Amnesty Report Malta 28. März 2023

Malta 2022

Menschen dicht gedrängt auf einem Segelboot

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

Empfehlungen des unabhängigen Untersuchungsausschusses, der zur Tötung der Journalistin Daphne Caruana Galizia ermittelt hatte, wurden nicht vollständig umgesetzt. Schwangerschaftsabbrüche blieben unter allen Umständen verboten, allerdings debattierte das Parlament einen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren. Auch 2022 kam es bei der Koordinierung von Seenotrettungseinsätzen für Flüchtlinge und Migrant*innen zu Verzögerungen. Asylsuchende, darunter auch Kinder, wurden weiterhin rechtswidrig inhaftiert. Drei Asylsuchende waren nach wie vor in Gefahr, wegen terrorismusbezogener und anderer Vorwürfe vor Gericht gestellt zu werden, weil sie sich ihrer rechtswidrigen Abschiebung nach Libyen widersetzt hatten.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Zwei der drei Männer, denen vorgeworfen wurde, die Autobombe hergestellt, platziert und gezündet zu haben, die 2017 Daphne Caruana Galizia getötet hatte, wurden im Oktober 2022 zu je 40 Jahren Haft verurteilt. Ein dritter an dem Mord beteiligter Mann war 2021 zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Das Verfahren gegen den Geschäftsmann, dem angelastet wurde, den Mord in Auftrag gegeben zu haben, hatte noch nicht begonnen. Im September 2022 wiederholte die Menschenrechtskommissarin des Europarats ihre Aufforderung, die Ermittlungsbemühungen zu intensivieren, um sämtliche Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Sie wies außerdem darauf hin, dass Journalist*innen in Malta nach wie vor mit Hindernissen konfrontiert waren, wenn sie Zugang zu Informationen von öffentlichem Interesse erhalten wollten. Darüber hinaus empfahl die Menschenrechtskommissarin eine engere Einbindung der Zivilgesellschaft und der Journalist*innen-Community, um die Gesetzentwürfe zur Medienbranche und zu den Beschränkungen des Einsatzes von strategischen Gerichtsverfahren gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP-Klagen) auf eine gute Basis zu stellen.

Im Juli 2022 kritisierten die NGOs Daphne Caruana Galizia Foundation und Article 19 Europe, dass die maltesische Regierung die Empfehlungen aus dem im Juli 2021 veröffentlichen Abschlussbericht zur unabhängigen Untersuchung der Ermordung von Daphne Caruana Galizia nicht umgesetzt habe. Die NGOs kamen zu dem Schluss, dass Journalist*innen und die Freiheit der Medien nach wie vor nur unzureichend geschützt waren.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Im November 2022 schlug die Regierung eine Änderung des Strafgesetzes vor, wonach Ärzt*innen und Schwangere nach der Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs keine strafrechtlichen Sanktionen mehr befürchten müssten, sofern der Abbruch aufgrund einer akuten Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren vorgenommen wurde. Unter allen anderen Umständen wären Schwangerschaftsabbrüche nach wie vor rechtswidrig. Der Gesetzentwurf wurde Ende des Jahres noch im Parlament debattiert.

Dem Gesetzentwurf war vorausgegangen, dass einer US-Amerikanerin, die im Juni 2022 während eines Maltaaufenthalts schwerwiegende Schwangerschaftskomplikationen und eine unvollständige Fehlgeburt erlitten hatte, ein Schwangerschaftsabbruch verweigert worden war, trotz der Gefahr einer Sepsis und einer enormen psychischen Belastung. Der Fötus hatte laut der behandelnden Ärzt*innen keine Überlebenschance. Die US-Amerikanerin wurde schließlich nach Spanien ausgeflogen, wo sie die Schwangerschaft abbrechen konnte.

Ebenfalls im Juni richtete eine maltesische NGO für Frauenrechte im Namen von 188 Personen im gebärfähigen Alter eine Petition an die Behörden und forderte die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Die Petition, nach maltesischem Recht ein "gerichtlicher Protest", dokumentierte die diskriminierenden Aspekte des Abtreibungsverbots und dessen vielfältige Auswirkungen auf die Gesundheit und die Würde derjenigen, die einen Schwangerschaftsabbruch hinter sich haben oder einen solchen benötigen.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Bis zum Jahresende trafen 450 Flüchtlinge und Migrant*innen auf dem Seeweg in Malta ein.

Die Behörden verfolgten nach wie vor eine tödliche Abschreckungspolitik, indem sie Notrufe von Flüchtlingen und Migrant*innen auf See ignorierten oder nur schleppend darauf reagierten.

Im September 2022 starb ein vierjähriges syrisches Mädchen an Bord eines Fischerboots an Dehydrierung. Das Boot hatte tagelang im maltesischen Such- und Rettungsbereich getrieben, bevor die maltesischen Streitkräfte die Rettung koordinierten. Der Bericht der Menschenrechtskommissarin des Europarats vom Oktober 2021, der im Februar 2022 veröffentlicht wurde, forderte die Regierung auf, wirksame Such- und Rettungsaktionen zu gewährleisten. Zudem forderte die Kommissarin die Zusammenarbeit mit Libyen bei der Migrationskontrolle zu beenden, da sie Abschiebungen von Menschen nach Libyen zur Folge habe, wo sie Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt seien. Die Kommissarin empfahl Malta auch, Kinder und schutzbedürftige erwachsene Flüchtlinge und Migrant*innen nicht zu inhaftieren und allen willkürlichen Inhaftierungen ein Ende zu setzen. Die maltesische Regierung inhaftierte weiter willkürlich Asylsuchende, darunter auch unbegleitete Minderjährige, über die rechtlich zulässigen Zeiträume hinaus und ohne angemessenen Zugang zu Rechtsmitteln. Einige unbegleitete Minderjährige wurden bei ihrer Ankunft zusammen mit Erwachsenen festgehalten. Im Januar 2022 kamen drei Männer und drei Minderjährige nach einem Gerichtsbeschluss aus dem Haftlager Safi frei. Nach einem entsprechenden Antrag vor dem Berufungsgremium für Einwanderung (Immigration Appeal Board) wurden im März drei asylsuchende Jugendliche aus Bangladesch aus dem Haftlager Safi in separate Einrichtungen für unbegleitete Minderjährige verlegt, die sich in einem offenen Zentrum befanden. Zuvor waren sie fast drei Monate lang zusammen mit Erwachsenen inhaftiert gewesen.

Die drei als "El Hiblu 3" bekannten Asylsuchenden, die sich 2019 ihrer rechtswidrigen Abschiebung nach Libyen widersetzt hatten, warteten nach wie vor auf die Entscheidung, ob der Fall vor Gericht kommen soll. Die richterliche Untersuchung zu dem Fall, die sich lange hingezogen hatte, wurde im November abgeschlossen. Wegen Vorwürfen, die u. a. auf der Grundlage von Antiterrorgesetzen gegen sie erhoben wurden, drohen ihnen bei einer Verurteilung lebenslange Haftstrafen.

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