dezember 2012 in Haft befunden und waren im Juni 2014 wegen "anhaltender Störung der öffentlichen Ordnung" zu Freiheitsstrafen von zweieinhalb bzw. vier Jahren verurteilt worden. Am 8. Januar wurden auch die beiden gewaltlosen politischen Gefangenen Iván Fernández Depestre und Emilio Planas Robert aus der Haft entlassen. Ihre Freilassung wurde offenbar nicht an Bedingungen geknüpft. Die beiden waren wegen "Gefährlichkeit" zu drei bzw. dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden.

Im Juni 2015 kam der gewaltlose politische Gefangene Ciro Alexis Casanova Pérez nach Verbüßung seiner Haftstrafe aus dem Gefängnis frei. Er war im Dezember 2014 wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" verurteilt worden, nachdem er in seiner Heimatstadt Placetas ganz allein gegen die Regierung demonstriert hatte.

Der unter dem Künstlernamen "El Sexto" bekannte Graffiti-Künstler Danilo Maldonado Machado kam am 20. Oktober 2015 aus der Haft frei. Der gewaltlose politische Gefangene war am 25. Dezember 2014 in Havanna während einer Taxifahrt von Beamten der Staatssicherheit festgenommen worden. Er hatte in dem Taxi zwei Schweine transportiert, auf deren Rücken er die Namen "Raúl" und "Fidel" gemalt hatte. Im Rahmen einer künstlerischen Inszenierung wollte er die Tiere am ersten Weihnachtsfeiertag in einem Park in Havanna freilassen. Er wurde der "Respektlosigkeit gegenüber den Revolutionsführern" beschuldigt, aber nicht vor Gericht gestellt.

Internationale Kontrolle

Amnesty International hat seit 1990 keinen Zugang zu Kuba.

Weitere Artikel