Erfolg Aktuell 03. August 2016

Opfer von Hissène Habré werden entschädigt

Tschad: Opfer von Hissène Habré werden entschädigt

Hisséne Habré, ehemaliger Präsident des Tschad, bei einem offiziellen Besuch in Paris am 21. Oktober 1989

29. Juli 2016 – Während der Präsidentschaft von Hissène Habré von 1982 bis 1990 wurden im Tschad Zigtausende Menschen Opfer von staatlicher Gewalt. Nun hat ein Sondertribunal in der senegalesischen Hauptstadt Dakar entschieden, dass sie und ihre Angehörigen Entschädigungszahlungen erhalten. Dies ist eine bedeutende Entscheidung für die Opfer, die bereits seit langer Zeit und mit großer Beharrlichkeit für Gerechtigkeit kämpfen.

"Dieses Urteil ist ein wichtiger Schritt! Es hilft den Menschen, die unter Hissène Habré Opfer von Menschenrechtsverletzungen wurden, und ihren Angehörigen, ein normales Leben zu führen", sagt Franziska Ulm-Düsterhöft, Afrikaexpertin von Amnesty International in Deutschland.

"Das Urteil ist ein Erfolg für die Menschenrechte weltweit. Es zeigt, dass Täter von Menschenrechtsverletzungen auch nach Jahrzehnten mit Strafen zu rechnen haben und Opfer von Menschenrechtsverletzungen die Hoffnung auf Gerechtigkeit nicht aufgeben dürfen", so Ulm-Düsterhöft weiter.

Das Sondergericht in Dakar (Extraordinary African Chambers – EAC) sprach den Opfern von Vergewaltigungen und sexueller Gewalt, die geklagt hatten, umgerechnet ca. 30.500 Euro pro Person zu. Opfer von willkürlichen Inhaftierungen und Folter sowie Kriegsgefangene und weitere Überlebende erhalten rund 23.000 Euro. Den Angehörigen von Opfern wurden jeweils ca. 15.200 Euro zugesprochen.

Hissène Habré war bereits am 30. Mai 2016 vom EAC wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Folter zwischen 1982 und 1990 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden.

Die Rechtsbeistände von Hissene Habré haben Rechtsmittel gegen seine Verurteilung eingelegt.

Amnesty International fordert das EAC, die Afrikanische Union, die Regierung des Tschads und die internationale Gemeinschaft auf, die notwendigen finanziellen Mittel in einen separaten Fonds einzuzahlen, um die Umsetzung des Urteils sicherzustellen.

"Die Verurteilung Habrés und die Entschädigungszahlungen sind ein wichtiger Schritt. Allerdings war Hissène Habré nicht allein für diese Gräueltaten verantwortlich. Es ist unerlässlich, weiterhin Druck auf den Tschad und andere betreffende Staaten auszuüben, damit noch weitere Personen strafrechtlich verfolgt werden, die zwischen 1982 und 1990 für schwere Menschenrechtsverletzungen im Tschad verantwortlich waren."

Hintergrund

Hissène Habré war von 1982 bis 1990 Präsident des Tschad. Ihm wurde vorgeworfen, für den Tod von über 40.000 Menschen und die Folter von über 20.000 Personen verantwortlich zu sein.

Das Sondergericht EAC wurde 2012 im Rahmen eines Abkommens zwischen der Afrikanischen Union und der Regierung im Senegal eingerichtet. Das Verfahren gegen Hissène Habré vor dem EAC begann am 20. Juli 2015. 69 Opfer, 23 Augenzeuginnen und Augenzeugen und zehn Expertinnen und Experten sagten während des Prozesses aus.

Zu den vorgetragenen Beweisen der Staatsanwaltschaft gehörten auch Berichte von Amnesty International aus den 1980er Jahren. Ein ehemaliger Mitarbeiter von Amnesty International sagte zudem als Sachverständiger vor Gericht aus.

Mit dem Fall gegen Hissène Habré fand das Prinzip der "Universellen Gerichtsbarkeit" zum ersten Mal Anwendung in Afrika. Grundlage der universellen Gerichtsbarkeit ist die Annahme, dass es Verbrechen gibt, die so schwer wiegen, dass sie die ganze internationale Gemeinschaft betreffen. Folglich hat jeder Staat die Pflicht, Verantwortliche von solchen internationalen Verbrechen vor Gericht zu stellen, unabhängig von der Herkunft der Täter und Opfer sowie vom Ort der Verbrechen.

Zudem ist es das erste Mal, dass ein ehemaliger Staatspräsident von einem afrikanischen Gericht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden ist. Das Verfahren brachte die Behörden im Tschad nach Jahrzenten der Straflosigkeit dazu, endlich wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen Ermittlungen einzuleiten und weitere Verdächtige strafrechtlich zu verfolgen. Dies führte zu der Verurteilung von 20 Sicherheitskräften der Regierung Hissène Habrés wegen Mordes, Folter, Entführung und willkürlicher Inhaftierungen im März 2015.

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