DEINE SPENDE KANN LEBEN RETTEN!
Mit Amnesty kannst du dort helfen, wo es am dringendsten nötig ist.
DEINE SPENDE WIRKT!
Unterricht mal anders
Amnesty-Workshop mit Mieze von MIA. und dem syrischen Pianisten Aeham Ahmad am Düsseldorfer Georg-Büchner-Gymnasium am 21. Juni 2016.
© Amnesty International
Als Auszeichnung ihres Engagements beim Amnesty-Briefmarathon 2015 hatten die Schülerinnen und Schüler des Philosophiekurses des Georg-Büchner-Gymnasiums in Düsseldorf einen Workshop mit der Band MIA. gewonnen. Mit dabei war auch der syrische Pianist Aeham Ahmad, bekannt durch seine Konzerte in den Trümmern von Damaskus. In diesem Blog-Beitrag beschreibt Zöhre Yari, wie der Workshop ablief.
Zöhre Yari ist 18 Jahre alt und Schülerin des Georg-Büchner-Gymnasiums in Düsseldorf
Eine Frau in El Salvador, die nach einer Fehlgeburt wegen Mordes verurteilt wird. Zwei Männer in Griechenland, die zusammenschlagen werden, nur weil sie homosexuell sind. Ein 17-jähriger Junge, der im Iran zum Tode verurteilt wird. Dies sind nur einige der Menschen, für die sich Amnesty vergangenes Jahr mit dem Briefmarathon eingesetzt hat. Insgesamt kamen weltweit über 3,7 Millionen Appelle für Menschen in Not und Gefahr zusammen.
Und auch unser Philosophie-Kurs machte mit!
Vor allem der Fall von Teodora del Carmen Váquez aus El Salvador, eines der Länder mit den strengsten Abtreibungsgesetzen, schockierte uns sehr: Als sie eine Fehlgeburt hatte, wurde sie noch in der Klinik festgenommen und trotz Blutungen ins Gefängnis gebracht. Später wurde sie wegen Mordes zu 30 Jahren Haft verurteilt. Einfach unfassbar!
Gegen genau solches Unrecht wollten wir etwas tun. Dass unter den Schulen, die in Deutschland am Briefmarathon teilnahmen, ein Workshop zum Thema "Musik und Menschenrechte" verlost wurde, wussten wir. Wir hätten aber niemals gedacht, dass wir es sein würden, die gewinnen.
Als wir dann davon erfuhren, waren wir alle sehr überrascht. Erst dadurch wurde uns so wirklich klar, dass auch wir als Jugendliche etwas Großes bewegen können, und dass unser Engagement beachtet und gewürdigt wird. Unser Einsatz fühlte sich gewissermaßen realer an durch den Sieg.
Der Workshop fand dann im Juni an unserer Schule statt, mit Mieze Katz, Sängerin der Band MIA, und dem Pianisten Aeham Ahmad, der vor dem Krieg in seiner Heimat Syrien nach Deutschland geflohen war.
Nachdem wir uns alle gegenseitig vorgestellt hatten, sollten wir uns Mieze und Aeham für ein paar Minuten genauer anschauen. Sie standen in unserer Mitte und drehten sich ein paar Mal jedem einzelnen zu. Es war ziemlich komisch, jemanden so lange anzugucken, den man überhaupt nicht kennt.
Sängerin Mieze Katz von MIA.
© Amnesty International
Man nimmt jeden Menschen unterschiedlich wahr, und die Information, dass Aeham ein Flüchtling ist, hat am Anfang meine Meinung über ihn gewissermaßen beeinflusst. Ich habe selbst einen türkisch-afghanischen Migrationshintergrund, nur habe ich völlig andere Lebenserfahrungen gemacht als Aeham. Wenn man mir auf der Straße begegnet, kommt man nicht auf den Gedanken, dass ich eine "Ausländerin" bin. Bei ihm wäre das wahrscheinlich anders. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich an ihm unterbewusst zuerst nach den typischen Klischees eines Flüchtlings gesucht habe. Dann dachte ich an die Vorurteile vieler Menschen in Deutschland, und wie es für Aeham sein muss, jeden Tag gegen diese Vorurteile anzukämpfen.
Anschließend fragte uns Mieze, was für Unterschiede und Gemeinsamkeiten wir an ihr und Aehem erkennen können. Die ersten Merkmale, die wir nannten, waren alle äußerliche Eigenschaften. Dann begannen wir immer stärker zu diskutieren und uns intensiver mit Mieze und Aeham auseinanderzusetzen. Es kamen keine äußerlichen Beschreibungen mehr. Alle waren vorsichtig mit ihren Formulierungen. Man spekulierte über seine Religion, seine Lebensumstände damals und heute, und was er auf seiner Flucht erlebt hat. Um einen besseren Überblick zu bekommen, haben wir die Aussagen in einer Tabelle eingeordnet. Jetzt hatten wir die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede vor uns liegen. Wenn man sich die Liste so anguckte, hatten beide viele Gemeinsamkeiten. Die wichtigste für mich war: beide sind Menschen. Und beide haben die gleichen Rechte.
Danach fingen wir an, Aeham Fragen zu stellen. Nachdem wir erfahren hatten, dass er alleine fliehen und seine Familie in Syrien zurücklassen musste, wurde es ganz still im Raum. Er erklärte uns auch, dass das Geld darüber entscheidet, ob du lebendig oder tot auf anderen Seite des Meeres ankommst, weil man die Schlepper bezahlen muss. Das muss man sich mal vorstellen: Die Menschen fliehen vor Angst um ihr Leben aus ihrer Heimat - und andere Menschen machen ein Geschäft daraus. Und statt zu helfen, gibt Europa Millionen dafür aus, um sich abzuschotten und diese armen Menschen nicht reinzulassen.
Dabei können und müssen wir in Europa etwas tun. Wir haben das Geld und die Mittel, den Menschen eine sichere Möglichkeit zu bieten, wenn sie auf der Suche nach Schutz zu uns kommen müssen. Was in Syrien und anderswo passiert, geht auch uns etwas an.
Aehams Geschichte ging mir sehr nah. Als mir eine sehr gute Freundin erzählte, dass ihre Familie einer ähnlichen Situation ausgesetzt war und bei ihrer Flucht vieles erlebt hatte, kamen ihr fast die Tränen. Sie konnte sehr gut verstehen, aus welchem Grund er seine Familie zurückgelassen hatte und wie stark er gewesen sein musste, um diese Entscheidung übers Herz zu bringen. Sie hatte größten Respekt vor Aehams Willenskraft, genauso wie wir alle, mit denen er die Geschichte seines Leides geteilt hatte.
Dann begann er, von seiner Musik zu erzählen - wie sie ihm lange Zeit geholfen hat, in Syrien durchzuhalten, gefangen zwischen den Fronten der sich bekämpfenden Soldaten und Milizen.
Eines Tages kam er auf die Idee, sein Klavier auf die Straßen Jarmuks in Damaskus zu schieben und einfach zu spielen, inmitten der Trümmer. Er spielte, um den Menschen Hoffnung zu geben. In meinen Augen ist er ein Held, der sich sowohl gegen Soldaten als auch Terroristen auflehnte. Ich bin sprachlos, wenn ich daran denken muss, dass ich mir hier in Deutschland vieles erlauben und mich frei bewegen kann, während es an vielen anderen Orten der Welt gefährlich ist und der Terror über die Menschlichkeit herrscht.
Pianist Aeham Ahmad (links)
© Amnesty International
Wenige Wochen nach dem Treffen mit Aeham erzählte uns unsere Lehrerin, dass Aeham seine Familie in Deutschland wieder in die Arme schließen konnte. Ich habe mich sehr gefreut für ihn, dass er nach all dem, was er für seine Familie auf sich genommen hatte, sie endlich wieder sehen konnte. Ich bin mir sicher, dass es ein sehr emotionaler Moment für alle gewesen sein muss, nach all den Strapazen, die sie durchmachen mussten.
Am Ende des Workshops wurde eine Box mit Papierröllchen aufgestellt, auf denen die 30 Menschenrechte aufgeschrieben waren. Jeder, der ein Menschenrecht nennen konnte, durfte sich ein Röllchen nehmen und die Beschreibung des jeweiligen Menschenrechtes laut vorlesen. Da wir schon zuvor im Unterricht über die Menschenrechte gesprochen hatten, fiel uns vieles leicht und wir hatten eine gute Trefferquote. Die Aufgabe machte der ganzen Klasse viel Spaß.
Mieze war ziemlich locker und lustig drauf und es war sehr spannend, Aeham kennen zu lernen und seine Erfahrungen zu hören.
Ich finde es ziemlich cool, dass sich die Band gemeinsam mit Amnesty für die Menschenrechte einsetzt. Wenn ich die Möglichkeit hätte, wieder an so einem Workshop teilzunehmen, wäre ich sofort dabei.
Aber ganz egal, ob wir noch einmal einen Workshop gewinnen oder nicht: Auch in diesem Jahr werden wir wieder Briefe schreiben, um Menschen wie Teodora, denen großes Unrecht geschieht, zu helfen.
Weitere Informationen zum Briefmarathon gibt es auf www.amnesty.de/briefmarathon